Zusammenfassung
Blighia sapida K.D. Koenig (Ackee, Sapindaceae) ist eine in Westafrika heimische, in vielfacher Weise genutzte Baumart. „Ackee“ trägt zur Existenzsicherung der Bauern in ländlichen Gebieten bei und wird von diesen traditionell forstlich bewirtschaftet. Der Kultivierung von B. sapida kommt heute eine immer stärker werdende Bedeutung zu, aber das Wissen um diese Art reicht derzeit noch nicht aus, um effiziente Nutzungsstrategien zu entwickeln. Die hier vorliegende Arbeit hat zum Ziel, Daten über B. sapida zu sammeln, mit denen nachhaltig wirkende Domestizierungsmaßnahmen dieser wichtigen, aber wissenschaftlich bislang vernachlässigten Art in Westafrika ausgearbeitet werden können (NUS: Neglected and Underutilized Species). Dabei sollte zunächst das Wissen der indigenen Bevölkerung, also von Männern und Frauen verschiedener ethnischer Gruppen, über die Variationsbreite von B. sapida gesammelt werden. Die morphologische Variabilität sollte im Vergleich zur Umwelt untersucht und ein voraussagendes Model zur Fruchtproduktion etabliert werden. Eine Untersuchung der genetischen Variabilität innerhalb und zwischen den Populationen mit Hilfe verschiedener molekularer Marker sollte außerdem Rückschlüsse auf den Einfluss anthropogenen Managements auf die genetische Struktur erlauben, was als Grundlage für die Domestizierung und Erhaltung dieser Baumart dienen könnte.
Das Wissen um Nutzung, Management und Verteilung intraspezifischer Variation in B. sapida wurde durch teilstandardisierte Interviews mit 240 zufällig ausgewählten Personen (50% Frauen, 50 % Männer) aus fünf verschiedenen ethnischen Gruppen Benins einschließlich fünf fruchtverarbeitenden Frauen und sechs Heilern zusammengefasst. Für die morphologischen und genetischen Analysen wurden 14 Standorte (6 Waldstandorte, 8 Brachlandstandorte) in drei verschiedenen Klimazonen im „Ackee“-Verbreitungsgebiet in Benin erfasst. Insgesamt wurden 279 Bäume untersucht, von denen 71 in der Guinea-Zone, 124 in der Guinea-Sudan-Zone und 84 in der Sudan-Zone wuchsen. Desweiteren wurden jeweils 30 reife Früchte von 27 Bäumen (Guinea-Zone: 9, Guinea-Sudan-Zone: 11, Sudan-Zone: 7) gesammelt. Insgesamt umfasste diese Sammlung 810 Früchte.
Die Nutzungsinteressen dieser Baumart, wie auch das Wissen um deren Nutzung und Management, sind sehr unterschiedlich. Daher wurden neun verschiedene Differenzierungsmerkmale festgelegt, die hauptsächlich auf Fruchteigenschaften zurückzuführen sind. Phänotypen mit bevorzugten Fruchteigenschaften (Größe, Farbe, Geschmack des Arillus, Ölgehalt) wurden von den heimischen Bauern auch als solche erkannt und waren daher häufiger an Standorten mit in situ-Management und Kultivierung (Feld/Brachland) als an ungenutzen Wildstandorten (Wald). Dies zeigt, dass die traditionelle Bewirtschaftung bereits einen Kultivierungsprozess initiiert hat. Das indigene Wissen darüber unterschied sich signifikant zwischen den Ethnien und Geschlechtern.
