GÖTTINGER ETHNOLOGIE

TEST_GIE Logo_bearbeitet schmal

ETHNOLOGIE IN GÖTTINGEN

Die Ethnologie beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Lebensweisen von Menschen in ihren kulturellen und sozialen Ausdrucksformen. Ihr Gegenstandsbereich ist so breit wie das Leben von Menschen selbst. Soziopolitische Organisationsformen, wirtschaftliche Strategien, religiöse und weltanschauliche Werteordnungen und Identitätskonstruktionen werden in ihren Verflechtungen, Dynamiken und historischen wie auch aktuellen Kontexten untersucht. Die Forschungsschwerpunkte liegen im außer-europäischen Bereich und rücken die Aspekte des »Fremden« und des »kulturell Anderen« in das Zentrum der Betrachtung. Damit einher geht immer auch die Relativierung des »Eigenen« und des »Fremden«: Beides bedingt sich wechselseitig und kann nur gemeinsam erschlossen werden.

Wesentlich für die Methoden der Ethnologie ist eine vergleichende Perspektive, die die verschiedenen Kulturen in Beziehung zueinander setzt. Grundlage hierfür ist die Erarbeitung einer möglichst umfassenden Innenansicht der Kulturen, also der Versuch, Kulturen aus sich selbst heraus zu verstehen. Daraus ergibt sich die besondere Bedeutung der empirischen Forschung im Rahmen der Feldforschung. EthnologInnen nehmen dabei im Sinne der »teilnehmenden Beobachtung« aktiv am Leben der untersuchten Gesellschaft teil.

Unsere Lehre orientiert sich an zeitgenössischen Entwicklungen in unserem Fach sowie an aktuellen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Fragen und Problemen. Wir forschen in den Großregionen Ozeanien, Afrika und Südost-Asien, Amerika, aber auch in Göttingen. Ergebnisse aus unseren Forschungen, fließen in unsere Lehre ein. Damit ermöglichen wir unseren Studierenden, Kenntnisse aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten zu erwerben und die vergleichende Perspektive, die unser Fach kennzeichnet, aktiv im Studium zu praktizieren (mehr zu STUDIUM&LEHRE...).

Unsere thematischen Schwerpunkte 'Materialität und Umwelt', 'Mobilität und Identität', sowie 'Religion und Wissen', spiegeln die Diversität wider, die das Beschäftigungsfeld von Ethnolog*innen so interessant macht und menschliche Lebenswelten charakterisiert (mehr zu FORSCHUNG...).

Über Kooperationen, die unser Institut mit Universitäten und Einrichtungen in anderen Ländern pflegt, bieten wir unseren Studierenden nicht nur die Möglichkeit, wertvolle Auslandserfahrung zu sammeln und wichtige kulturelle Kompetenzen auszubauen, sondern auch von Dozenten und Studierenden unserer Partneruniversitäten zu lernen (mehr zu INTERNATIONAL...).

Eine weitere Besonderheit der Göttinger Ethnologie ist unsere Ethnologische Sammlung, in der wir weltberühmte Objekte verwahren. Die forschungs- und berufsorientierte Ausbildung unserer Studierenden wird auch durch ihre Einbindung in die Arbeit mit und an unseren Sammlungsobjekten ermöglicht (mehr zu unserer ETHNOLOGISCHEN SAMMLUNG...).


GESCHICHTE DER ETHNOLOGIE IN GÖTTINGEN

Sehr viel früher als an anderen Orten innerhalb Deutschlands wurde der Grundstein für das Fach Ethnologie im Sinne einer kulturvergleichenden Wissenschaft mit besonderer Betonung außereuropäischer Gesellschaften in Göttingen gelegt. Während die meisten der deutschen Völkerkunde-Museen während der Kolonialzeit um die Wende des 19./ 20. Jahrhunderts gegründet wurden und sich die Völkerkunde als selbständige Disziplin an den Universitäten erst in der Folgezeit etablierte, setzte an der Georgia Augusta eine intensive Beschäftigung mit völkerkundlichen Themen in Forschung und Lehre wie auch im Museumsbereich bereits in der Zeit der Aufklärung ein. Bald nach Gründung der Universität im Jahr 1737 verfolgte man undogmatisch und weltoffen neben allgemein-kulturhistorischen auch ethnologische Fragestellungen und baute in dem 1773 eröffneten Academischen Museum, dem ersten Universitäts-Museum in Deutschland, systematisch eine 'Ethnographische Sammlung' auf.

