15/05/2013:
Neue Beiträge über Werkverträge als Instrument des Lohndumpings

Seit einigen Jahren schon steigt die Zahl der Personen, die als freie Mitarbeiter über Werk- und Dienstverträge beschäftigt werden (siehe 19.06.2012). Bei Werkverträgen werden Fremdfirmen (Subunternehmen) von Unternehmen beauftragt, bestimmte Aufgaben und Dienste für sie zu übernehmen. Die zur Durchführung benötigten Werkvertragsbeschäftigten der Subunternehmen arbeiten dann zwar beim auftraggebenden Unternehmen, doch nicht zu den dort für die Stammbelegschaften geltenden Löhnen und Arbeitsbedingungen, sondern zu deutlich schlechteren Konditionen.

Weil immer mehr Unternehmen Werkverträge nicht als Flexibilitätsreserve, sondern ganz gezielt zur Kostensenkung nutzen, stehen sie als neues Billiglohnmodell und als Instrument des Lohndumpings vermehrt in der Kritik - dies umso mehr, als Unternehmen damit nicht nur die Löhne drücken, sondern auch den Schutz von Tarifverträgen und Betriebsräten unterlaufen (siehe 27.11.2012 und 25.01.2012).

Zur Problematik des Lohndumpings durch den Einsatz von Werkverträgen liegen bereits einige aktuelle Beiträge vor (siehe unten). Zuletzt hat sich Stefan Sell, Professor für Volkswirtschaftslehre und Sozialpolitik an der Universität Koblenz, mit dem Thema wie folgt befasst.

In seinem aktuellen Beitrag gibt er zunächst einen Überblick über die Möglichkeiten des Werkvertragseinsatzes und ihre faktische Nutzung. Sell weist hier darauf hin, dass Werkverträge sich nicht nur in den „unteren Etagen des Arbeitsmarktes“ (Schlachthöfe, Einzelhandel, Bausektor) ausbreiten, sondern auch dazu genutzt werden, „um klassische Arbeitsverhältnisse in den oberen Etagen“ des Arbeitsmarktes (etwa Ingenieure der Automobilindustrie, Kreativwirtschaft) „aufzulockern, in vielen Fällen sogar aufzubrechen.“

Des Weiteren differenziert Sell zwischen „echten“ Werkverträgen und Scheinwerkverträgen, die de facto eigentlich eine Form der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung darstellten. Für die Tatsache, dass unter dem Deckmantel eines Werk- oder Dienstvertrags faktisch dennoch eine kaum zu sanktionierende Arbeitnehmerüberlassung betrieben werden kann, macht Sell ein gesetzliches „Schlupfloch“ verantwortlich: Sobald das Werkvertragsunternehmen über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfüge, werde verhindert, dass sich im Falle eines nachgewiesenen Missbrauchs die Ansprüche des eigentlich überlassenen Arbeitnehmers gegen das Entleih-Unternehmen richte. „Im Ergebnis bedeutet das, dass der faktische Entleiher bei einem Scheinwerk- oder Scheindienstvertrag praktisch kein Risiko eingeht, aber die Kostenvorteile, die sich realisieren lassen, mitnehmen kann.“

Um das Schlupfloch zu stopfen, favorisiert Sell den Vorschlag des Arbeitsrechtlers Peter Schüren, den Gesetzeswortlaut des § 9 Nr. 1 im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) dahingehend abzuändern, dass Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern nicht nur dann unwirksam sind, wenn der Verleiher nicht die erforderliche Erlaubnis besitzt, sondern auch dann, wenn er „bei vorhandener Erlaubnis die Überlassung des Leiharbeitnehmers nicht eindeutig als Arbeitnehmerüberlassung kenntlich macht“.

Quelle: Sell, S. (2013): Lohndumping durch Werk- und Dienstverträge? Problemanalyse und Lösungsansätze, Remagener Beiträge zur Sozialpolitik, Nr. 13-2013, Remagen.

Weiterlesen:
Gewerkschaft NGG (Hg.) (2013): Wenig Rechte. Wenig Lohn – Wie Unternehmen Werkverträge (aus)nutzen, Hamburg.

Koch, A. (2012): Werkverträge in der Arbeitswelt. OBS-Arbeitspapier Nr. 2, Otto Brenner Stiftung, Frankfurt/M.

Lorig, P. (2012): Werkverträge – Die neue Lohndumpingstrategie? Studie im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Februar 2012.