Forschung

Mein aktuelles Projekt ist:

Die Wahrnehmung symbolischer Grenzen durch Deutsche mit Migrationshintergrund (Zeitraum des Projekts: ab 2018)
Im Rahmen dieses Projekts führe ich mit drei Gruppen von „Deutschen mit Migrationshintergrund“ Interviews durch: Deutschen, die einen polnischen Hintergrund haben, Deutschen mit türkischem Hintergrund und schwarzen Deutschen. Dabei interessiert mich, ob sie, trotz ihrer deutschen Staatsbürgerschaft (und damit formellen Mitgliedschaft), symbolische Grenzen zwischen ihren Gruppen und „den Deutschen“ wahrnehmen und wie sie mit diesen umgehen. Zentral ist hierbei die Frage, welche Antworten sie entwickeln, wenn sie diskriminiert oder stigmatisiert werden. In diesem Zusammenhang interessieren mich auch und vor allem die kulturellen Ressourcen (spezifische Diskurse und Deutungsmuster, aber auch Emotionen, Religion und Recht), die ihnen im Umgang mit symbolischen Grenzen (bzw. wahrgenommener Diskriminierung und Stigmatisierung) zur Verfügung stehen und die Faktoren, die den Zugang zu diesen Ressourcen beeinflussen (Medien, Netzwerke, soziale Positionen). Das Projekt ist komparativ in der Anlage und schließt an emotionssoziologische, migrationssoziologische und kultursoziologische Debatten an.


Abgeschlossene Projekte:

1. Der deutsche Diskurs über nationale Identität seit den 1980er Jahren (Zeitraum des Projekts: 2008-2012)
Im Rahmen meiner Doktorarbeit habe ich mich mit zentralen Debatten über deutsche nationale Identität beschäftigt (u.a. mit dem Historikerstreit, der Vereinigungsdebatte und der Leitkulturdebatte) und untersucht, wie sich zentrale Ideen darüber gewandelt haben, was die deutsche Nation ist und wer legitimerweise zu ihr dazugehört, wie man sich ihr gegenüber verhalten soll und welche Bedeutung die NS-Zeit für die Gegenwart haben sollte. Ein zentrales Ergebnis der Arbeit ist, dass die traditionelle Idee einer kulturell und ethnisch verfassten deutschen Nation durch ein pluralistisches Nationsverständnis abgelöst worden ist und dass dieser Wandel mit einem neu ausgehandelten Konsens zum Umgang mit der NS-Zeit einherging. Ferner hatte der Wandel des deutschen Nationsverständnisses wichtige Konsequenzen mit Blick auf die Legitimität von Nationalstolz und Patriotismus. Darüber hinaus argumentiere ich, dass sich dieser mehrdimensionale Wandel als Wirken von „Weltkultur“ (John W. Meyer) interpretieren lässt.

Publikationen aus diesem Projekt sind:
Piwoni, Eunike. 2012. "Nationale Identität im Wandel. Deutscher Intellektuellendiskurs zwischen Tradition und Weltkultur". Wiesbaden: VS Verlag.
Piwoni, Eunike. 2013. "Latent but Not Less Powerful: The Holocaust as an Argumentative Resource in German National Identity Discourse". German Politics & Society 31(3), 1-26. doi: 10.3167/gps.2013.310301
Piwoni, Eunike. 2017. „Ein deutsches Jahrzehnt? Der deutsche Identitätsdiskurs als ein Happy End unter Vorbehalt". Indes 6(3), 83-92. doi: 10.13109/inde.2017.6.3.83

2. Online-Kommentarbereiche als Räume für Gegenöffentlichkeit (Zeitraum des Projekts: 2013-2017)
In einem gemeinsamen Projekt mit Florian Töpfl (FU Berlin) habe ich zu den Kommentarbereichen von Online-Zeitungen geforscht. Konkret haben wir die Woche nach der vorletzten Bundestagswahl (2013), in der die AfD den Einzug ins Parlament nur knapp verfehlt hatte, untersucht und dabei sowohl die Berichterstattung meinungsführender Onlinezeitungen über dieses Ereignis als auch alle Kommentare, die unter die unter diesen Artikeln gepostet worden waren, erfasst. Mit unserer Studie konnten wir zum ersten Mal empirisch zeigen, dass sich in den Kommentarbereichen von Onlinezeitungen Gegenöffentlichkeiten formieren. Nichtsdestotrotz sind diese Gegenöffentlichkeiten von den Strukturen der Debatte der meinungsführenden Zeitungen geprägt, da zentrale Frames übernommen werden. Für dieses Projekt habe ich das theoretische Framework mitentwickelt, das Codebuch erstellt und die Daten codiert (22 Artikel, 3154 Kommentare).