Der Brusthöhendurchmesser, die Baumhöhe sowie die Anzahl der Äste variierten signifikant zwischen den Klimazonen und den Standortstypen. Diese Unterschiede erklärten sich durch die klimatischen Variablen des mittleren jährlichen Niederschlages, der potentiellen Evapotranspiration, der relativen Feuchte, der Temperatur und der Anzahl der Regentage. Die Fruchtmerkmale (Fruchtgewicht, Gewicht des Arillus, Gewicht der Kapseln, Samengewicht, und Anzahl der Samen pro Frucht) wiesen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Klimazonen auf. Dennoch waren die Bäume der Sudan-Zone durch die höchsten Werte gekennzeichnet. Die Bäume der Brachland- bzw. Feldstandorte zeigten die höchsten Werte für alle Fruchtparameter, und das Gewicht der Früchte und Kapseln war signifikant verschieden. Für diese Variation der „Ackee“-Früchte waren keine klimatischen Faktoren verantwortlich. Lediglich das Gewicht der Kapseln und Samen ließ sich direkt aus dem Gewicht der Früchte und der Anzahl der Samen voraussagen. Die beobachteten Unterschiede resultieren möglicherweise aus den speziellen Selektionspraktiken der heimischen Bauern über viele Generationen hinweg.
Zwölf Mikrosatelliten-Primerpaare wurden für die molekularen Untersuchungen an Blighia sapida getestet. Diese Primerpaare wurden für Lychee (Litchi chinensis) entwickelt, eine Art, die ebenfalls zur Familie der Sapindaceae gehört. Sieben Primerpaare waren auf B. sapida übertragbar und vier waren polymorph. Die durchschnittliche Anzahl der Allele pro Locus lag zwischen 3,7 (B. sapida) und 4,9 (L. chinensis). Die Anzahl der Allele pro Locus lag zwischen zwei und 14, die mittlere Anzahl insgesamt bei 5,8. Die beobachtete (HO) und erwartete (HE) Heterozygotie schwankte zwischen 0,020 und 0,359 (HO) sowie zwischen 0,020 und 0,396 (HE).
Es wurde die genetische Variation basierend auf den AFLP-Markern, den vier polymorphen Mikrosatellitenloci (nSSR) und einem Chloroplastenmikrosatellitenlocus (cpSSR) für alle 279 untersuchte Individuen bestimmt. Die AFLP-Ergebnisse auf der Basis von 375 ausgewerteten AFLP-Fragmenten zeigten für B. sapida in Benin eine moderate Diversität (mittlere und gesamte genetische Diversität: PPL=52,8%, Hj=0,157). Die mittlere Diversität der nuklearen Mikrosatelliten lag bei HE = 0,286 (0,156 – 0,419) bzw. bei AR = 2,77 (1,88 – 3,67). Die genetische Variation wies keine Unterschiede zwischen den Wald- und den Brachlandstandorten auf. Die Kultivierungsmaßnahmen der Bauern haben anscheinend keinen Effekt auf die genetische Diversität dieser Art. Eine molekulare Varianzanalyse zeigte nur 5,2% (AFLP) bzw. 7,3% (nSSR) der Variation zwischen den Populationen. Es wurde außerdem mittels eines Manteltests eine signifikante Korrelation zwischen den geographischen (Ln) und genetischen Distanzen (FST/(1−FST)) für alle Standorte ermittelt. Ein Manteltest nur für die Waldstandorte war nicht signifikant. Der einzige polymorphe Chloroplastenmikrosatellitenmarker (ccmp7) wies für die untersuchten Proben drei Haplotypen auf (121, 135, 145 bp). Die Haplotypen 121 und 135 wurden im gesamten Untersuchungsgebiet gefunden, während das Allel 145 auf Nordost-Benin beschränkt war.
