Kunstwerk des Monats im Mai 2018


06. Mai 2018
Eine sorgenfreie Rettung. Ruggiero rettet Angelica nach Tizian.
Vorgestellt von: Amelie Dreecke

KdM Mai MittelEin äußerst vielschichtiges Kunstwerk ist der unter der Bezeichnung „Ruggiero rettet Angelica“ bekannte Kupferstich des kaum erforschten Niederlän-dischen Kupferstechers Cornelis Cort (1533-1578), geschaffen um 1565/66 nach einer Vorlage von Tizian (1477/90-1576). Über Jahrzehnte und gar Jahrhunderte hinweg beschäftigten sich Kunst-historiker und Forscher mit der dargestellten Thematik und versuchten die Szene zu identi-fizieren. Es gab für verschiedene Theorien ebenso viele zutref-fende wie aber auch verfehlte Argumente. Obwohl der allge-meine Konsens sich schließlich für die thematische Festlegung des Kupferstichs auf Basis der Geschehnisse in Ludovico Ariosts (1474-1533) Werk „Der rasende Roland“ einstimmte, lassen sich einige künstlerische Abwand-lungen und Innovationen in Cornelis Corts Kupferstich finden, die es zu entdecken gilt.
Die im Kupferstich präsentierte Umgebung, in der sich als Akteure die unbekleidete Angelica, ein kleiner Drache sowie der auf einem Hippogryph herbeieilende Ruggiero befinden, lässt die Erinnerung an einen gestaffelten Theateraufbau zu.

Sie ist vor allem in die unberührte Natur im Vordergrund und vom Menschen geschaffene Architektur im Hintergrund unterteilbar. Nebst diesen großen Einteilungen des Bildwerks sind jedoch auch diverse Details kennzeichnend, die allerdings erst nach genauerer Betrachtung auffallen und die Frage nach deren Bezüge zum dargestellten Thema laut werden lassen.
Im Kontrast zueinander stehen unberührte Natur und „künstlich“ erschaffene Architektur, ungezwungene Natürlichkeit präsentiert durch die „natürlich“ nackte Angelia, und der in voller Ritterrüstung dargestellte, aktive Ruggiero. Dies sind Gegensätze, die sich im Leitbild der Ausstellung „Mutter Erde. Vorstellungen von Natur und Weiblichkeit in der Frühen Neuzeit“ widerspiegeln und so in subtiler Weise dem Betrachter eine Idee von der Wahrnehmung von Natur und Weiblichkeit zur Entstehungszeit des Kupferstichs wiedergeben.
Im Zuge des Vortrags soll zunächst eine Präsentation des Kupferstichs stattfinden, sowie die Frage nach der Identifizie-rung mit Hilfe den entsprechen-den Textpassagen aus Ariosts Werk und möglichen Vergleichs-werken beantwortet werden. Selbstredend wird zudem die Frage der Geschlechterrollen, ihren jeweiligen Attributen und aufeinander bezogene Zusam-menhänge aufgegriffen, die teils sehr offen, teils jedoch versteckt dem interessierten Betrachter entgegengebracht werden.