Handlungsbereich B: Lehrerkompetenzen entwickeln

Reflexions- und Forschungskompetenzen von Lehrkräften sind Schlüssel für die Weiterentwicklung und Innovation von Unterricht und Schule. Ziel des Handlungsbereichs "Lehrerkompetenzen entwickeln" war in der ersten Förderphase die Entwicklung innovativer Lehrkonzepte, die insgesamt die fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Reflexions- und Forschungskompetenzen von Lehramtsstudierenden verbessern sollen. Dazu wurden erstens ein Unterstützungssystem mit Videovignetten zur Reflexion von Unterrichtsprozessen, zweitens eine quantitativ und qualitativ ausgerichtete Methodenberatung zur Unterstützung von Lehramtsstudierenden in der Anfertigung wissenschaftlicher Arbeiten sowie drittens Modulbausteine zur Förderung Forschenden Lernens bei Lehramtsstudieren in den MINT-Fächern und den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern aufgebaut bzw. entwickelt. Darüber hinaus wurden innovative Lehrkonzepte in Kooperation mit den Göttinger universitären Schülerlaboren entwickelt, die es Lehramtsstudierenden ermöglichen, ihre eigenen Vermittlungs-, Reflexions- und Forschungskompetenzen zu stärken bzw. auszubauen.


Der Einsatz von Unterrichtsvideographien in der Lehre gilt seit einiger Zeit als ein probates Mittel, damit Studierende Reflexionskompetenzen entwickeln. Mit Hilfe des Einübens von Wahrnehmungs- und Analysekompetenzen soll Unterricht detailliert beschrieben und mit Hilfe der eingesetzten Unterrichtstheorien reflektiert werden (Bräuer, 2011; 2015).
Das Projekt zielte auf den Aufbau eines Archivs von Unterrichtsvideos, die in bildungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Lehrveranstaltungen eingesetzt werden können. In diesem Zusammenhang wurde ein Lehrkonzept entwickelt, das einen theoretischen Rahmen für den Einsatz von Unterrichtsvideos steckt und die Vielfalt der Ansätze aufeinander beziehbar macht.
Kern des Lehrkonzepts ist, Unterrichtsvideos über verschiedene Modi – insb. Beobachten, Beschreiben, Interpretieren und Kontrastieren – zu erschließen und theoriegeleitet zu analysieren (Rabenstein & Steinwand, 2016). Die Modi müssen von den Studierenden eingeübt und die Potenziale der eingesetzten Unterrichtstheorien reflektiert werden. Dabei knüpften wir an vorhandene Ansätze an: So gilt es, in einem vernetzten Curriculum sowohl illustrierende bzw. instruierende als auch rekonstruierende bzw. erschließende Formen des Einsatzes von Unterrichtsvideos aufeinander zu beziehen.


Der Kenntnis empirischer Forschungsmethoden sowie deren kompetenter Anwendung wird hohe Relevanz für ein erfolgreiches Studium und das spätere berufliche Handeln als Lehrer*in zugeschrieben (vgl. Horstkemper 2003; Vetter & Ingrisani 2013).
Ziele der Methodenberatung waren und sind weiterhin, Forschungskompetenzen bei Lehramtsstudierenden zu steigern und Forschungsaffinität zu fördern (z.B. durch Unterstützung bei Entwicklung von Forschungsfragen und Gestaltung des Forschungsprozesses), die Qualität und Anzahl empirischer Abschlussarbeiten erhöhen sowie die Verbesserung der Verzahnung der Angebote zu Forschungskompetenzen im Master of Education und damit auch die Verzahnung der Lehrenden.

Methodenberatung_kleinDas Angebot der Maßnahme „Methodenberatung für Lehramtsstudierende“ bietet Lehramtsstudierenden aller Fächer die Möglichkeit, sich in verschiedenen Phasen einer empirischen Arbeit (z. B. Masterarbeit, forschungsorientierte Seminararbeit) individuell beraten zu lassen. Neben einer allgemeinen Sprechstunde, die beispielsweise zur grundsätzlichen Entscheidung der Wahl eines qualitativen oder quantitativen Forschungsansatzes beiträgt, wurden zusätzlich individuelle qualitative und quantitative Methodenberatungen in Bezug auf konkrete Erhebungs- und Auswertungsmethoden durchgeführt. Wie die Ergebnisse der Begleitevaluation zeigen, wird das Angebot durch die Studierenden unter anderem dazu genutzt, sich bei der Planung ihres Forschungsvorhabens beraten zu lassen, Unterstützung bei der Erstellung eines Fragebogens / Interviewleitfadens zu erhalten und konkrete Fragen zu qualitativen oder quantitativen Auswertungsmethoden sowie der Ergebnisinterpretation zu stellen. 82.5 Prozent der befragten Studierenden beurteilen das Beratungsangebot allgemein als sehr gut oder gut. Alle Befragten empfanden die Dauer des Beratungsgesprächs angemessen und 95.0 Prozent der Befragten bewerten die Atmosphäre überaus positiv. 88.8 Prozent der Befragten würden die Methodenberatung anderen Studierenden empfehlen. Das Angebot konnte somit als Element der Begleitung empirischer Arbeiten bestens etabliert werden.


