In publica commoda

Ringvorlesung 'Denker des Christentums'

Das Christentum ist 'denkende Religion', und es ist kein Zufall, daß von Anfang an im Neuen Testament griechische Begriffe wie Wahrheit, Freiheit, Wort (Logos), Geist, Liebe (Agape), eine prominente Bedeutung erlangt und das Bedürfnis nach einer intellektuellen Selbstvergewisserung des Glaubens (Theologie) freigesetzt haben.
Gott gibt überhaupt zu denken. Das religionsgeschichtlich Einmalige aber, daß im Christentum der Gottesgedanke unlösbar mit dem geschichtlichen Menschen Jesus von Nazareth verbunden ist, hat hier Denkanstrengungen höchsten Niveaus provoziert. Dem verdanken sich die Dogmenbildung der Alten Kirche, die großen Lehrsysteme des Mittelalters (Scholastik) und der protestantischen Orthodoxie ebenso wie die religionsphilosophischen Umbildungen der Neuzeit (Kant, Fichte, Schelling, Hegel). Man muß nur den Namen Augustins nennen, um die Bedeutung der Geschichte des christlichen Denkens für Europa und das westliche Denken überhaupt (einschließlich der Ethik) anzudeuten.
Die Vorlesungsreihe soll klassische Denker mit großer Wirkung und sehr verschiedener Prägung - sowohl theologische wie philosophische - vorstellen, die die christliche Religion denkend zu verstehen und das heißt öffentlich zu verantworten versucht haben; denn das Denken ist eine gemeinschaftliche Angelegenheit. Darum sollen außer Theologen auch Philosophen eingeladen werden.
Ein Schwerpunkt liegt dabei naturgemäß auf der Neuzeit (19. und 20. Jahrhundert).
Wir gehen davon aus, daß es für die Hörer der Ringvorlesung aufschlußreich und anregend ist, exemplarisch mitverfolgen zu können, wie das Christentum eine Denkgeschichte aus sich entlassen hat, durch die der Glaube sich begreifend in jeder Zeit wieder neu seiner selbst vergewissert. Dadurch hat das Thema dieser Reihe auch eine aktuelle Bedeutung.

Prof. Dr. Joachim Ringleben