Neues Testament

Die Neutestamentliche Wissenschaft an der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen erforscht das Neue Testament (NT) als die Ur-Kunde des Christusglaubens, wie sie auf der Basis der Heiligen Schriften Israels, im Kontext des antiken Judentums und in Auseinandersetzung mit der hellenistisch-römischen Welt formuliert wurde. Diese Wissenschaft vollzieht sich demnach im Spannungsfeld von religionsgeschichtlicher Perspektive, in der das NT zunächst die Schriftensammlung einer jüdischen Splittergruppe, sodann die Gründungsurkunde einer Weltreligion darstellt, und theologischer Sicht, der zufolge es Gottes Offenbarung in der Person Jesus Christus auf grundlegende Weise bezeugt.


Forschungsschwerpunkte

Seit über hundert Jahren ist es eine Spezialität Göttingens, die Auslegung des NT in den Kontext außerbiblischer Befunde zu stellen, also die Exegese mit religionsgeschichtlichen Fragestellungen zu verbinden.

Auf eine lange Tradition blicken dabei die Studien zum antiken Judentum zurück, die vor allem in neuerer Zeit auch außerhalb des Faches „Neues Testament“ und in Absehung von neutestamentlichen Fragestellungen betrieben wird (vgl. die Projekte von Prof. Hans-Jürgen Becker zur rabbinischen Literatur sowie von Prof. Reinhard G. Kratz und seinem Team zu den Texten vom Toten Meer).
In diesem Zusammenhang geht Prof. Florian Wilk dem philologischen und theologischen Profil der Septuaginta und ihrer Rezeption im frühen Christentum, insbesondere in den Schriften des NT nach; gegenwärtig entsteht dazu in Kooperation mit einem international besetzten Herausgeberkreis ein mehrbändiges „Handbuch zur Septuaginta“ (bereits erschienen sind die Bände 1: Einleitung [2015], 3: Sprache [2016], 4: historisch-kultureller Kontext [2019] und 5: Theologie [2019]).
Zudem arbeitet Florian Wilk in verschiedenen Konstellationen an der Konzeption einer Biblischen Theologie. Im Rahmen der von ihm mit herausgegebenen Reihe „Topoi Biblischer Theologie (TOBITH)“ zeichnet er gemeinsam mit Marianne Grohmann (Wien) für den Band zur „Autorität der Schrift“ verantwortlich.

Prof. Susanne Luther legt den Fokus in diesem Zusammenhang auf literarische, religions- und kulturgeschichtliche Einflüsse griechisch-römischer Fluchtafeln auf das Neue Testament; demnächst erscheint dazu – in Zusammenarbeit mit Markus Lau (Fribourg) und Michael Hölscher (Mainz) – der Band „Antike Fluchtafeln und das Neue Testament“ (WUNT I). Weitere Forschungsschwerpunkte von Susanne Luther liegen im Bereich der antiken und neutestamentlichen Ethik, insbesondere der Sprachethik, sowie im Bereich antiken Historiographie und der Frage nach Fiktion, Fiktionalität und Faktualität der neutestamentlichen Texte (vgl. dazu bald die Monographie „Die Authentifizierung der Vergangenheit: Literarische Geschichtsdarstellung im Johannesevangelium“, WUNT I).

Das Ziel solcher Forschungen ist bei aller sorgfältigen philologischen, historischen und religionsgeschichtlichen Arbeit letztlich ein theologisches: Die biblischen Texte sollen für die Gegenwart erschlossen werden, nicht zuletzt auch als wesentlicher Bezugspunkt des christlich-jüdischen wie überhaupt des interreligiösen Gesprächs. In dieser Absicht werden zur Zeit Kommentare zum Jakobusbrief (S. Luther) und zu den Korintherbriefen des Paulus (F. Wilk) erarbeitet. Zudem nimmt natürlich die Reflexion über hermeneutische Zugänge zu den neutestamentlichen Texten eine zentrale Stellung ein.