Das Netzwerk „Forschendes Lernen“ hat sich zum Ziel gesetzt, den Professionalisierungsprozess angehender Lehrkräfte zu intensivieren. Durch die Integration von forschungsnahen Lernangeboten in fachdidaktische Veranstaltungen sollte die Ausbildung eines forschenden Habitus unterstützt werden. Dieser soll es ermöglichen, im Beruf an relevanten Diskursen teilzuhaben und dem eigenen Unterricht gegenüber eine kritisch-reflexive Position einzunehmen.
Lehrveranstaltungen wurden so modifiziert, dass sie Erkenntnisinteressen fachspezifischer Forschung und mögliche theoretische Zugänge thematisieren (forschungsbasiert), wissenschaftliche Arbeitsweisen vermitteln (forschungsorientiert) oder den Studierenden das Durchführen eigener Forschungsprojekte ermöglichen (Forschendes Lernen).
Für die Weiterentwicklung von Lehrveranstaltungen sowie deren Evaluation wurde das Forschungskompetenzmodell von Thiel und Böttcher (2014) genutzt. Es umfasst die vier Kompetenzen: Recherchekompetenzen, Methodenkompetenzen, Reflexionskompetenzen, Kommunikationskompetenzen sowie als fünfte Dimension das Fachliche Wissen.


Glühbirne

In den beiden Projekten zum Forschenden Lernen („Forschendes Lernen in den MINT- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern“) wurden auf Basis des generischen Modells zu studentischen Forschungskompetenzen von Thiel und Böttcher (2014) Bausteine für die Entwicklung von Forschungskompetenzen in Lehrveranstaltungen der Biologie- und Geschichtsdidaktik implementiert. Dazu gehörte auch die Vermittlung forschungsmethodischer Kenntnisse zur Durchführung von Forschungsprojekten durch Lehramtsstudierende. Zur Unterstützung des methodischen Vorgehens in studentischen Forschungsprojekten wurden entsprechende Handreichungen in Zusammenarbeit von Biologiedidaktik, Geschichtsdidaktik und Englischdidaktik entwickelt und erprobt. Relevanz und Umsetzungsmöglichkeiten von praxisbezogener Forschung (zur Planung, Realisierung und Reflexion der Unterrichtspraxis) sowie stärker grundlagenorientierter Forschung werden in den Lehrveranstaltungen explizit und verbindlich thematisiert. Ziel war es, den Ansatz des Forschenden Lernens zu plausibilisieren, die Akzeptanz von Forschung im Lehramtsstudium zu erhöhen sowie zur Förderung eines forschenden Habitus und von Forschungskompetenzen unter Lehramtsstudierenden beizutragen. Die betreffenden Lehrveranstaltungen wurden regelmäßig mit einschlägigen Instrumenten evaluiert.


Göttingen verfügt über zwei neu eingerichtete universitäre Lehr-Lern-Labore: Das geisteswissenschaftliche YLAB (mit Y für why) und das lebenswissenschaftliche B-LAB (mit B für Biodiversität). Das Schlözer Programm Lehrerbildung zielte darauf, einen Beitrag für eine evidenzbasierte Einbindung von YLAB und B-LAB in die Göttinger Lehrerbildung zu leisten.
Lehr-Lern-Labore können bei Lehramtsstudierenden positive Effekte auf Professionswissen, Reflexionsprozesse und Selbstwirksamkeitserwartungen zeigen und einen „Praxisschock“ abmindern (Krofta, Fandrich & Nordmeier 2013). Außerschulisches Lehren und Lernen (u.a. in Lehr-Lern-Laboren möglich) kann für Lernende interesseförderlich sein und Lernen begünstigen (Bickel 2014, Renninger & Hidi 2016). Während sich ein Lehrentwicklungsprojekt dem YLAB widmete, fokussierte das zweite Vorhaben auf eine verstärkte Ausschöpfung der Potentiale des B-LABs die biologische Lehrerbildung (B.Bio.200 Teilmodul 2).

YLABExemplarisch wird im Foldenden das YLAB Projekt näher vorgestellt. Im Teilprojekt "Forschungskompetenzen fördern in Kooperation mit dem YLAB" wurde das Modul M.EP.03-1b-L: Fachdidaktik Englisch - 4-wöchiges Fachpraktikum nach den Prinzipien des Forschenden Lernens umgestaltet und neben einem neuen Begleitseminar zum Forschungspraktikum eine (fremdsprachenübergreifende) forschungsorientierte Übung zur Einführung in Forschungsmethoden implementiert. Ziel des Projekts war es zum einen, die Forschungskompetenzen der Lehramtsstudierenden zu fördern. Die zur Überprüfung dieses Ziels konzipierte Fragebogenstudie befindet sich in der Auswertung.
Zum anderen sollte untersucht werden, wie Fremdsprachenlehramtsstudierende ihren eigenen Forschungsprozess reflektieren. Die zu diesem Zweck geführten 18 teilstrukturierten Leitfadeninterviews sind bereits zur Hälfte ausgewertet und zeigen u.a. dass die Akzeptanz von fachdidaktischer Forschung laut den Studierenden steigt, wenn auch Forschung häufig nicht als Kernkompetenz von Lehrkräften angesehen wird. Sie nutzen die eigene Forschungsfrage als einen Weg zur vertieften Betrachtung ihres eigenen Unterrichts, messen jedoch den eigenen Erfahrungen und Rückmeldungen durch Betreuungslehrkräfte und Kommiliton*innen (mindestens) ebenso große Bedeutung zu.