Komparative Mehrebenenanalyse der Diskrepanz zwischen Arbeitsanforderungen und Qualifikation zwischen hochqualifizierten Migranten und Einheimischen


Überqualifizierung tritt auf, wenn die erforderten Kompetenzen einer Stelle geringer sind als die Qualifikationen des Stelleninhabers. Auf individueller Ebene führt Überqualifizierung zu sinkender Produktivität und Arbeitszufriedenheit sowie steigender Fluktuationsrate (Tsang, 1991). Lohnanalysen ergeben, dass Überqualifizierte zwar weniger als Individuen mit erforderter Bildung in einem perfekten Match, aber mehr als Individuen mit gleicher Bildung verdienen. Unterqualifizierte verdienen mehr als Individuen mit gleicher Bildung, jedoch weniger als Individuen mit der für die Stelle erforderten Bildung (Bauer, 2002; Daly et al., 2000; Hartog, 2000). Job-Mismatches prägen den ganzen Erwerbsverlauf und verringern langfristig die Wahrscheinlichkeit für ein perfektes Match (Voßemer & Schuck, 2016). Empirisch zeigt sich in mehreren Ländern ein höherer Anteil an über- und unterqualifizierten Migranten (Aleksynska & Tritah, 2013) sowie größere Lohnbenachteiligungen im Vergleich zu Einheimischen (Joona, Gubpta & Wadensjö, 2014; Larsen, Rogne & Birkelund, 2018; Nielsen, 2011).

Gesamtwirtschaftlich betrachtet, sind Job-Mismatches Fehlallokationen von Ressourcen. Die ungenutzten Ressourcen und die daraus resultierende ineffiziente Funktionsweise des Arbeitsmarktes verschlechtern die Wettbewerbsfähigkeit und das langfristige Wirtschaftswachstum eines Landes (Boll, Leppin & Schömann, 2016).
Sowohl der demografische Wandel als auch der Fachkräftemangel erfordern einen gezielten Einsatz ausländischer Fachkräfte. Die Entwicklung europäischer und anderer industrialisierter Länder in wissensbasierte Volkswirtschaften erhöht die Nachfrage von hochqualifizierten Individuen. Das große Angebot an gebildeten Individuen kann trotzdem nicht immer die steigende Nachfrage ausgleichen (Cema & Czaika, 2016).

Migration von Hochqualifizierten hat sowohl Vor- und Nachteile für das Einwanderungs- als auch für das Herkunftsland. Einwanderungsländer profitieren von produktiven Individuen, wofür sie keine Bildungskosten aufwenden mussten. Die Herkunftsländer verlieren einerseits Fachkräfte, wenn andere Arbeitsmärkte bessere Chancen und attraktivere Arbeitsbedingungen aufweisen (Galan & Agasisti, 2014). Andererseits führt Migration auch zu Vorteilen für die Herkunftsländer, wie finanzielle Unterstützungen der Migranten an die in der Heimat verbliebenen Verwandten. So profitieren die Wirtschaften sowohl im Einwanderungs- als auch im Herkunftsland (Kaczmarczyk, 2010), was die Wichtigkeit einer erfolgreichen Integration von hochqualifizierten Migranten auf dem Arbeitsmarkt hervorhebt.

Bei der Erklärung von Mismatch von hochqualifizierten Migranten müssen mehrere Ebenen berücksichtigt werden. Im Projekt wird daher zwischen Auswirkungen auf der Mikro-, Meso- und Makroebene unterschieden. Auf der Mikroebene sollen vor allem individuelle Faktoren analysiert werden. Auf Basis der Segmentationstheorie von Piore (1979) sollen verschiede Sektoren und Arbeitsbereiche auf der Mesoebene untersucht werden. Die Makroebene berücksichtigt schließlich gesellschaftliche Komponenten des Einwanderungslandes.

Ziel des Projektes ist es, zu untersuchen inwieweit und wodurch hochqualifizierte Migranten in Europa überqualifiziert sind. Die Analyse von hochqualifizierten Migranten füllt eine bisherige Forschungslücke im Bereich des Job-Mismatch und ist durch die zunehmend steigende Bildungsexpansion in Europa von hoher Relevanz. Mit den Erkenntnissen der Forschung im Rahmen des Projektes sollen neben dem wissenschaftlichen Beitrag, gezielte Implikationen für die Gesellschaft und Migrationspolitik hergeleitet werden, um gesamtwirtschaftlich eine Fehlallokation von wichtigen Ressourcen zu vermeiden und individuell die Produktivität sowie die Zufriedenheit hochqualifizierter Migranten zu verbessern. Das wiederum ist eine Voraussetzung für die erfolgreiche und langfristige Integration der Migranten in den Arbeitsmarkt.

Mitarbeiter im Projekt:
Prof. Dr. Céline Teney
Saskia Schramm

Studentische Hilfskräfte:
Li Kathrin Rupiper
Lisa Gutwoski