Arbeitsrecht in Praxis und Ausbildung

Das Arbeitsrecht regelt die rechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften sowie zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten. Von den derzeit rund 39 Millionen erwerbstätigen Personen in Deutschland sind rund 34 Millionen Arbeitnehmer. Jährlich werden viele Millionen Arbeitsverträge geschlossen, geändert oder beendet. Über 60.000 Tarifverträge wirken auf diese ein. Um die rechtliche Bewältigung der entstehenden Konflikte kümmert sich eine eigene Arbeitsgerichtsbarkeit, in der derzeit bundesweit rund 1.200 Arbeitsrichter in drei Instanzen tätig sind.
Angesichts all dessen ist die praktische Bedeutung des Arbeitsrechts kaum zu überschätzen. Es hat zur Aufgabe, die genannten Rechtsbeziehungen gerecht zu ordnen und soziale und wirtschaftliche Interessen in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Ein Hauptanliegen ist dabei der Schutz des Arbeitnehmers, der regelmäßig auf die Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis existenziell angewiesen ist und sich gegenüber dem Arbeitgeber im Allgemeinen in der schwächeren Verhandlungsposition befindet. Die Auswirkungen des Arbeitsrechts beschränken sich aber nicht auf die erwähnten Rechtsbeziehungen. Das Arbeitsrecht beeinflusst als Bestandteil der Wirtschaftsordnung auch die Wettbewerbssituation von Unternehmen sowie die Lage arbeitsuchender Personen. Das Arbeitsrecht ist infolgedessen häufig Gegenstand politischer Auseinandersetzungen. Arbeitgeberverbände wie Gewerkschaften wirken auf diese Diskussionen ein und sind damit über ihre eigentliche Aufgabe, die Vereinbarung von Tarifverträgen zur Ordnung des Arbeitslebens, hinausgewachsen und zu wichtigen Gestaltungsfaktoren der gesellschaftlichen Entwicklung geworden. Bereits diese kurze Schilderung zeigt, dass das Arbeitsrecht ein besonders dynamisches Rechtsgebiet ist.
Entsprechend vielfältig sind die beruflichen Möglichkeiten für Juristen mit arbeitsrechtlichem Schwerpunkt. Zu nennen sind zunächst die klassischen Berufe eines Richters in der Arbeitsgerichtsbarkeit oder eines Anwalts mit arbeitsrechtlichem Schwerpunkt. Hervorzuheben ist für die anwaltliche Tätigkeit die Möglichkeit einer Qualifikation als Fachanwalt für Arbeitsrecht, von denen es derzeit ca. 8.000 gibt. Darüber hinaus sind vor allem Tätigkeiten in Rechts- und Personalabteilungen von Unternehmen, in Arbeitgeberverbänden oder Gewerkschaften sowie in der Verwaltung denkbar.
B. Stellung des Fachs Arbeitsrecht in der Ausbildung
I. Arbeitsrecht im Rahmen der Pflichtfachprüfung
Im Ersten Juristischen Examen gehören Grundzüge des Arbeitsrechts bereits zum Prüfungsstoff für die Pflichtfachprüfung im Bürgerlichen Recht (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 2 c Niedersächsische Justizausbildungsverordnung [NJAVO]). Der Schwerpunkt der Ausbildung liegt dabei im Individualarbeitsrecht einschließlich seiner wichtigsten Bezüge zum Betriebsverfassungsrecht. Der entsprechende Prüfungsstoff wird durch die Vorlesung „Grundzüge des Arbeitsrechts (Schwerpunkt: Individualarbeitsrecht)“ in vier Semesterwochenstunden vermittelt.
