Archäobotanik und Umweltrekonstruktion

Auf archäologischen Ausgrabungen sind neben dem klassischen archäologischen Fundgut wie z. B. Keramikscherben, Schmuckstücken, Münzen und Knochen auch Pflanzenreste zu entdecken. Die zum Teil kaum mit bloßem Auge wahrnehmbaren Samen, Früchte, Blattreste, Stengelfragmente und Hölzer müssen vorsichtig aus dem Erdreich eines Befundes herausgeschlämmt werden. Im archäobotanischen Labor werden die Pflanzenreste an einem Binokular bei 5-20facher Vergrößerung aus dem Schlämmrückstand ausgelesen und sortiert. Nach eingehender morphologisch-anatomischer Untersuchung eines Pflanzenrestes am Binokular (5-100fache Vergrößerung) und gelegentlich auch am Mikroskop (50-1000fache Vergrößerung) wird die Pflanzenart bestimmt. Als Hilfsmittel werden bei der Bestimmung Vergleichssammlungen rezenter und subfossiler Samen, Früchte und Hölzer, Fotokarteien subfossiler Pflanzenreste und Bestimmungsliteratur verwendet.

Wieso können die Pflanzenreste im Erdreich überdauern?
Dass Pflanzenreste in Mitteleuropa im Boden über Jahrhunderte oder Jahrtausende erhalten bleiben, ist keine Selbstverständlichkeit. In der Regel wird organisches Material von Kleinstlebewesen, Pilzen und Bakterien abgebaut (Prinzip “Komposthaufen”). Unter besonderen Erhaltungsbedingungen bleiben Pflanzenreste hingegen vom Abbau verschont.

Erhaltung durch Verkohlen:

  • unvollständige Verbrennung der Pflanzenreste bewirkt Oxidation zu Kohlenstoff, der von Mikroorganismen nicht abgebaut wird
  • Subfossile Erhaltung in sauerstoffarmen Feuchtablagerungen:

  • in Böden mit hohem Grundwasserspiegel (Marschenböden), in Mooren, in Kloaken, in Brunnen u. ä. koennen die organischen
    Reste nicht abgebaut werden

  • Erhaltung durch Metallsalze:

  • Pflanzenreste, die z. B. mit Münzen in Kontakt gekommen sind, werden nicht zersetzt

  • Erhaltung durch Kälte:

  • Bedeckung von Pflanzenresten durch Gletscher (Ötzi)
  • Pflanzenreste in Permafrostböden

  • Erhaltung durch Trockenheit:

  • Pflanzenfunde aus den ägyptischen Pyramiden
  • Pflanzen aus Herbarien

  • Welche Pflanzenreste treten im archäologischen Fundgut einer Siedlung auf?

    Kulturpflanzenreste aus gereinigten Vorräten:

  • vorwiegend Getreidekörner, Samen der Hülsenfrüchte und auch der Ölfrüchte

  • Kulturpflanzenreste aus ungereinigten Vorräten:

  • vorwiegend Getreidekörner, Samen der Hülsenfrüchte und auch der Ölfrüchte, vermengt mit Unkrautsamen, Spelzenresten, Halmfragmenten, ...

  • Kulturpflanzenreste aus der Nahrungsaufbereitung:

  • vorwiegend Getreidekörner, Samen der Hülsenfrüchte und auch der Ölfrüchte

  • Druschreste:

  • Spelzenreste, Ährchengabeln, Spindelglieder der Getreideähre
  • Halmfragmente, Unkrautsamen, Blütenkelche, Wildpflanzenreste:
    Reste von Sammelpflanzen wie Nußschalen und Samen von Wildobst

  • Unkrautreste aus ungereinigten Vorräten:

  • Samen und Blütenkelche, die mitgeerntet wurden, da beispielsweise bestimmte Unkräuter windend um die Getreidehalme wachsen

  • Brennholzreste, Bau- und Werkholzfragmente:

  • Holzkohle

  • Welche Pflanzenreste fehlen unter dem archäobotanischen Material?
    Blatt- und Wurzelgemüse werden in der Regel vor der Fruchtreife geerntet. Erhaltungsfähige Samen und Früchte dieser Gemüse werden daher nicht in Siedlungsschichten angetroffen.