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Presseinformation: Zelluläre Maschinen bei der Arbeit

Nr. 101 - 31.07.2020

Forschungsteam mit Göttinger Beteiligung nutzt Blicke ins Innere einer lebenden Zelle zum besseren Verständnis des Lebens


(pug) Um das Leben zu verstehen, muss man Zellen in ihre Einzelteile zerlegen und sie wieder zusammenbauen – dies ist das Ziel der „Synthetischen Biologie“. Besonders gut lässt sich dies mit Organismen erreichen, die aus wenigen Komponenten zusammengesetzt sind, zum Beispiel mit dem Bakterium Mycoplasma pneumoniae, das nur rund 800 unterschiedliche Proteine besitzt, die die Lebensfunktionen ausführen. Im Vergleich dazu enthält die Hefe etwa 6.000 Proteine, und in den menschlichen Zellen gibt es sogar mehr als 20.000 unterschiedliche Proteine. Ein Forschungsteam mit Beteiligung der Universität Göttingen ist den Lebensvorgängen in solch einem minimalen Organismus nachgegangen und hat die zellulären Maschinen direkt bei ihrer Arbeit beobachtet. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Science erschienen.

 

Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Jörg Stülke am Institut für Mikrobiologie und Genetik der Universität Göttingen beschäftigt sich schon lange damit, minimale Zellen zu verstehen und auch selbst herzustellen. Für die aktuelle Studie hat sie gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen an der Technischen Universität Berlin, dem Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie in Heidelberg und dem Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie gearbeitet.

 

Das Team kombinierte drei Methoden miteinander: den Nachweis von Protein-Protein-Wechselwirkungen in der lebenden Zelle, die hochauflösende Sichtbarmachung zellulärer Strukturen durch Kryo-Elektronentomographie und die integrative Modellierung. Diese Kombination machte es zum ersten Mal überhaupt möglich, Proteinkomplexe sichtbar zu machen und zugleich aufzuklären, wie sie organisiert sind. Ein besonders wichtiges Beispiel dafür ist das sogenannte Expressom. Dieses ist für die Umsetzung der genetischen Funktion vom Ablesen der Erbinformation in ein RNA-Molekül bis zur Synthese von Proteinen mit diesem RNA-Molekül als Blaupause verantwortlich. In der Studie konnte die Organisation dieses wichtigen Komplexes aufgeklärt werden. Darüber hinaus zeigte sich, dass die Aktivität der Teile des Komplexes auch einen großen Einfluss auf seine Struktur hat, das heißt, hier konnte die Dynamik eines Proteinkomplexes erstmals in einer lebenden Zelle beobachtet werden.

 

Die Erkenntnisse tragen nicht nur zum grundlegenden Verständnis von zellulären Prozessen bei, sondern eröffnen auch wichtige weitergehende Perspektiven. „In unserer Analyse konnten wir zum ersten Mal die Wechselwirkungen zwischen den Proteinen in einem vollständigen lebenden Organismus sichtbar machen“, sagt Stülke. „Dabei konnten wir für viele Proteine, über die bisher noch gar nichts bekannt war, herausfinden, an welchen biologischen Vorgängen sie beteiligt sind. Damit haben wir eine wichtige Grundlage geschaffen, das Leben eines – wenn auch einfachen – Organismus zu verstehen.“

 

Die Arbeit wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur gefördert.

           

Originalveröffentlichung: F. O’Reilly et al: In-cell architecture of an actively transcribing-translating expressome. Science 2020 Doi: https://doi.org/10.1126/science.abb3758

 

Kontakt:

Prof. Dr. Jörg Stülke

Georg-August-Universität Göttingen

Abteilung für Allgemeine Mikrobiologie

Grisebachstr. 8, 37077 Göttingen

Telefon: 0551 3933781

E-Mail: jstuelk@gwdg.de

https://www.uni-goettingen.de/de/58040.html