Publikationen aus diesem Projekt sind:
Toepfl, Florian and Piwoni, Eunike. 2015. "Public Spheres in Interaction: Comment Sections of News Websites as Counterpublic Spaces". Journal of Communication 65(3), 465-488. doi: 10.1111/jcom.12156
Toepfl, Florian and Piwoni, Eunike. 2017. "Targeting dominant publics: How counterpublic commenters align their efforts with mainstream news". New Media & Society. Online First. doi: 10.1177/1461444817712085

3. Kosmopolitismus und junge Eliten (Zeitraum des Projekts: 2013-2018)
Im Rahmen eines Postdoc-Auslandsstipendiums (DFG) habe ich im Jahr 2014 an der London School of Economics (LSE) Interviews mit internationalen Studierenden zu ihrem Selbstverständnis als Kosmopoliten durchgeführt. Die Zielsetzung des Projekts war es zu verstehen, wie sie die an einer Universität wie der LSE dominante (und zugleich elitär ausgestaltete) kosmopolitische Leitkultur als Ressource für ihr alltägliches Leben nutzen und welche Paradoxien hierbei auftauchen. Ferner hat mich interessiert, welche Narrative sie entwickeln, wenn sie darüber räsonieren, wo sie nach Abschluss ihres Studiums arbeiten und leben möchten und welche Rolle sie hierbei nationalen und lokalen Affinitäten zuweisen. Ein vor dem Hintergrund aktueller Debatten zum Phänomen des Elitekosmopolitismus eher überraschendes Ergebnis war hier die zentrale Bedeutung, die diese jungen Eliten ihrer Kernfamilie beimessen.

Publikationen aus diesem Projekt sind:
Piwoni, Eunike. 2014. "Myria Georgiou: Media and the City: Cosmopolitanism and Difference". Crossings: Journal of Migration & Culture 5(1), 179-181.
Piwoni, Eunike. 2018b. “Exploring Disjuncture: Elite Students’ Use of Cosmopolitanism”. Identities: Global Studies in Culture and Power. Online First.

4. Die Konstruktion symbolischer Grenzen im öffentlichen Diskurs zur Integration von Immigranten (Zeitraum des Projekts: 2013-2018)
In einem teilweise von der Frauenförderung der Universität Bamberg geförderten Projekt habe ich die Sarrazindebatte mit Blick auf die Frage untersucht, wie in dieser Debatte Grenzen konstruiert und modifiziert wurden. Zum einen habe ich dabei eine repräsentationstheoretische Perspektive in Anschlag gebracht, mit deren Hilfe ich zeigen konnte, dass ein zentraler Moment innerhalb der Debatte die Wahrnehmung von Sarrazin als „Volkes Stimme“ war. Hierdurch wurde der Verlauf der Debatte maßgeblich beeinflusst. Ich konnte somit einen Mechanismus aufzeigen, wie Eliten und „das einfache Volk“ gemeinsam Grenzen konstruieren.
Darüber hinaus war die Sarrazindebatte durch einen Diskurs über Emotionen geprägt, der unterschiedliche „Feeling Rules“ für „autochthonen Deutsche“ auf der einen und „Deutsche mit muslimischen Hintergrund“ auf der anderen Seite aufgestellt hat: Deutschen wurden Emotionen zugestanden, während Deutsche mit Migrationshintergrund aufgefordert wurden, ihre Emotionen zu kontrollieren. Das Argument, das ich anhand des Falls der Sarrazindebatte entfalte, lautet demnach, dass über öffentliche Diskurse „Feeling Rules“ verbreitet werden, die symbolische Grenzen stabilisieren und Anerkennung ungleich verteilen.

Publikationen aus diesem Projekt sind:
Piwoni, Eunike. 2015. "Claiming the nation for the people: the dynamics of representation in German public discourse about immigrant integration". Nations and Nationalism, 21(1), 83-101. doi: 10.1111/nana.12084
Piwoni, Eunike. 2018a. "Mass-Mediated Discourse on Emotion and the Feeling Rules it Conveys: The Case of the Sarrazin Debate". Current Sociology. Online First. doi: 10.1177/0011392117751574