Geschichte

Das Ibero-Amerika Institut für Wirtschaftsforschung wurde 1964 von der Deutschen Ibero-Amerika Stiftung in Hamburg in Übereinkunft mit der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen gegründet. Das Niedersächsische Kultusministerium hat die Errichtung des Ibero-Amerika Instituts ausdrücklich begrüßt. Die Erstausstattung und die laufenden Kosten der ersten 5 Jahre wurden von der Volkswagen-Stiftung übernommen; seit 1969 werden die laufenden Kosten von der Universität Göttingen übernommen.

Ziele des Instituts bei Institutsgründung: Das Ibero-Amerika Institut soll volkswirtschaftliche Forschungen über iberoamerikanische Entwicklungsprobleme in enger Zusammenarbeit mit Wirtschaftswissenschaftler*innen und wirtschaftspolitischen Institutionen in Iberoamerika durchführen, gegebenenfalls durch Forschungsteams mit Vertreter*innen anderer Fachrichtungen; weiterhin war ein Ausbildungsprogramm für Iberoamerikaspezialisten geplant. Die Durchführung dieser Aufgabe sollte in folgender Weise geschehen:

  1. Förderung iberoamerikanischer Studien mit dortigen Wissenschaftler*innen am Göttinger Institut
    1. Ausländische Gäste erhielten die Möglichkeit, sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung Europas und Deutschlands zu befassen
    2. Göttinger Studierende erhielten wurden mit den wirtschaftlichen und sozialen Problemen Lateinamerikas vertraut gemacht
  2. Betreiben von Iberoamerika Studien
  3. Einrichtung einer eigenen Bibliothek mit Ibero-Amerika-Literatur: Die Anschubfinanzierung erfolgte von 1964-1969 durch die Volkswagen-Stiftung.
  4. Vorlesungen und Vortragsreihen, Seminare und Übungen, die sich mit iberoamerikanischen Problemen befassen

Die Bibliothek des Ibero-Amerika Instituts ist 2004 in die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Bibliothek (WiSo-Bibliothek) der Universität Göttingen integriert worden.
  1. Gegenwärtig umfasst die Institutsbibliothek ca. 50.000 Bände, die ökonomische und soziale Fragestellungen zu Lateinamerika und zur Iberischen Halbinsel zum Gegenstand haben. Die Institutsbibliothek bezieht in etwa 400 deutsche und ausländische Zeitschriften, Schriftenreihen und Zeitungen. Davon kommen ca. 30 Zeitschriften von unterschiedlichen UN-Organisationen, dem IWF, der Weltbank, der OECD und der EU.
  2. http://www4.sub.uni-goettingen.de → ‘individual catalogues of the local Göttingen library system’ →’Bibliotheken der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultäten’ → ‘Ibero-Amerika Institut für Wirtschaftsforschung’

Leitung des Ibero-Amerika Instituts/Direktoren des Ibero-Amerika Instituts:
  • 1964-1969: Prof. Dr. Erich Egner (Gründungsdirektor)
  • 1969-1990: Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Hesse
  • 1988-1992: Dr. Rolf Schinke (kommissarische Leitung des Instituts)
  • 1992-2003: Prof. Dr. Hermann Sautter
  • 2003-2020: Prof. Dr. h.c. Stephan Klasen, Ph.D.
  • Seit 2020: Prof. Dr. Andreas Fuchs


Das Ibero-Amerika Institut trauert um Prof. Dr. h.c. Stephan Klasen, Ph.D.

Universitätsprofessor Stephan Klasen, Ph.D., seit 2003 Inhaber der Professur für Entwicklungsökonomik und Direktor des Ibero-Amerika Instituts für Wirtschaftsforschung, ist am 27. Oktober 2020 im Alter von 54 Jahren nach langer und schwerer Krankheit verstorben.

Stephan Klasen hat sein Feld, die Entwicklungsökonomik, wie kaum ein anderer in Deutschland und Europa geprägt. Die Entstehung einer modernen Entwicklungsökonomik in Deutschland seit den frühen 2000er Jahren ist zu einem großen Teil auf seinen Einsatz und sein Wirken zurückzuführen. Durch den Aufbau vielfältiger und fakultätsübergreifender Kooperationen und Netzwerke hat er in Götttingen die Entwicklungsökonomik maßgeblich ausgebaut und disziplinenübergreifende Forschung ermöglicht. Heute ist Göttingen der deutschlandweit größte und international sichtbarste Standort für Entwicklungsländerforschung. Wir verlieren unseren geschätzten Kollegen, der voller Tatkraft und Ideen war und sich bis zuletzt für die Belange seiner Studierenden, Promovierenden und Mitarbeiter*innen eingesetzt hat, leider viel zu früh. Er wird uns fehlen. Die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Frau und seinen vier Kindern.

Nachruf der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät


"Eine besondere und äußerst engagierte Person" - Abschiedsvorlesung von Entwicklungsökonom Prof. Stephan Klasen, Ph.D.

