21. November 2014: Werkstattgespräch mit Hermann Schmitz (Kiel): Atmosphere | Music. Resonances of New Phenomenology and Musicology

BEWEGUNGSSUGGESTIONEN DER NEUEN PHÄNOMENOLOGIE IN DIE MUSIKWISSENSCHAFT (UND ZURÜCK?).

Im Rahmen des Workshops sollen Sprechweisen über Musik erprobt werden, die im Sinne der Neuen Phänomenologie die unwillkürliche Lebenserfahrung in mit Musik durchdrungenen Situationen dem Begreifen zugänglicher machen, um so das musikalische "Betroffensein der Besinnung anzueignen" (Schmitz 2009).

Zentrale Begriffe der Neuen Phänomenologie wie solidarische Einleibung, Resonanz, Bewegungssuggestion, flächenlose Räume und Halbdinge werden von Hermann Schmitz entlang von Beispielen aus der Musik eingeführt. So schreibt Schmitz auch, Musik ergänze "als harmonische [Bewegungssuggestion] die rhythmischen Bewegungssuggestionen um tonale (Leittonspannung, Kadenz, Dissonanz mit Auflösungen usw.). [...] Sie zeichnet durch Bewegungssuggestionen spezifische Bewegungen vor und fährt mit diesen als Tanz- oder Marschmusik den Menschen in die Glieder" (ebd.). Doch nicht nur Musik im engeren Sinn, sondern auch "die massenpsychologischen Effekte rhythmischen Rufens, Trommelns und Klatschens" stiften in ihren Bewegungssuggestionen leibliche Kommunikation (ebd.).

Musik kann daher nicht auf einen etwaigen Notentext oder auf ihr akustisches Moment reduziert werden; vielmehr ist sie auf das eigenleibliche Spüren zu beziehen. So verstanden liegt Musik dem Konzept der Atmosphäre sehr nahe. Beiden spricht Hermann Schmitz dann etwa auch Halbdinglichkeit zu und verortet sie in flächenlosen Räumen. Diese Nähe ist jedoch nicht allein konzeptuell: Musik ruft Atmosphäre als räumlich ergossenes Gefühl hervor und lädt so gleichsam Situationen atmosphärisch auf. Dieser Nexus fordert ein reziprokes Nachdenken über Atmosphäre und Musik ein, das sowohl für das begriffliche Fassen von Atmosphären als auch von musikalischen Situationen gewinnbringend sein kann.