Das Königliche Schauspiel am Gendarmenmarkt

Die Entstehung des Schauspielhauses am Gendarmenmarkt in Berlin
Theaterzettel EröffnungDer Name »Königliche Schauspiele« steht für das Nationaltheater am Gendarmenmarkt und das Königliche Opernhaus Unter den Linden.[1] Das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, das Fontane von 1870 bis 1889 als Kritiker besuchte, war bereits der dritte Bau mit dieser Funktion. Ein aus dem Jahr 1774 stammendes einfacheres Theatergebäude im Osten des Gendarmenmarktes wurde 1802 unter Friedrich Wilhelm II. durch einen Neubau im Westen ersetzt.[2] 1817 brach dort während einer Probe Feuer aus und das Schauspielhaus brannte ab.[3] Daraufhin wurde im Auftrag von Friedrich Wilhelm III. schließlich durch Oberbaurat Friedrich Schinkel an gleicher Stelle das heute noch dort befindliche Theatergebäude errichtet, dessen Außenfassade von dem Bildhauer Christian Friedrich Tieck, Bruder von Ludwig Tieck, gestaltet wurde. Das neue Schauspielhaus am Gendarmenmarkt wurde am 26. Mai 1821 mit einer Aufführung von »Iphigenie auf Tauris« festlich eröffnet.[4] Goethe dichtete zu diesem Anlass einen Prolog, der bei der Eröffnungsfeier vorgetragen wurde:


Es steht und übertrifft mein Wollen hundertmal
Ich dachte mir's, doch mit bescheidnem Hoffen,
Verwandte Kunst, sie hat mich übertroffen. [...]
Empfangt das Schöne, fühlt zugleich das Gute,
Eins mit dem andern wird euch einverleibt;
Das Schöne flieht vielleicht, das Gute bleibt.
[5]



Innenraum des Königlichen Schauspiels
Friedrich Schinkel, 1825: Blick von der Bühne in den Zuschauerraum des Schauspielhauses, Blick auf die Bühne des Schauspielhauses mit dem Hintergrundbild für die Eröffnungsvorstellung am 26. Mai 1821. In: Gerhard Wahnrau: Berlin. Stadt der Theater, Der Chronik I. Teil. Berlin 1957, S. 312.

Die Berliner Theaterszene
Ein Jahr vor Beginn der Kritikerzeit Fontanes veränderten sich die Bedingungen für die Berliner Theater, denn es wurde eine neue Gewerbeordnung eingeführt, nach der Theater nun als Gewerbe galten und somit ohne behördliche Konzessionen gegründet werden konnten. Viele neue Theater wurden daraufhin eröffnet, die untereinander hart um das Publikum konkurrieren mussten. Das Königliche Schauspiel allerdings blieb aufgrund seiner höhergestellten Position als Bildungsstätte von diesem Umstand weitgehend unberührt.[6]

Der Theaterkritiker Fontane
Mitte August des Jahres 1870 nahm Theodor Fontane seine Tätigkeit als Theaterkritiker am Königlichen Schauspiel auf. Er folgte auf Friedrich Wilhelm Gubitz, der im Juni des gleichen Jahres verstorben war. Fontane besuchte bis ins Jahr 1889 als Kritiker die Aufführungen des Königlichen Schauspiels.[7] Dabei war sein Stammplatz im Königlichen Schauspielhaus ein Parkettplatz mit der Nummer 23, über den sich Fontane folgendermaßen äußerte:



Parkettplatz Nr. 23
1870 starb der alte Gubitz; die Vossische Zeitung sah sich nach einem Ersatzmann für ihn um, und ich rückte an seine Stelle. Mit Beginn der Spielzeit (15. August) sollte ich eintreten.
[...] Am andern Tage war ich in Berlin, und ein paar Tage später begannen die Vorstellungen, und ich nahm meinen Kritikerplatz ein.
Dies war damals Nr. 23. Schon eine merkwürdige Zahl. In überfüllten Hotels bin ich fast immer in Nummer 23 untergebracht worden und habe da Schreckliches erlebt. Das kann ich nun von Nummer 23 im Schauspielhaus nicht eigentlich sagen, ich habe da viel angenehme Stunden zugebracht, aber ein merkwürdiger Platz war es doch auch. Es war nämlich kein eigentlicher Parkettplatz, sondern nur ein Annex, ein Vorposten, ein ausgebautes Fort, man könnte auch sagen ein Sperrfort und wuchs, ganz in die scharfe Ecke zwischen Prosceniums- und Parkettlogen hineingebaut, von dieser Ecke her in den Parkettumgang vor. Knierempeleien waren also was ganz Alltägliches. Das Häßlichste war die Abgesondertheit. Wer eine hohe Meinung von sich hatte, der konnte sich beglückt fühlen, hier ein Gegenstand der Aufmerksamkeit zu sein. Wer dieses Gefühl entbehrte, für den war es peinlich. Für den Eitlen war Nummer 23 ein kurrulischer Stuhl, für den weniger Eitlen ein Armesünderbänkchen. Denn man bilde sich nur nicht ein, daß ein Theaterkritiker ein Richter ist, viel öfter ist er ein Angeklagter. »Da sitzt das Scheusal wieder«, habe ich sehr oft auf den Gesichtern gelesen.
[8]



