27/01/2011: Einkommensungleichheit nimmt weiter zu

Nach einer Meldung von Welt Online schreite die Einkommenspolarisierung weiter voran. Neue Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigten, dass die Gruppe der Bezieher mittlerer Einkommen seit Jahren kleiner werde und auch 2008 erneut abgenommen habe von 59,2 Prozent im Vorjahr auf 58,7 Prozent. Die Zeitung bezieht sich vermutlich auf eine aktualisierte Analyse von Daten des sozioökonomischen Panels, die Markus Grabka kürzlich in einem Report für die OECD vorgelegt hat. Zur Einkommensmittelschicht zählen die DIW-Forscher Personen, die über 70 bis 150 Prozent des mittleren Nettoeinkommens verfügen.

Der Trend zur Einkommenspolarisierung wird vom DIW schon seit längerem beobachtet. So hatten etwa im März 2008 Markus Grabka und Joachim Frick in einem Beitrag im DIW-Wochenbericht Nr. 10/08 bereits von einer zunehmenden Einkommensspreizung gesprochen und festgestellt, dass die mittlere Einkommensschicht im Verlauf der Jahre 2000 bis 2006 von 62 Prozent auf 54 Prozent der Bevölkerung gesunken sei. Dabei hätten die „Bewegungen nach unten“ überwogen, denn der „Anteil der armutsgefährdeten Personen (mit Einkommen bis 70 Prozent des mittleren Einkommens) ist deutlich gewachsen.“

Zuletzt hatte das DIW im Juni 2010 Zahlen vorgelegt, wonach die Kluft zwischen Arm und Reich seit dem Jahr 2000 in Deutschland größer geworden sei, weil immer mehr Menschen aus der Einkommensmittelschicht in die Schicht der Bezieher niedriger Einkommen abgerutscht seien (siehe 15.06.2010). Während eine Untersuchung der Bertelsmann Stiftung im Januar 2011 ebenfalls eine „bedenkliche Tendenz“ zur Ungleichverteilung der Einkommen feststellte (siehe 03.01.2011), kam kurz darauf eine für das arbeitgebernahe Roman Herzog Institut verfasste Studie zu dem Ergebnis, dass die Einkommenspolarisierung in den letzten Jahren nur minimal zugenommen habe (siehe 18.01.2011).

Ins gleiche Horn stößt auch die soeben erschienene Studie "GfK Bevölkerungsstrukturdaten 2010" von Gfk GeoMarketing, einem Tochterunternehmen des Nürnberger Marktforschungsinstituts Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Wie dazu ebenfalls Welt Online berichtet, könne anhand der GfK-Zahlen von einem Schrumpfen der Mittelschicht keine Rede sein: „Die Mitte ist sehr stabil“, wird Simone Baecker-Neuchl von Gfk GeoMarketing zitiert. Ihr zufolge habe es bei der Betrachtung der monatlichen Haushaltsnettoeinkommen seit 2008 nur minimale Verschiebungen in den von GfK GeoMarketing gebildeten sieben Einkommensklassen gegeben. Als Einkommen gilt in der Studie die Summe aller monatlichen Überweisungen wie Gehalt, Renten sowie staatliche Transferzahlungen wie z.B. Kindergeld abzüglich Steuern und Sozialabgaben.

Quellen: Welt Online vom 26.01.2011
  Welt Online vom 27.01.2011

Weiterlesen:

  • Grabka, M./ Frick, J. (2008): Schrumpfende Mittelschicht – Anzeichen einer dauerhaften Polarisierung der verfügbaren Einkommen? In: DIW Wochenbericht, 75. Jg., Nr. 10, S 101-108.
  • Goebel, J./ Gornig, M./ Häußermann, H. (2010): Polarisierung der Einkommen: Die Mittelschicht verliert. In: DIW Wochenbericht, 77. Jg., Nr. 24, S 2-8.
  • Grabka, M. (2011): Distribution of Household Incomes in Germany: An Updated Analysis Using the German Socio-Economic Panel (SOEP) in the Years 1986, 1991, 1996, 2001, 2005 and 2009. Report for the Organization for Economic Co-Operation and Development (OECD).