Biologie und Ökologie





Die Fichte ist in Deutschland die volkswirtschaftlich bedeutendste Baumart. Doch im Vergleich zur Buche ist eine Fichte weniger beständig und anfälliger gegenüber Umwelteinflüssen und Schädlingen. Der immergrüne Nadelbaum erreicht eine Höhe von 30 m bis max. 60 m und kann bis zu 600 Jahre alt werden. Das volle Höhenwachstum ist im Alter von etwa 15 Jahren erreicht, danach wächst die Fichte nur noch geringfügig weiter in die Höhe. Sie kann dann einen Brusthöhendurchmesser von 1,5- 2 m aufweisen. Der jährliche Holzzuwachs beträgt im Alter 100 ca. 9,4 m³ pro ha. Im Freistand aufwachsende Fichten sind am Stamm weit nach unten beastet. Auch die Krone ist bis unten ausgebildet und hat die Form eines spitzen Kegels. Die Wuchsform ist typischerweise ein Monopodium, d.h. die Hauptachse des Baumes wird stets stärker gefördert als die seitlichen Verzweigungen.



Fichtentypen



Abb. 04: Fichtentypendiagramm (Abb.: F. Gruber)



Es gibt den Kamm-, Platten- und Bürstentyp, die nach dem Aussehen von Zweigen und Nadeln unterschieden werden (Gruber 1990). Wissenschaftler sehen dies oft auch als ein Erkennungsmerkmal für lokale oder standortsbedingte Fichtentypen an. Bei der Gemeinen Fichte werden zwei Unterarten beschrieben: die europäische und die nordeuropäisch-asiatische Form. Die Letztere hat behaarte Zweige, kürzere Nadeln und halb so große Zapfen. Ausbildungsformen der Fichte sind eine spitzkronige Hochlandform und eine breitkronige Tieflandform. Die Kronenform passt sich im Laufe der Zeit an den jeweiligen Standort an. Die Fichte entwickelt sich zu einem prächtigen Baum mit regelmäßiger Verzweigung (Seitenäste in Quirlen bzw. Scheinquirlen angeordnet). Somit zeigt sie hier einen stockwerkartigen Aufbau. Die Äste wachsen waagerecht zur Stammachse und führen deswegen beim Einschnitt zu kreisrunden Astnarben. Beobachten kann man dies auch an einem geschnittenen Brett aus einem Fichtenstamm oder am stehenden Baum wie im folgenden Foto.



Kronenbaum



Abb. 05: Kronenarchitektur (Foto: K. Kammer)



Jedes Stockwerk entspricht dem Zuwachs eines Jahres. Die Fichte bildet mit vier Jahren den ersten Astquirl und dann jedes Jahr einen weiteren. Durch Zählen der Stockwerke kann folglich das Alter eines Baumes geschätzt werden.



Die Nadeln sind spiralig um den Zweig angeordnet, 1 - 2 cm lang, sehr spitz, starr und vierkantig. Sie sitzen einzeln auf einem kleinen braunen Höcker (vorspringenden Blattkissen) und haben eine Lebensdauer von 5 - 7 Jahren. Aus diesem Grund fühlen sich entnadelte Zweige rau an. Die Fichte gehört zu den Halbschattenbaumarten. Das heißt, sie verträgt in ihrer Jugend etwas Schatten, muss aber dann mit zunehmenden Alter freigestellt werden, um volle Wuchsleistung zu erbringen.

Die Fichte ist in der Holzindustrie deswegen so bedeutend, weil sie geradschaftige, schlanke Stämme produziert, die auch wegen ihrer sehr dünnen Rinde gut zu verarbeiten sind. Die Rinde ist bei jungen Bäumen glatt und hellbraun. Bei älteren hingegen schuppig mit rundlichen Borkenschuppen, die ca. 1 cm dick und bräunlich-rot sind. Die Rinde schützt den Baum vor Umwelt- und mechanischen Einflüssen. Obwohl die Fichte keineswegs ein Tiefwurzler ist, kann sie mit ihren Hauptwurzeln tiefgründige Böden nutzen, etwa Feinlehmböden, wenn diese gut durchlüftet sind. Auf falschem Standort hingegen bildet sie vielfach nur ein extrem flachreichendes Wurzelsystem (Tellerwurzel) aus. In diesem Fall ist die Windwurfgefahr erhöht.



Wurzelteller



Abb. 06: Wurzelteller (Foto: K. Kammer)



Ihre Wurzeln sind sehr lufthungrig und dringen deswegen nur etwa 2 - 6 m tief ein, je nach Bodenverhältnissen. Besonders geeignet sind tiefgründige, sandige bis lehmige Verwitterungsböden mit geringer Neigung zum Wasserstau. Wie die meisten Waldbäume lebt auch die Fichte mit Pilzen in Symbiose. Durch den Pilz, der an den Feinwurzeln sitzt, vergrößert sich die Oberfläche für die Stoffaufnahme aus dem Boden. Dies bedeutet für den Baum eine höhere Überlebenschance und Konkurrenzkraft.