Generalintendant Botho von Hülsen
(1815–1886)

Botho von Hülsen220
N.N., o.J. In: Helene von Hülsen (Hrsg.): Unter zwei Königen. Erinnerungen an Botho von Hülsen, Generalintendant der Königlichen Schauspiele. 1851–1886. Gesammelt und herausgegeben von Helene von Hülsen. Mit Portrait und zwei Beilagen. Berlin 1889.

Den größten Teil von Fontanes Kritikerzeit war Botho von Hülsen Generalintendant am Königlichen Schauspiel. Er hatte diese Position von 1851 bis 1886 und damit über 35 Jahre lang inne. Zuvor war er Premier-Leutnant des Preußischen Kadetten Corps gewesen.[9] Über von Hülsen herrschten geteilte Meinungen. Einerseits engagierte er viele erstklassige Schauspielerinnen und Schauspieler, was ihm positiv angerechnet wurde. Andererseits erregte sein militärischer Stil im Umgang mit den Künstlern häufig Anstoß.[10] Auch wurde Kritik am Spielplan laut: Dieser missachte Publikumsinteressen und sei zu sehr dem Geschmack des Hofes verpflichtet. Dabei war von Hülsen selbst nicht ganz frei in der Auswahl der Stücke, die am Königlichen Schauspiel aufgeführt wurden. Für die Aufnahme neuer Stücke in den Spielplan musste er die Erlaubnis Bismarcks einholen.[11]
Der Kritik an Hülsen setzt Fontane in einem Nachruf Lob für dessen Erfolge entgegen. Auch Hülsens Stil, das Theater zu leiten, wird positiv bewertet: »Ordnung schafft kein Genie, aber das Genie, das dem Gesetze gehorcht, verdoppelt seine Kraft und vervierfacht seinen Segen.«[12]

Brief B. von Hülsen an W. Scherer
Botho von Hülsen an Wilhelm Scherer, 7. Januar 1881, unveröffentlicht; Privatsammlung Walter Hettche, München.


(Lea Fricke)




Empfohlene Zitationsweise

Lea Fricke: Das Königliche Schauspiel am Gendarmenmarkt. In: Website der Theodor Fontane-Arbeitsstelle (www.uni-goettingen.de/de/154180.html). Hrsg. von Gabriele Radecke. [Datum des Abrufs]


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[1] Vgl. Gerhard Wahnrau: Berlin. Stadt der Theater, Der Chronik I. Teil. Berlin 1957, S. 279.
[2] Vgl. Otto Drude: Fontane und sein Berlin. Personen, Häuser, Straßen. Frankfurt a. M. 1998, S. 185.
[3] Vgl. Wahnrau 1957 (wie Anm. 1), S. 309.
[4] Vgl. Drude 1998 (wie Anm. 2), S. 184f.
[5] Johann Wolfgang von Goethe: Prolog zur Eröffnung des Berliner Theaters im Mai 1821. In: ders.: Sämmtliche Werke, Bd. 1. Paris 1836, S. 198–200, hier S. 198.
[6] Vgl. Lothar Schirmer: »Der Herr hat heut Kritik«. Theodor Fontane und das Theater seiner Zeit. In: Fontane und sein Jahrhundert. Hrsg. von der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Berlin 1998, S. 101–136; hier S. 103.
[7] Vgl. ebd., S. 101.
[8] Theodor Fontane: Kritische Jahre – Kritiker-Jahre. Autobiographische Bruchstücke aus den Handschriften herausgegeben. Hrsg. von Conrad Höfer. Eisenach 1934, S. 5–7.
[9] Wahnrau 1957 (wie Anm. 1), S. 463, 465.
[10] Vgl.ebd, S. 465f.
[11] Vgl. ebd., S. 477f.
[12] Theodor Fontane: Plaudereien über Theater. 20 Jahre königliches Schauspielhaus (1870–1890). Neue vermehrte Ausgabe. Besorgt von seinen Söhnen Theodor und Friedrich. Berlin 1926, S. 505.