Mit lang anhaltendem Applaus würdigten die über 250 aus aller Welt angereisten Gäste Prof. Dr. h.c. Stephan Klasen, Ph.D. nach seiner Abschiedsvorlesung am 16. November 2019 im Alfred-Hessel-Saal der Paulinerkirche. Stephan Klasen ist seit 2003 Professor für Entwicklungsökonomik. Er forscht zu Fragen von Armut, Ungleichheit, Umwelt, und Gender in Entwicklungsländern. Geboren 1966, scheidet er vorzeitig aus dem Dienst, da er seit 2015 an amyotropher Lateralsklerose (ALS) leidet und in Sprache und Mobilität stark eingeschränkt ist.

In ihren Redebeiträgen hoben Prof. Dr. Hiltraud Casper-Hehne, Vizepräsidentin für Internationales der Universität Göttingen, und Prof. Dr. Thomas Kneib, Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, u.a. Klasens große Verdienste für die Göttinger Entwicklungsökonomie hervor. "Sie sind eine besondere und äußerst engagierte Person", betonte Prof. Casper-Hehne in ihrer Rede.

Stephan Klasen hat die Entwicklungsökonomie in Göttingen maßgeblich ausgebaut und durch den Aufbau vielfältiger und fakultätsübergreifender Kooperationen und Netzwerke disziplinenübergreifende Forschung auf diesem Gebiet ermöglicht. Heute ist Göttingen der deutschlandweit größte und international sichtbarste Standort für Entwicklungsländerforschung. Zusammen mit Wissenschaftler*innen aus der Agrarökonomie und der Stochastik hat er mit finanziellen Mitteln aus der zweiten Runde der Exzellenzinitiative von 2007 etwa das Courant Research Center "Poverty, Equity, and Growth in Developing and Transition Countries" (Courant Forschungszentrum "Armut, Ungleichheit und Wachstum in Entwicklungsländern") gegründet. Darüber hinaus arbeitet er beispielsweise eng mit Agrarökonomen im von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereich "Ökologische und sozioökonomische Funktionen tropischer Tieflandregenwald-Transformationssysteme (Sumatra, Indonesien)" sowie im DFG-Graduiertenkolleg "Transformation of Global Agri-Food Systems - Global Food" (Transformation globaler Agrar- und Ernährungssysteme) zusammen. Gemeinsam mit Forscher*innen der Universität Hannover hat Stephan Klasen ferner das DFG-Graduiertenkolleg "Globalization and Development" (Globalisierung und Entwicklung) eingeworben.

Prof. Dr. Andrea Cornia, Entwicklungsökonom am Department of Economics and Management der Universität Florenz, ging in einem weiteren Redebeitrag auf Prof. Klasens akademische Laufbahn und dessen Forschungsschwerpunkte ein. Er würdigte zum Beispiel insbesondere, dass Klasen viele wissenschaftliche Fachbeiträge zusammen mit Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern veröffentlicht hat: "Er besitzt die Fähigkeit, Interesse an entwicklungsökonomischer Forschung hervorzurufen. So erschafft man eine Schule", sagte er mit Bezug zur sogenannten "Göttinger Schule". Diesen Begriff prägten Doktorand*innen von Professor Klasen auf einem Symposium anlässlich seines 50. Geburtstages.

Göttinger Schule und das Stephan Klasen Fellowship


Von eben dieser "Göttinger Schule" sprach anschließend Prof. Dr. Isabel Günther. Die ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin von Stephan Klasen ist heute Professorin für Entwicklungsökonomie sowie Direktorin des NADEL – Center for Development and Cooperation an der ETH Zürich. Sie beschrieb Klasen als "inspirierenden Lehrer", der seine Doktorand*innen stets sehr individuell begleitet und gefördert habe. Insgesamt hat Stephan Klasen 76 Promotionen als Erstgutachter betreut. Darüber hinaus hat er an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät eine der ersten Juniorprofessuren geschaffen. Seine aktuellen wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen bedankten sich bei Prof. Klasen mit einem wissenschaftlichen Beitrag der besonderen Art: Im Vorfeld hatten sie die Veranstaltungsteilnehmer*innen mithilfe eines Fragebogens zu verschiedenen Aspekten, von persönlichen Angaben wie dem eigenen Sternzeichen bis hin zu gemeinsamen Mensabesuchen mit Stephan Klasen, befragt und diese Daten anschließend auf humoristische Weise ausgewertet und in einem Artikel zusammengefasst.

Als Zeichen seines großen Einsatzes für Nachwuchswissenschaftler*innen haben die Entwicklungsökonomie-Professuren der Fakultät gemeinsam mit dem Präsidium der Georg-August-Universität Göttingen und der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät darüber hinaus das „Stephan Klasen Fellowship“ ins Leben gerufen. Beginnend 2021 werden jedes Jahr zwei Postdoktorand*innen für jeweils ein Jahr zum wissenschaftlichen Austausch nach Göttingen eingeladen.

Videomitschnitt der Veranstaltung



Schließlich verlasen Luke Barr, Sean Gullette, Lukas und Nicolas Klasen sowie Albert Wenger den Text der Abschiedsvorlesung von Prof. Klasen, der einen Rückblick auf seine wissenschaftliche Karriere und sein Wirken in Forschung, Lehre und Politikberatung darstellt. Den vollständigen Text können Sie hier herunterladen.


Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung von Amy und Henning Bloech.