II. Arbeitsrecht im Schwerpunktbereich
Eine Vertiefung der Kenntnisse im Arbeitsrecht ermöglicht die Belegung des „Schwerpunktbereichs 2: Wirtschafts- und Arbeitsrecht“. Das Schwerpunktbereichsstudium umfasst dabei mindestens sechzehn Semesterwochenstunden (§ 4 a Abs. 1 S. 2 Niedersächsisches Justizausbildungsgesetz [NJAG], § 3 Abs. 2 Schwerpunkt-bereichsprüfungsordnung [SchPrO]). Die Ausbildung im Schwerpunktbereich gliedert sich ihrerseits in einen Pflicht- und einen Wahlbereich. Das Arbeitsrecht ist neben dem privaten und dem öffentlichen Wirtschaftsrecht die dritte Säule des Schwerpunktbereichs und als solche einer der drei Wahlbereiche.
Jeder Studierende des Schwerpunktbereichs muss zwei Klausuren aus dem Pflichtbereich und zwei Klausuren aus dem Wahlbereich des Schwerpunktbereichs bestehen (§§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 2 SchPrO). Die Klausuren sind zu jeweils 17 v. H. Bestandteil der Gesamtnote für den Schwerpunktbereich (§ 19 Abs. 1 S. 2 SchPrO), die ihrerseits mit 30 v. H. in die Gesamtexamensnote eingeht. Sie haben eine Dauer von jeweils zwei Stunden und werden in den ersten beiden Wochen nach dem Ende der Vorlesungszeit geschrieben. Die Entscheidung für den Wahlbereich des Schwerpunktbereichs muss der Studierende spätestens mit der Anmeldung zur ersten Klausur aus dem Wahlbereich treffen (§ 20 Abs. 2 S. 2 SchPrO), doch empfiehlt es sich bereits bei der Teilnahme an den Pflichtmodulen, einen der Wahlbereiche in den Blick zu nehmen.
Als arbeitsrechtliches Pflichtmodul wird die Vorlesung „Beteiligungsrechte des Betriebsrats“ mit zwei Semesterwochenstunden angeboten. Die im Studienplan als Teil des Pflichtmoduls weiter vorgesehene Vorlesung „Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht“ mit Semesterwochenstunden findet aufgrund von Kapazitätsengpässen derzeit nicht statt und wird voraussichtlich durch die (dann zum Wahlbereich gehörende) Veranstaltung „Das Mandat im Arbeitsrecht“ ersetzt. Im Wahlbereich Arbeitsrecht stehen die Vorlesungen „Organisation der Mitbestimmung auf Betriebs-, Unternehmens- und Konzernebene“, „Koalitions-, Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht“ und (bei entsprechender Kapazität) „Europarechtliche Aspekte des Arbeitsrechts“ mit jeweils zwei Semesterwochenstunden zur Auswahl. Abgerundet wird die Vertiefung des Arbeitsrechts durch die Veranstaltungen „Streitschlichtung und Streitentscheidung im Arbeitsrecht“ sowie „Sozialrecht“, das im Rahmen der Schwerpunktbereichsausbildung dem Wahlbereich Arbeitsrecht zugeordnet ist und in vielfältiger Weise auf dieses einwirkt.
Darüber hinaus werden arbeitsrechtliche Seminare mit zwei Semesterwochenstunden angeboten, in deren Rahmen die in den §§ 19 Abs. 1 S. 1, 22 SchPrO vorgesehene Studienarbeit angefertigt werden kann. Die Studienarbeit ist zu 32 v. H. Bestandteil der Gesamtnote für den Schwerpunktbereich (§ 19 Abs. 1 S. 2 SchPrO).
III. Hinweis für Studierende anderer Fächer
Der Besuch arbeitsrechtlicher Veranstaltungen kann auch für Studierende anderer Fächer, insbesondere der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Bestandteil des Studiums sein. Diese Studierenden nehmen an denselben Veranstaltungen wie Studierende der Rechtswissenschaft teil und müssen grundsätzlich dieselben Klausurleistungen erbringen. Studierende der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und anderer Fächer sollten sich bei ihrem jeweiligen Prüfungsamt genau über die Modalitäten einer Teilnahme an arbeitsrechtlichen Veranstaltungen informieren.