04/12/2012: Trend zu einseitiger Verteilungsentwicklung noch nicht durchbrochen

Vor einem Jahr hatte der Verteilungsbericht 2011 des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung die langjährige Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums und eine wachsende Ungleichheit in Deutschland beklagt. Seit Jahren sinkenden Netto-Lohnquoten hatten noch im ersten Halbjahr 2011 wachsende Anteile der Gewinn- und Kapitaleinkommen am Volkseinkommen gegenübergestanden (siehe 30.11.2011). Wie der soeben erschienene WSI-Verteilungsbericht 2012 verdeutlicht, ist der einseitige Verteilungstrend noch nicht durchbrochen, auch wenn der Anteil der Löhne am privaten Einkommen wieder leicht gestiegen ist.

Laut einer Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) habe sich im Zuge der stabilen wirtschaftlichen Entwicklung auch das gesamtwirtschaftliche Gewicht der Lohneinkommen wieder etwas erhöht. Die Netto-Lohnquote sei 2011 allerdings nur geringfügig auf 44,5 Prozent des verfügbaren Einkommens im Sektor Private Haushalte gestiegen (das entspreche 36,6 Prozent des gesamten Volkseinkommens). Der Wert von knapp 43 Prozent in der ersten Jahreshälfte 2012 lasse allerdings erwarten, dass es im gesamten Jahr keinen weiteren Zuwachs geben werde.

Der Verfasser des Berichts, WSI-Leiter Dr. Claus Schäfer, sehe keine echte Wende im langjährigen Trend, nach dem Unternehmensgewinne und Kapitaleinkommen gegenüber den Löhnen an Boden gewinnen, heißt es weiter. Verglichen mit den 1960er- bis 1980er-Jahren, als die Netto-Lohnquote über 50 Prozent lag, sei das Kaufkraftpotenzial der Arbeitseinkommen nach wie vor "auf einem historisch niedrigen Niveau", schreibe der Forscher.

Von den 2011 gestiegenen Lohneinkommen haben nicht alle Beschäftigten gleichermaßen profitiert. Verschiedene aktuelle Untersuchungen zeigten, dass die Löhne der besser Verdienenden und vor allem die Top-Einkommen deutlich stärker gestiegen seien als die anderer Erwerbstätiger. Diese Spreizung sei auch darauf zurückzuführen, dass die wachsende Beschäftigung mit steigender Prekarität einhergehe (vgl. 19.07.2011 und 11.10.2012).

Quelle: HBS-Pressemitteilung vom 04.12.2012

Weiterlesen:
Verteilung: Warten auf die Trendwende. In: Böckler impuls 19/2012

Schäfer, C. (2012): Wege aus der Knechtschaft der Märkte – WSI-Verteilungsbericht 2012. In: WSI-Mitteilungen, 65. Jg., H. 8, S. S. 589-600.