Verjüngung



Die Fichte ist erst ab einem Alter von 30 Jahren zur Fruktifikation fähig. Das heißt, sie blüht im Alter zwischen 30 und manchmal 60 Jahren das erste Mal. Sie ist einhäusig, das heißt, dass männliche und weibliche Blüten getrennt auf demselben Baum vorkommen. Zu Selbstbestäubung oder Inzucht kommt es deshalb nicht, weil an einem Baum meist die weiblichen Blüten vor den männlichen aufblühen und genügend anderer Blütenstaub in der Luft herumschwirrt. Die Blütezeit ist Mai/Juni. Die Bestäubung erfolgt durch den Wind und ist ungerichtet.



Die männlichen Blüten sitzen einzeln und sind kugelig, etwa 1 cm groß und blattachselständig nach unten gerichtet verteilt. Am Anfang sind sie karminrot und werden im Laufe der Zeit gelb. Die Pollenkörner sind sehr klein und leicht. Sie besitzen Luftsäcke, mit denen der Pollen sein Volumen vergrößert und damit bei geringem Gewicht die Sinkgeschwindigkeit vermindert, so dass eine weite Verbreitung möglich ist. Der Blütenstaub wird durch den Wind zu den weiblichen Blüten transportiert, die Menge ist manchmal so groß, dass im April und im Mai ganze Wolken des gelben Staubes durch die Luft wehen („Schwefelregen“). Oft ist der Boden der Fichtenwälder in dieser Zeit gelb gefärbt. Ebenso sind dann die Oberflächen der nahen Seen, Teiche und Tümpel mit einer gelben Schicht von Blütenstaub bedeckt.



Die zapfenförmigen, weiblichen Blüten, die im April/Mai zu sehen sind, sind hellrot oder gelbgrün und stehen aufrecht an den Astenden im oberen Teil der Fichtenkrone. Sie sind 5 - 6 cm lang. Im Jahr darauf werden sie reif und braun. Diese 10 - 16 cm langen und 3 - 4 cm breiten Zapfen sind im August ausgewachsen und im Oktober reif. Sie hängen herab und enthalten die Samen, die im ersten Jahr reifen. Im darauffolgenden Frühjahr keimen dann die ersten Fichtensamen und wachsen zu Bäumchen heran.



Im Gegensatz zur Tanne fällt der ganze Zapfen zu Boden. Der Samen ist mit einem Flügel ausgestattet und wird auch Schraubenflieger genannt. Der Samen wird durch Wasserverlust beim Austrocknen (hygroskopischer Prozess) aus dem Zapfen freigesetzt. Dabei treten in den Gewebepartien der Schuppen so starke Spannungen auf, dass sich die Schuppen bei trockenem Wetter spreizen und die Samen entlassen. Nässe hingegen oder hohe Luftfeuchtigkeit führt wieder zum Schließen der Zapfen. Der Samen kann 3 - 5 Jahre am Boden lagern und keimfähig bleiben. 10 - 20 % der Fichtensamen werden von Tieren, Pilzen oder Insekten vernichtet bzw. als Nahrungsmittel benutzt. Der Fichtenkreuzschnabel ernährt sich von Fichtensamen, wie im folgenden Bild gezeigt wird.



Fichtenkreuzschnabel



Abb.07: Fichtenkreuzschnabel (Foto: K. Kammer)



Die Winterknospen der Fichte sind spitz bis eiförmig oder kegelförmig, 3 - 7 mm lang und meist harzlos. Die Endknospen sind stumpf kegelförmig bis spitz eiförmig und die Seitenknospen nicht oder kaum an Größe übertreffend. Die Seitenknospen sind schlank eiförmig und vom Zweig abstehend; Knospenschuppen hell- bis dunkelbraun, meist zugespitzt. (Godet 2001)



Fichtenknospe



Abb. 08: Fichtenknospe (Foto: F. Gruber)



Die Verjüngung der Fichte funktioniert nie über Stockausschläge. Sie gelingt leicht über Pflanzungen oder auch durch Selbstanflug auf schmalen Saumschlägen oder in Bestandeslücken. Die Fichte verjüngt sich am besten bei gleichmäßigen und hohen Niederschlägen auf starken Moderauflagen oder Totholz. Dies nennt man dann Kadaververjüngung.



Samenanflug findet bei leichtsamigen Baumarten wie der Fichte durch ältere Samenbäume statt. Aus der Sicht des Forstmanagements werden geradschaftige, fehlerfreie Bäume zur Saatgutverbreitung bevorzugt. Vorraussetzung für das Gelingen der Verjüngung ist ein passendes Keimbett und optimales Kleinklima für die Samen. Das heißt, dass der Oberboden gesund sein muss und eine optimale Humusauflage vorhanden sein sollte. Trifft dieses nicht zu, kann man durch eine maschinelle oder händische Bodenverwundung nachhelfen. Der Sämling hat meist 8 - 9 Keimblätter und wächst auch auf Rohböden. Die Fichte entwickelt sich hervoragend im Mischbeständen, weil sie Stabilität durch andere Baumarten erhält.