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, dass sich traditionelle forstwirtschaftliche Maßnahmen gut in die circa situ Erhaltung der genetischen Ressourcen eingliedern lassen. Die Domestizierungsmaßnahmen sollten daraus einen Nutzen ziehen und sicherstellen, dass die Diversität der Art circa situ in aktuellen und zukünftigen „Ackee“-Anpflanzungen erhalten bleibt. Die beste Möglichkeit, die circa situ-Erhaltung auch in forstwirtschaftlichen Systemen zu garantieren, besteht in der Sammlung von Samen, Keimlingen und vegetativem Material zusammen mit marktorientierten Ideotypen, die die in vielen Eigenschaften hochvariablen Kultivare bewahren. Neben den Waldstandorten sollte außerdem eine in situ Erhaltung im Nordosten Benins angeregt werden. Für eventuelle Provenienz-Versuche sollten weiterhin Samen aus drei repräsentativen Einheiten gesammelt werden: aus dem Süden der Guinea-Zone, aus dem Zentrum der Guinea-Sudan-Zone sowie aus dem Westen der Sudan-Zone nahe der Grenze zu Togo.
Auf Grundlage dieser Studie sowie den Nutzungen der Baumart durch verschiedene ethnische Gruppen können für die Sammlung des Pflanzenmaterials sieben Zonen in Betracht gezogen werden: 2 Zonen in der Guinea-Zone, 3 in der Guinea-Sudan-Zone und 2 in der Sudan-Zone. Innerhalb einer jeden Zone könnten 2 Dörfer für die Sammlung ausgewählt werden. Mit Hilfe der heimischen Bauern sollten in diesen 14 Dörfern Früchte von 15 bis 20 Bäumen geerntet werden. Da die Früchte und die Arilli die wichtigsten genutzten Teile der untersuchten Art darstellen, sollte die Auswahl der zu beernteten Früchte mit dem Wissen der heimischen Bauern erfolgen. So ist möglicherweise die Fruchtgröße ein entscheidendes Kriterium zur Selektion eines Elite-Baumes, aber auch der Arillus-Geschmack sowie dessen Farbe könnten wichtig für die Sammlung und langfristige Erhaltung des Pflanzenmaterials sein. Desweiteren spielt auch die Saisonalität des Fruchtens eine wichtige Rolle.
In sieben Pilotanpflanzungen sollten vegetative Vermehrungstechniken entwickelt und etabliert werden, wobei diese zwischen zwei Dörfern in jeder Zone liegen und die heimischen Bauern deren Management übernehmen könnten. Der Austausch von Vermehrungsgut sollte auf jede Zone limitiert werden, damit negative Effekte aufgrund schlechter Anpassung oder „Auszuchtdepression“ verhindert werden können. Frauen, Männer und junge Bauern sollten in die Identifizierung und Sammlung des Pflanzenmaterials sowie in die nachfolgenden Aktivitäten gleichermaßen involviert werden.
Eine entsprechende Marktanalyse sollte für das gesamte Land durchgeführt werden. Die Verbreitung der Produkte, das Management, die Lagerung, Verarbeitung und Verpackung sollten in diese Analyse implementiert werden. Diese Elemente sind essentiell für die Sicherung einer erfolgreichen Kultivierung dieser Art. Sozio-ökonomische Studien sollten auch den regionalen Handel der Früchte einbeziehen, der zwischen Benin und den benachbarten Staaten in einem grenzüberschreitenden Austausch von forstlichen Nichtholzprodukten (NTFP: non-timber forest product) und/oder forstwirtschaftlichen Baumprodukten (AFTP: agroforestry tree product) erfolgt.

Ekue, M.R.M., Gailing, O. & R. Finkeldey. 2009. Transferability of microsatellite markers developed in Litchi chinensis to Blighia sapida (Sapindaceae). Plant Molecular Biology Reporter 27: 570-574.

Ekue, M.R.M., Gailing, O., Finkeldey, R. & O. Eyog-Matig. 2009. Indigenous knowledge, traditional management and genetic diversity of the endogenous agroforestry species ackee (Blighia sapida) in Benin. Acta Horticulturae 806: 655-662.

Ekue, M.R.M., Gailing, O., Vornam, B. & R. Finkeldey. 2011. Assessment of the domestication state of ackee (Blighia sapida K.D. Koenig) in Benin based on AFLP and microsatellite markers. Conservation Genetics 12: 475-489.