03/06/2013:
Geringverdiener: Hohe Dunkelziffer bei den Aufstockern

Mehr als 4 Millionen abhängig Beschäftigte haben 2010 zu Bruttostundenlöhnen von unter 7 Euro gearbeitet (siehe 13.03.2012). Ebenfalls in die Millionen geht die Zahl der Beschäftigten, die über ein derart geringes Nettoeinkommen verfügen, dass es auch unter Hinzurechnung von Wohngeld, Kindergeld und Kinderzuschlag nicht zur Sicherung des sozial-kulturellen Existenzminimums reicht. Darunter sind auch viele Beschäftigte mit Vollzeitjob.

Das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) hat jetzt in Modellrechnungen für Vollzeitbeschäftigte Grundsicherungsbedarf und Bruttoarbeitsentgelt für verschiedene Haushaltsgrößen und Mietrichtwerte verglichen. Wie das IAQ dazu meldet, hätte im Januar 2013 ein Single durchschnittlich brutto 7,98 Euro verdienen müssen, um aus eigenen Kräften den staatlich garantierten Grundsicherungsbedarf zu erreichen. Ein Alleinverdiener in einem Paar-Haushalt müsse bereits 10,18 Euro pro Stunde verdienen, um nach Abzug von Beiträgen und Steuern das Hartz IV-Niveau zu erreichen. Seien Kinder zu versorgen, werde der Verdienst zwar um Kindergeld, Wohngeld und Kindergeldzuschlag aufgestockt. Trotzdem liege der Schwellenwert je nach Mietkostenniveau zwischen 10,65 und 16,43 Euro, um auf das Grundsicherungsniveau zu kommen.

Angesichts der Tatsache, dass viele Geringverdiener diese erforderlichen Stundenlohnsätze zum Teil deutlich unterschreiten, scheint die offizielle Zahl von zuletzt 1,3 Millionen Aufstockern (erwerbstätige ALG II-Bezieher) (siehe 30.04.2013) das Ausmaß der Arbeitsarmut nicht vollständig abzubilden. Nach Ansicht des Autors der Studie, Prof. Dr. Gerhard Bäcker, sei von einer hohen Dunkelziffer der Nicht-Inanspruchnahme auszugehen.

Wie Süddeutsche.de dazu zu berichten weiß, habe die IAQ-Studie ergeben, dass mehrere Hunderttausend Haushalte mit Erwerbstätigen die ihnen zustehenden ergänzenden Hartz IV-Leistungen nicht in Anspruch nähmen. Dies könne daran liegen, dass viele von ihren Ansprüchen und den komplexen Gesetzesregeln nichts wüssten. Viele dürften aber auch den Weg zum Amt scheuen und lieber eiserne Ausgabendisziplin halten oder Überstunden schieben, als den Staat um Hilfe zu bitten.

Quellen:
IAQ-Pressemitteilung vom 03.06.2013
Süddeutsche.de vom 03.06.2013

Weiterlesen:
Bäcker, G. (2013): Bei Niedriglöhnen und hohen Mieten: Trotz Vollzeitarbeit droht ein Einkommen unterhalb des Hartz IV-Niveaus, Sozialpolitik aktuell, 03.06.2013.