Kunstwerk des Monats im September 2014


07. September 2014
Mezzotint Mania. Schabkunst als Massenmedium im England des 18. Jahrhunderts am Beispiel der Göttinger Blätter John Raphael Smiths
Vorgestellt von: Verena Suchy

Kunstwerk des Monats 2014 September MillsAb dem frühen 18. Jahr­hundert war Groß­britannien und ins­besondere London zum inter­national bedeutenden Zentrum der Druck­grafik avanciert. In der ersten Hälfte des Jahr­hunderts verhalfen Künstler­persönlich­keiten wie William Hogarth ins­besondere dem englischen Kupfer­stich zu nie dagewesener Blüte.Eine regel­rechte Grafik-­Manie brach aus: An jeder Straßen­ecke eröffneten so­genannte Print­shops, Druck­grafik wurde ge­sammelt, als Geld­anlage gehandelt und als Gemälde­ersatz ins heimische Wohn­zimmer gehängt. Auch die druck­grafische Technik des Mezzo­tinto wird nicht um­sonst als "englische Manier" bezeichnet, erlebte sie doch im England des 18. Jahr­hunderts ihren qualitativen wie quantitativen Höhe­punkt. In dieser Blüte­zeit der Mezzo­tinto wirkte der Londoner Grafiker John Raphael Smith (1751-1812), von dem die Göttinger Universitäts­kunst­sammlung drei Mezzo­tinto-Blätter besitzt. Smith war ein künstlerisches Multi­talent und Selfmade-­Mann, der sich zu­dem als Grafik­händler, -verleger und -exporteur betätigte. Er konnte sich hier­bei einer gut aus­ge­bauten Infra­struk­tur früh­kapitalistisch organisierter Werk­statt­betriebe und Ver­kaufs­stellen bedienen. Smith hatte dabei ins­besondere in der Produktion niederer, auf ein breites Publikum zu­geschnittener Sujets eine Mark­tlücke für sich er­schlossen, was auch an seinen Göttinger Blättern ab­les­bar ist. So zeigt das Bildnis der Mrs. Mills eine Hommage des Lebe­mannes und begeisterten Theater­gängers Smith an eine Londoner Schau­spielerin. "A Fortune Teller" ist eine humoristische Genre­szene, in der der Aber­glaube der adligen Ober­schicht aufs Korn genommen wird. Ein deutlich erotisch auf­geladenes Frauen­bildnis schließlich ist mit dem bezeichnenden Titel "Love in Her Eye Sits Playing" benannt. Sie sind Re­produktionen nach Gemälden von George Engleheart und Matthew William Peters. In der Tat nutze Smith die Mezzo­tinto vornehmlich als Technik zur Gemälde­re­produktion, er setzte jedoch auch über 100 eigene Bild­ideen in Schab­kunst um. Trotz die­ser eher auf ein bür­ger­liches Massen­publikum zu­geschnittenen Themen sind Smiths Grafiken technisch von höchster Virtuosität. So zeigt ein groß­formatiges, in elaboriertem Vierfarb­druck hergestelltes Werk wie "A Fortune Teller" auf ein­drucks­volle Weise die Qualität, die die englische Mezzo­tinto des 18. Jahr­hunderts selbst im Bereich der populären Massen­kunst erreicht hatte.