Kunstwerk des Monats im Juli 2018


01. Juli 2018
Nat(H)uren. Maria Magdalena und Andromeda nach Hendrick Goltzius
Vorgestellt von: Friederike Quander

KdM Juli 18 MittelDie Auffassung der Grotte war seit jeher vielfältig, bisweilen sogar ambivalent. Leonardo da Vinci charakterisierte die Grotte bereits als angsteinflößenden, aber auch die Neugierde anregenden Ort. Denn eine Felsenhöhle bietet einerseits Schutz vor den Launen der Natur, scheint sie doch eine natürlich entstandene Behausung zu sein. Andererseits fürchtet man sich vor der Ungewissheit der Dunkelheit und was alles darin lauern mag. So herrschen schon seit Homer zwei Varianten der Grotte in der Vorstellung der Menschen vor: Die Liebesgrotte und die Monsterhöhle.

Beide Positionen werden in Abwandlung in zwei Kupferstichen aus der Goltzius-Werkstatt vorgestellt. Der erste Stich zeigt die heilige Maria Magdalena in einer schutzgewährenden Steinhöhle. Nach der aus dem 13. Jahrhundert stammenden Legenda aurea von Jacobus de Voragine emigrierte die Prostituierte Maria Magdalena nach der Auferstehung Christi in die Provence. Dort leistete sie in der Einöde Buße für ihre Vergehen. Der zweite Stich aus der Goltzius-Werkstatt präsentiert die an einen Felsen gekettete und von einem Seeungeheuer bedrohte Prinzessin Andromeda, bevor sie von dem auf seinem geflügelten Pferd Pegasus herannahenden Perseus gerettet wird.

So eint die beiden Blätter, die so unterschiedliche Themen behandeln und zwei diverse Frauenbilder vorstellen, die Verortung in der Grotte. Besonders Künstler faszinierten Grotten aufgrund ihrer schöpferischen Kraft. Das fruchtbare Wachsen von Mineralien in feuchten Grotten wurde mit Zeugungs-, Austragungs- und Geburtsprozessen verglichen. Erotisierende Darstellungen unbekleideter Frauen in der Natur bzw. in Grotten, wie sie die beiden Kupferstiche aus der Goltzius-Werkstatt zeigen, förderten die Vorstellung einer sexualisierten Natur.

In dem Motiv der Grotte, die es zu erforschen gilt, artikuliert sich das Verlangen, eins mit der Natur zu werden und in ihr Innerstes vorzudringen.