Epistolarum sollemnium mos: Soziale Netzwerke und Kommunikation in den Briefen des Augustinus von Hippo (387-430)

Dieses Projekt untersucht die Briefsammlung des Augustinus von Hippo (357–430) mithilfe der Netzwerke Theorie. Es konzentriert sich auf Augustinus' briefliche Beziehungen zu einer Vielzahl von Personen unterschiedlichen kulturellen und sozialen Hintergrunds sowie aus verschiedenen geographischen Regionen des spätrömischen Reiches. Es wird untersucht, wie Augustinus durch das Schreiben von Briefen ein umfangreiches persönliches Netzwerk aufbaute, pflegte und nutzte. Dabei werden seine verschiedenen Strategien zur Anbahnung, Pflege oder Infragestellung von Beziehungen analysiert. Aufgrund des beachtlichen Umfangs und der großen Zahl von Korrespondenzpartnern*innen eignet sich das Briefkorpus des Augustinus besonders für die Analyse seiner sozialen Verbindungen, da es faszinierende Einblicke in die oft komplizierte Dynamik der zwischenmenschlichen Beziehungen spätantiker christlicher und römischer Eliten bietet. Obwohl es viele Möglichkeiten zur Untersuchung bietet, existieren bisher nur wenige wissenschaftliche Versuche, die sich mit diesem Thema befassen, und keine umfassende Studie, die sich der Analyse der brieflichen Beziehungen des Augustinus widmet.

Um die Art der Briefbeziehungen des Augustinus und die Struktur seines Briefnetzwerks zu analysieren, greift das Projekt auf eine Kombination von qualitativen und quantitativen Methoden zur Untersuchung sozialer Netzwerke zurück. Der erste Schritt besteht in der Prosopographie, also der Identifizierung der Mitglieder des augustinischen Briefnetzwerks. Im zweiten Schritt erfolgt die Erkennung und Analyse der verschiedenen Arten von Beziehungen, die in den Briefen dargestellt werden. Anschließend wird untersucht, welche Rolle diskursive Techniken bei der Bildung von Augustinus' Briefnetzwerken gespielt haben. Als nächstes wird untersucht, wie der religiöse Glaube das soziale Verhalten von Augustinus und seinen Korrespondenzpartnern beeinflusst hat und wie dieser Glaube entweder zum Aufbau oder zur Auflösung zwischenmenschlicher Beziehungen führte. Ein weiterer Schritt widmet sich der Untersuchung, wie Augustinus seine eigene(n) Identität(en) im Verhältnis zu anderen konstruierte. Diese Phasen des Projekts basieren auf qualitativen Ansätzen aus der Sozialanthropologie und der Beziehungssoziologie, die es ermöglichen, nicht nur verschiedene Arten von Beziehungen zu erkennen, sondern auch die Bedeutung von "Sinn" und "Kultur" für die Bildung sozialer Netzwerke hervorzuheben. Der letzte Schritt der Untersuchung befasst sich mit der strukturellen Analyse des brieflichen Netzwerks von Augustinus, wobei auf Techniken zurückgegriffen wird, die im Bereich der Analyse sozialer Netzwerke entwickelt wurden. Die soziale Netzwerkanalyse (SNA) wird dazu beitragen, eine Version des sozialen Umfelds von Augustinus zu visualisieren und zu analysieren, wie es sich aus seiner Briefsammlung ergibt.

Die eingehende Analyse der Art von Augustinus‘ brieflichen Verbindungen und der Struktur seines persönlichen Netzwerks wird es ermöglichen, ein neues Licht auf die komplizierten Mechanismen sozialer Interaktionen in der spätantiken Gesellschaft zu werfen. Zudem wird erforscht, welche Arten von Transaktionen durch die Nutzung des brieflichen Netzwerks ausgehandelt werden konnten, und es wird eine neue Bewertung vorgenommen, wie erfolgreich Augustinus in seinen Interaktionen mit prominenten Personen seiner Zeit war.


Vorbereitende Publikationen der Projektleiterin:
Cvetković, C.A. (forthcoming), Network Analysis and Epistolary Networks, in: E-M. Becker, U. Egelhaaf-Gaiser, A. Fürst (eds.), Handbuch Brief – Antike, approx. 6000 words, accepted.

Cvetković, C.A. (forthcoming), Ecclesiastical Travel and Communication Networks in Late Antiquity, in: M. Dana, M. Haake (eds.), People of Knowledge on the Move: Networks, Connectivity and Mobility in the Ancient Mediterranean World from the Early Archaic Period to Late Antiquity, Franz-Steiner Verlag: Stuttgart, approx. 10,000 words, accepted.

Cvetković, C.A., Gemeinhardt, P. (eds.), (2019) Episcopal Networks in Late Antiquity: Connection and Communication across Boundaries, Arbeiten zur Kirchengeschichte 137, De Gruyter: Berlin.

Cvetković, C. A., Gemeinhardt, P. (2019b), Introduction, in: C.A. Cvetković, P. Gemeinhardt (eds), Episcopal Networks in Late Antiquity: Connection and Communication across Boundaries, AKG 137, Berlin: De Gruyter, 1-16.

Cvetković, C. A. (2019c), Niceta of Remesiana’s Visits to Nola: Between Sacred Travel and Political Mission, in: C.A. Cvetković, P. Gemeinhardt (eds), Episcopal Networks in Late Antiquity: Connection and Communication across Boundaries, AKG 137 Berlin: De Gruyter, 179-203.

Cvetković, C. A. (2015a) Memory, Language, and the Making of Truth: Towards an Hermeneutic of Augustine’s Conversion Narrative, in: Augustinianum, 55/479-512.

Cvetković, C. A. (2015b) Change and Continuity: Reading Anew Augustine’s Conversion, in: Birgitte Bøgh (ed.), Conversion and Initiation in Antiquity: Shifting Identities - Creating Change, Early Christianity in the Context of Antiquity series 16, Peter Lang: Frankfurt.

Cvetković, C. A. (2012) Seeking the Face of God: The Reception of Augustine in the Mystical Thought of Bernard of Clairvaux and William of St Thierry, Brepols: Turnhout.