Der Initiative und den weitreichenden Kontakten des Göttinger Naturforschers und Anthropologen Johann Friedrich Blumenbach zu wissenschaftlichen Teilnehmern der Großen Entdeckungsreisen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist es zu verdanken, dass dieses Museum, das seiner Bestimmung nach "nicht zum Prunck, sondern lediglich zum Gebrauch, zur Untersuchung und zum Unterricht" (Georg Christoph Lichtenberg) dienen sollte, eine unübersehbare ethnographische Prägung erhielt. Vor allem zwei Sammlungen, die aus Blumenbachs internationalen Kontakten herrühren und die er für Göttingen erwerben konnte, bildeten den Ausgangspunkt früher völkerkundlicher Forschung: Die aus europäisch noch unbeeinflussten Kulturdokumenten der arktischen Regionen von Sibirien und Alaska bestehende Baron von Asch-Sammlung und die auf den berühmten englischen Kapitän James Cook und seine wissenschaftlichen Begleiter Johann Reinhold und Georg Forster zurückgehende, weltweit einzigartige Südsee-Sammlung (Cook-/Forster-Sammlung), die sich aus 500 Ethnographica zusammensetzt. Diese überaus wertvollen Altbestände haben dazu beigetragen, dass nach Auflösung des Academischen Museums infolge des Tods von Blumenbach im Jahr 1840 die völkerkundliche Forschung an der Universität Göttingen, vor allem mit ihrer Zentrierung auf die Südsee (Ozeanien), nicht in Vergessenheit geriet, sondern aufgrund ihrer internationalen Anerkennung eine dauerhafte Verankerung im Göttinger Universitätsbetrieb erhielt.

Mit Aufnahme des Unterrichtsbetriebs im Fach 'Völkerkunde' an der Universität im Jahr 1928, der Einrichtung eines Ordinariats für Völkerkunde (1934) und der anschließenden Gründung von Institut und Sammlung für Völkerkunde (1935/36) wurde Ozeanien die Hauptregion in Lehre und Forschung. Im Zentrum des Instituts standen damals die 'Lehrsammlungen', zu denen vorrangig die heute weltberühmte Cook-/Forster-Sammlung gehörte. Aus heutiger Sicht birgt die seinerzeit vollständig in das Institut für Völkerkunde eingegliederte Ethnologische Sammlung mit ihren mittlerweile auf 17.000 Ethnographica angewachsenen Beständen ein einmaliges kulturelles Vermächtnis sowohl wissenschaftshistorisch für die Göttinger Universität als auch spezifisch ethnologisch für das Institut, was vor allem die Kulturdokumente aus Ozeanien betrifft. Seit nunmehr etwa 70 Jahren wurden deshalb die Fachbibliothek sowie die Foto- bzw. Bildersammlung gezielt mit dem Schwerpunkt Ozeanien erweitert.


GEGEN RASSISMUS UND DISKRIMINIERUNG

Das Göttinger Institut für Ethnologie und Ethnologische Sammlung positioniert sich entschlossen gegen Rassismus und jede Form von Diskriminierung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Instituts verstehen Diversität als Selbstverständlichkeit und Stärke und sind davon überzeugt, dass die Ethnologie als Wissenschaft einen wichtigen Beitrag zu einem besseren Verständnis menschlicher Lebenswelten, zu Toleranz, Bildungsgerechtigkeit, Antirassismus und Akzeptanz leisten kann. Dazu gehört auch eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Institutsvergangenheit und Fachgeschichte sowie die kontinuierliche Aufarbeitung struktureller Ungleichbehandlung. Diese Verantwortung für den Beitrag unseres Faches zu Antirassismus und Antidiskriminierung binden wir in unsere Forschung und Lehre ein. In Solidarität mit anderen, die sich gegen Rassismus und Diskriminierung engagieren, setzen wir uns gemeinsam mit unseren Studierenden dafür ein, dass Vielfalt als eine Chance begriffen wird.