Wo liegt Arkadien? Arkadienbilder in der klassischen Antike (abgeschlossen Januar 2016)

Arkadien in der Antike ist nicht das Hirtenidyll der Moderne. Für Griechen und Römer ist diese Landschaft von ambivalentem Charakter. Neben Arkadien als realem, geographisch abgrenzbaren Bereich im griechischen Mutterland stehen seit der Zeit des homerischen Epos Stereotypen einer imaginierten Landschaft. Arkadien kann Primitivitätsparadigma oder zivilisatorisches Vorbild sein: ein finsterer vorsintflutlicher Ort, geprägt von Werwölfen und Menschenfressern, oder aber eine Landschaft verehrungswürdigen Alters, deren Bewohnern die Menschheit zentrale Erfindungen zu verdanken hat, und mit der man sich in unterschiedlichen historischen Zusammenhängen stolz in Verbindung bringt. Antike Arkadienbilder sind nicht konstant, sondern veränderlich je nach Perspektive und zeitlicher Verortung (klassische Zeit, Hellenismus, Kaiserzeit).

Das Projekt geht diesen Veränderungen nach, analysiert ihre Formen, Ursachen und Kontexte und erläutert vergleichend die unterschiedlichen Rollen und Funktionen der Landschaft Arkadien in der griechischen und der römischen Kultur.

Im Zentrum der Analyse steht das arkadische Selbstbild mit seinen spezifischen Selbstzuschreibungen, das in literarischen Quellen, aber vor allem durch lokale Zeugnisse wie Inschriften und Münzen deutlich wird. Darauf aufbauend wird erschlossen wie Arkadien in der griechischen Welt wahrgenommen wurde, welche Orte, Zeitabschnitte und Wege für die Arkadienbilder der anderen Griechen, besonders der Athener, von Bedeutung waren. Schließlich wird der Blick von außen analysiert und nachgezeichnet wie und warum die Römer aus räumlicher, zeitlicher und sprachlicher Distanz, ihr Arkadien' fanden.

Antike Arkadienbilder werden vor allem im kulturellen Verständigungsraum des Mythos verhandelt. Dort wird Vergangenheit konstruiert und für die jeweilige politische Gegenwart fruchtbar gemacht. Griechen und Römer erschaffen je nach Kontext Heterotopien, mythische Landschaften, verschiedene imaginäre Arkadien, die als Vorbild, Schreckbild oder möglicherweise auch als Sehnsuchtsbild in konkreten politischen Auseinandersetzungen und Prestigekonkurrenzen instrumentalisiert werden können. ln der antiken Realität - so zeigt es sich spätestens beim Periegeten Pausanias - wirken diese imaginären Landschaften dann auch auf das reale Arkadien zurück: Die von außen herangetragenen Erwartungen sind konkret sichtbar geworden.

Die systematische Analyse antiker Arkadienbilder aus unterschiedlichen Perspektiven lässt neue Aufschlüsse zur Geschichte einer Landschaft und zur Selbstdarstellung ihrer Bewohner erwarten. Außerdem leistet diese Analyse einen Beitrag zur Arkadienrezeption in Griechenland und Rom. Sie erweist Arkadien als wichtigen Faktor im Selbstbild von Griechen und Römern: wer immer ‚sein‘ Arkadien findet, spricht zuerst und vor allem über sich selbst.