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Event

Ist der Tod frei? - Wenn Gerichte über das Sterben bestimmen

Title of the event Ist der Tod frei? - Wenn Gerichte über das Sterben bestimmen
Organizer DAF - Demokratische Aktion Fachschaft
Type of event Podiumsdiskussion
Category Campus Leben
Registration required Nein
Details Am Donnerstag, den 18. Juli um 16:00 Uhr c.t. laden die DAF – Demokratische Aktion Fachschaft – und die Abteilung für strafrechtliches Medizin- und Biorecht der Juristischen Fakultät erneut zu einer spannenden und interdisziplinär besetzten Podiumsdiskussion ins ZHG 009 ein.

Mit einer lang erwarteten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 03. Juli 2019 nun Klarheit in einer rechtlich wie ethisch umstrittenen Diskussion geschaffen. Ärzte, die Menschen bei ihrem Tod beistehen, sind nicht verpflichtet das Leben ihrer Patienten zu retten, sofern deren Entscheidung zum eigenen Tod bewusst und freiwillig erfolgte.

Durch das Urteil verwarf der 5. Strafsenat des BGH die Revisionen zweier Staatsanwaltschaften zu in den Vorinstanzen getroffenen Freisprüchen der Landgerichte Hamburg und Berlin. Beide Gerichte hatten jeweils einen angeklagten Arzt von dem Vorwurf freigesprochen, sich in den Jahren 2012 bzw. 2013 durch die Unterstützung von Selbsttötungen sowie das Unterlassen von Maßnahmen zur Rettung der bewusstlosen Suizidentinnen wegen Tötungsdelikten und unterlassener Hilfeleistung strafbar gemacht zu haben.
In dem vom Landgericht Hamburg entschiedenen Fall (5 StR 132/18) hatten sich zwei suizidwillige ältere Damen über 80 gemeinsam an einen Sterbehilfeverein gewandt mit der Bitte um Unterstützung bei Ihrer Selbsttötung. Dieser machte seine Unterstützung von einem Gutachten hinsichtlich der Urteils- und Einsichtsfähigkeit der beiden Patientinnen abhängig. Der Angeklagte, ein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, erstellte besagtes Gutachten und attestierte die volle Einsichts- und Urteilsfähigkeit der beiden Damen. Auf Wunsch der Suizidwilligen wohnte er der Selbsttötung durch tödlich wirkende Medikamente bei und unterließ auf deren ausdrücklichen Wunsch Rettungsmaßnahmen.
Das Landgericht Berlin entschied (5 StR 393/18) über einen Angeklagten, der als Hausarzt einer 44-jährigen Patientin dieser Zugang zu einer tödlichen Dosis letal wirkender Medikamente verschaffte. Nach mehreren vorangegangenen gescheiterten Suizidversuchen bat die Frau den Angeklagten um Unterstützung beim Sterben. Nach Einnahme der Medikamente betreute der Angeklagte die Patientin über die Bewusstlosigkeit hinaus in dem zwei Tage andauernden Sterbeprozess.
Beide Landgerichte sprachen die Angeklagten in den Verfahren jeweils von den Vorwürfen frei. Die Patienten hätten den klaren Willen zum Suizid bekundet und die Ärzte hätten sich über diesen nicht hinwegzusetzen. Mit der Bestätigung der freisprechenden Urteile wich der BGH von seiner bisherigen Rechtsprechung aus dem Urteil im Fall Wittig vom 04.07.1984 ab. Der vorherigen Rechtsprechung nach konnten Ärzte sich strafbar machen, wenn sie die Rettung bewusstloser Patienten unterließen. Damit stellten die obersten Strafrichter nunmehr die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der Sterbewilligen vor die Gebotenheit etwaig einzuleitender Rettungsmaßnahmen. Dass die Angeklagten mit der jeweiligen Leistung von Hilfe zur Selbsttötung möglicherweise ärztliche Berufspflichten verletzt hätten, sei für die Strafbarkeit ihres Verhaltens im Ergebnis nicht von Relevanz.
Der Ärzteverband „Marburger Bund“ sieht das Urteil mit Hinblick auf die Rolle der Ärzte hingegen kritisch. „Das Urteil des Bundesgerichtshofs zum ärztlich unterstützten Suizid löst keine Probleme, sondern schafft neue. Der Widerspruch zu den berufsrechtlichen Pflichten der Ärztinnen und Ärzte ist evident. Wenn wir Ärztinnen und Ärzte in unseren Grundsätzen von Sterbebegleitung sprechen, meinen wir Beistand und Fürsorge für Menschen, die den Tod vor Augen haben. Sterbebegleitung kann und darf aber keine Hilfe zur Selbsttötung sein. Unsere ärztliche Aufgabe ist es, Leben zu erhalten und Leiden zu lindern. Die Mitwirkung an der Selbsttötung ist keine solche ärztliche Aufgabe. Unsere Berufsordnung lässt daran keinen Zweifel: Ärztinnen und Ärzte dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“, so Rudolf Henke, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes.
Aufgrund des hohen öffentlichen Interesses an der öffentlichen Entscheidungsverkündung des BGH verkündete der 5. Strafsenat sein Urteil in dem historischen Gebäude des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig.
In einer interdisziplinären Diskussionsrunde soll nun unter dem Motto „Ist der Tod frei? – Wenn Gerichte über das Sterben bestimmen“ das Urteil des Bundesgerichtshofes reflektiert werden. Was sind die Folgen für die Betroffenen? Wie lässt sich der Wille der Toten zweifelsfrei feststellen? Neben den rechtlichen Aspekten werden medizinische Hintergründe beleuchtet und auch persönliche Erfahrungen aus den Verfahren durch einen der Verfahrensbeteiligten selbst wiedergegeben.
Die DAF – Demokratische Aktion Fachschaft - und die Abteilung für strafrechtliches Medizin- und Biorecht der Juristischen Fakultät freuen sich auf eine spannende Veranstaltung und zahlreiche interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer!

Ort: Hörsaal ZHG 009, Zentrales Hörsaalgebäude der Universität Göttingen
Zeit: 18. Juli 2019, 16 Uhr c.t.

Auf dem Podium diskutieren:
Prof. Dr. med. Bernd Alt-Epping, Leitender Oberarzt der Klinik für Palliativmedizin an der UMG und Mitglied im Klinischen Ethikkomitee KEK

Dr. Johann Friedrich Spittler, Facharzt für Neurologie und Psychologie sowie Verfahrensbeteiligter im Strafverfahren des Landgerichtes Hamburg wie auch des BGH

Prof. Dr. Gunnar Duttge, Inhaber des Lehrstuhls Strafrecht an der Universität Göttingen sowie Leiter der Abteilung für strafrechtliches Medizin- und Biorecht

Moderation: Dr. med. Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen

Die Diskussion steht allen Interessierten offen, der Eintritt ist kostenlos. Im Anschluss an die Diskussion wird es Möglichkeiten geben, Fragen an die Referenten zu stellen.
Date Start: 18.07.2019, 16:00 Uhr
Ende: 18.07.2019 , 18:00 Uhr
Location Zentrales Hörsaalgebäude (Platz der Göttinger Sieben 5)
009
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