Wissenschaftliche und historische Erschließung des Herrenhäuser Herbariums in Göttingen, 2016-2018, Pro - Niedersachsen (MWK)

Elvira Hörandl & Marc Appelhans

Ziel des Antrages ist die wissenschaftliche Erschließung des Herrenhäuser Herbariums, welches sich im Universitätsherbarium Göttingen befindet. Das Herrenhäuser Herbarium wurde zu großen Teilen von drei Generationen der Hannoveraner Botaniker-Familie Wendland erstellt und enthält mehrere Teilsammlungen von hohem natur- und kulturwissenschaftlichem Interesse. Die Teilsammlungen enthalten Pflanzen, welche von den Wendlands zum Teil auf eigenen Reisen oder in den Herrenhäuser Gärten in Hannover gesammelt wurden. Zudem befinden sich in dem Herbarium Pflanzen, die von den Wendlands durch Kauf oder Tausch erworben wurden. Der Gesamtumfang der Sammlung beträgt etwa 15.000 Objekte. Über die Wendlands und ihre Reisen, ihre wissenschaftliche Arbeit, sowie Beziehungen zu anderen Gärten gibt es bereits eine Anzahl von Publikationen, aber die Pflanzensammlungen selbst sind nur sehr unzureichend untersucht worden. Das erste Ziel des vorliegenden Antrages ist das Herrenhäuser Herbar wissenschaftlich zu erschließen. Dazu werden sämtliche Pflanzenbelege hochauflösend gescannt und die Metadaten in das Datenbanksystem "Diversity Workbench" (www.diversityworkbench.net) eingegeben. Die erstellte Datenbank wird zudem in das sammlungsübergreifende Datenbanksystem der Universität Göttingen eingespeist, um es der interdisziplinären Forschung noch besser zugänglich zu machen. Darauf aufbauend ist das Hauptziel des Antrages eine wissenschaftshistorische Untersuchung der Sammlung, nämlich die Objekte des Herrenhäuser Herbariums mit den Lebensläufen der drei Wendlands zu verknüpfen, um zu entschlüsseln auf welcher Reise welche Pflanzen gesammelt wurden, um genaue Rückschlüsse über Tausch- und Kaufhandel der Wendlands ziehen zu können und um zusammen mit Samenkatalogen und publizierten Pflanzenlisten zu rekonstruieren, welche Pflanzenarten damals in Herrenhausen kultiviert wurden. Sehr wichtige Objekte der Wendland-Sammlung sind Herbarbelege, die Pflanzenbeständen der Herrenhäuser Gärten entstammen. Im zweiten Weltkrieg wurde das Palmenhaus der Herrenhäuser Gärten, welches seinerzeit das größte Palmenhaus und das höchste Gewächshaus Europas war, zerstört, und danach nicht wieder aufgebaut. Herbarpflanzen, alte Samenkataloge und Publikationen der Wendlands sind daher zuverlässige Quellen für die Rekonstruktion der ehemals kultivierten Pflanzenarten. Neben der kulturhistorischen Bedeutung ist die Sammlung von hohem naturwissenschaftlichem Interesse. Viele Arten wurden anhand des Pflanzenmaterials der Wendlands beschrieben. Herbarbelege die für eine Erstbeschreibung benutzt werden, werden als Typen (sing. Typus) bezeichnet. Sie legen die Merkmale einer Pflanzenart fest und sind daher so etwas wie die "Geburtsurkunde" einer Spezies. Typen sind von hohem wissenschaftlichem Wert, und eine Erschließung der Sammlung ermöglicht es, alle Typen des Herrenhäuser Herbars zu entdecken. Zwei renommierte Palmenforscher, Dr. Fred Stauffer aus dem "Conservatoire et Jardin botaniques de la Ville de Genève" in der Schweiz und Dr. John Dowe von der "James Cook University" in Australien, würden als Kooperationspartner die Typen der Palmen anhand der Digitalisate herausfiltern und auch die Artzugehörigkeit der herbarisierten Palmen überprüfen.