Dr. Ian Cooper (Kent/Göttingen)


Antitheos. Tragödie und 'Sohnschaft' bei Hölderlin


Respondent: Prof. Dr. Gerhard Lauer (Göttingen)


Zeit: 18. Dezember 2014, 18h c.t.
Ort: Raum VG 3.102 (Verfügungsgebäude, Platz der Göttinger Sieben 7, 37073 Göttingen).


Abstract

Der Vortrag geht von einer Formulierung in Hölderlins Anmerkungen zur Antigonä aus, um eine formale philosophische und theologische (Teil-)Rekonstruktion des Gottesbegriffes zu unternehmen, der in den Sophokles-Kommentaren entwickelt wird. Die Rekonstruktion gipfelt im Versuch, anhand eines der bekanntesten Gedichte Paul Celans eine Dimension der späteren literarischen Relevanz der Tragödienkonzeption Hölderlins zu beleuchten. Der 'Antitheos' wird von Hölderlin als Figur der vergegenwärtigten Negation beschrieben, die zum Höhepunkt der tragischen Handlung der Antigonä erscheint. Er gehört in den Zusammenhang jener 'gegenrhythmischen Unterbrechung' der Vorstellungen, die im Parallelkommentar zum Ödipus bekanntlich als tragische 'Zäsur' oder Erscheinen der 'Vorstellung selber' chiffriert wird. Im philosophischen Umfeld des nachkantischen Denkens um 1800 erlaubt uns dieser Negationsbegriff Hölderlins, eine andauernde kritische Rezeption Fichtes festzustellen, die vor allem auf ein bestimmtes Verständnis der Zeitlichkeit hinzielt. Des Weiteren spielt hier Kants Bestimmung der 'Schemata' als 'vermittelnde Vorstellungen' eine Rolle, die in der Forschung noch wenig Beachtung fand. Die tragische Zeit Hölderlins ist eine mit dem Scheiden des Gottes saturierte, in der sich jene die Moderne bestimmende Distanz von Gott und Mensch eröffnet, welche Präsenz als Entzug konstituiert. Der Vortrag geht auf Jean-Luc Marions Bezeichnung der in dieser Weise distanzgeprägten Existenz als Zustand der 'Sohnschaft' ein, um den Antitheos als Moment der (filialen) Unterschiedenheit zu verstehen, dem die Äußerung einer möglicherweise rettenden, aber durchaus tragischen 'Blasphemie' zufällt. Diese Ambivalenz wird von Celan an einer entscheidenden Stelle seines Werkes aufgenommen.