06/12/2011: Armutsgefährdung für Bezieher niedriger Einkommen ist gestiegen

In einem Beitrag für die aktuelle Ausgabe der WZB-Mitteilungen haben die Sozialwissenschaftler Martin Ehlert und Jan Paul Heisig untersucht, inwieweit verschiedene Einkommensschichten unterschiedlich von zunehmender sozialer Ungleichheit, Prekarisierung von Lebensbedingungen und Armutsgefährdung betroffen sind. Wenig überraschend können sie nach einer Auswertung von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) feststellen, dass sich die Wahrscheinlichkeit zu verarmen in den verschiedenen Einkommensschichten über die letzten 25 Jahre sehr unterschiedlich entwickelt hat.

So sei die Verarmungsquote in den unteren Einkommensschichten von ca. 10 auf ca. 15 Prozent gestiegen, während sie im gleichen Zeitraum für die mittlere und die obere Einkommensschicht auf gleichmäßig niedrigem Niveau geblieben sei. Die Befunde können damit nach Aussage der Autoren die These vom "Abrutschen der Mittelschicht in die Armut" nicht bestätigen (vgl. 15.06.2010). Das Abstiegsrisiko habe in den letzten 25 Jahren ausschließlich für Haushalte mit einem niedrigen Einkommen zugenommen. Die Befunde ließen daher den Schluss zu, dass es eher eine Kumulation von Risiken in den unteren Schichten gebe als eine allgemeine Prekarisierung großer Teile der Gesellschaft.

Eine plausible Erklärung für die vorgefundenen Resultate ist nach Ansicht der Autoren weniger in den Veränderungen in der Sozialpolitik zu finden, als in der Veränderung der Arbeitsmarktstruktur in Deutschland. So hätten sich die Arbeitsmarktchancen vor allem für Beschäftigte ohne berufsqualifizierenden Abschluss in den letzten 20 bis 30 Jahren verschlechtert. Hinzu komme, dass die Lohnungleichheit im Zeitverlauf deutlich zugenommen habe. Während die Löhne am oberen Ende der Verteilung gestiegen seien, seien die Reallöhne im unteren Bereich sogar deutlich zurückgegangen (vgl. 31.10.2011 und 01.08.2011).

Weiterlesen: Ehlert, M./ Heisig, J.P. (2011): Arm, ärmer, am ärmsten: Menschen mit niedrigem Einkommen steigen immer häufiger ab. In: WZB-Mitteilungen, H. 134, S. 7-9.