23/08/2012: Ausweitung prekärer Arbeit lässt Dienstleistungsproletariat entstehen

Folgen des Strukturwandels oder der Arbeitsmarktderegulierung? Auf der Suche nach den arbeitsgesellschaftlichen Konsequenzen der Transformation von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft haben Wissenschaftler/innen des Hamburger Instituts für Sozialforschung jedenfalls den Dienstleistungssektor untersucht und im Feld einfacher Dienstleistungsarbeit Arbeitsverhältnisse vorgefunden, die die Betroffenen in eine schon überwunden geglaubte proletarische Lebensform zwingen.

Wie Spiegel Online dazu berichtet, seien die Soziolog/innen Friederike Bahl und Philipp Staab vom Hamburger Institut für Sozialforschung bei ihrer Untersuchung zu dem „bemerkenswerten Ergebnis“ gekommen, dass Deutschland wieder ein Proletariat habe. „Kennzeichen: geringe Entlohnung, wenig bis keine soziale Absicherung“.

Die Zahl der neuen Dienstleistungsproletarier schätzten Bahl und Staab in Deutschland auf mittlerweile etwa zwölf Prozent der Arbeitnehmerschaft, also mehrere Millionen Menschen. Sie arbeiteten in typischen Dienstleistungsberufen, etwa als Gebäudereiniger, Altenpfleger oder Paketfahrer, und könnten von ihrer Arbeit kaum leben. Zudem tendiere die gesellschaftliche Anerkennung gegen null, weshalb die Betroffenen ihre Arbeit oft als sinnentleert empfänden.

Nach Aussage des Ver.di-Sprechers Jan Jurczyk sein man bei der Gewerkschaft wenig überrascht von den Erkenntnissen. Die Beschäftigten litten unter "zunehmend prekären Arbeitsbedingungen“. Seit Jahren würde man bereits auf die Missstände im Dienstleistungssektor hinweisen, so Jurczyk gegenüber Spiegel Online.

Quellen:
Spiegel Online vom 23.08.2012
Projektbeschreibung des Hamburger Instituts für Sozialforschung

Weiterlesen: Bahl, F./ Staab, P. (20109. Das Dienstleistungsproletariat. Theorie auf kaltem Entzug. In: Mittelweg 36, 19. Jg., Heft 6, S. 66-93.