Ringvorlesung 'Bilder. Ein (neues) Leitmedium?'

Bilder werden derzeit zum Leitmedium westlicher Kulturen erklärt. Die Konjunktur von Bildern steht in engem Zusammenhang mit der Erfindung technisch-apparativer Bildmedien, z.B. der Fotografie im 19. Jahrhundert, die dazu beigetragen haben, dass Bilder in der westlichen Welt eine erstaunliche Erfolgsgeschichte aufweisen können und andere Medien wie die Schrift langsam zu verdrängen scheinen. Anhänger der neuen Bildmedien verkünden derzeit das Ende der am Wort ausgerichteten Buchkultur. Diese verwandele sich durch die von Film, Fernsehen, Zeitungen und Internet produzierte Flut von Bildern zunehmend in eine visuelle und damit 'postliterate' Bildkultur, welche von visuellen Stereotypen, Illusionen, Kopien, Imitationen und Simulationen aller Art dominiert werde. Von Marshall McLuhan (der die Buchkultur schon in den 1960er Jahren totgesagt hatte) und Computer-Enthusiasten wie Jay David Bolter wird dem Buch kaum mehr eine Zukunft zugestanden, denn wenn in Zukunft gelesen wird, dann nur noch (und das gilt nach Bolters Ansicht gerade auch für Literatur) am Computerbildschirm.

Die von W.J.T. Mitchell und G. Boehm mit dem Begriff pictorial bzw. iconic turn belegten Visualisierungstendenzen der westlichen Kultur werden jedoch nicht nur positiv auf-genommen, sondern lösen zuweilen auch Besorgnis aus. Die Allgegenwart der Bilder, ihre auf den 'sinnlichen' Qualitäten beruhende Macht und unmittelbare Evidenz sowie ihr oft ungeklärter Status zwischen Realität und Simulation erzeugen sowohl eine Bilderfaszination und Bildermanie als auch Bilderfeindlichkeit und Medienphobien. Durch die Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung besitzen Bilder zudem eine neue soziopolitische Brisanz: Bilder können in einem nie dagewesenen Maß manipuliert werden – und dementsprechend stark auch uns manipulieren.

In den Wissenschaften beschäftigt man sich seit einigen Jahren intensiv mit dem Phänomen ‚Bild’: mit den Funktionen von Bildern, ihrer Aussagekraft, ihrem Verhältnis zur Wirklichkeit und zu anderen Medien.

Die Ringvorlesung soll vor diesem Hintergrund einerseits einen Einblick in die Geschichte des Bildes geben und andererseits einen Überblick zur aktuellen Debatte um Bilder und die Bildwissenschaft liefern. Die eingeladenen Vortragenden werden aus dem Blickwinkel so verschiede-ner Disziplinen wie Ägyptologie, Biologie, Ethnologie, Geschichts- und Literaturwissenschaft, Philosophie und nicht zuletzt Kunst- und Medienwissenschaft die Rolle von Bildern in unterschiedlichen Kulturen und Epochen diskutieren und damit den weit gespannten Bedeutungsaspekten des Bildbegriffs Rechnung tragen. Zu fragen ist dabei immer, ob und inwiefern es sich bei Bildern tatsächlich um ein (neues) Leitmedium handelt.