Der Mittagstisch St. Michael in Göttingen

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Das durch Spenden und ehrenamtliche Mitarbeit finanzierte Projekt „Mittagstisch“ der katholischen Gemeinde St. Michael ist in diesem Semester Sozialprojekt des Theologischen Stiftes. Der Mittagstisch ermöglicht Menschen mit wenig Auskommen eine günstige und warme Mahlzeit und bietet darüber hinaus einen Ort der Begegnung.

Ein wenig mulmig ist mir schon zumute, als ich in die Turmstraße einbiege. Ich blicke die Straße hinunter, erahne welches Haus die Nummer fünf tragen soll. Aber ich sehe keine Hausnummer. Nur ein sehr großes, beschmiertes Gebäude. Ich gehe auf den vermeintlichen Eingang zu, drücke die Klingel und warte. Nichts geschieht. Da fällt mir ein, dass Herr Reinke am Telefon erwähnte, ich solle den Mitarbeitereingang benutzen. Die andere Tür sei der Besuchereingang und habe nur eine Klingel, die ins Leere führe. Ich gehe das Haus weiter ab, sehe aber keinen weiteren Eingang, nur eine Tür, die zum nächsten Haus zu gehören scheint. Ein Mann parkt sein Auto hinter St. Michael und geht an mir vorüber. Ich frage ihn, ob er mir vielleicht helfen könne, ich suche den Eingang zum Mittagstisch. Er winkt ab. Ratlos stehe ich immer noch vor dem Eingang, der nicht zum großen beschmierten Gebäude zu gehören scheint, blicke die Wände ab. Und da - ganz klein und versteckt: Ein Klingelschild mit der Aufschrift „Mittagstisch“. Erneut klingele ich. Es öffnet ein hagerer Mann mit Rauschebart und langem, zum Zopf gebundenem, Haar. „Sie müssen die Dame vom Theologischen Stift sein?“, fragt er mich. Ich nicke, er lässt mich hinein und stellt sich mir als Ralf Reinke vor. Zunächst zeigt er mir die Einrichtung. Die Räumlichkeiten sind renoviert und einladend. Es erinnert mich ein bisschen an den Speisesaal des Theologischen Stiftes. Sogar die Großküche ist ähnlich - wir haben die gleiche Industriespülmaschine. Während Herr Reinke mich durch die Küche führt, fällt mir auf, dass der Speisesaal durch eine Glaswand in zwei Bereiche geteilt ist. „Ein Bereich“, so erklärt mir Herr Reinke, „ist für Raucher*innen und Menschen, die einen Hund mit sich führen. Der andere Bereich ist in erster Linie für Nichtraucher*innen gedacht, aber besonders für ältere Menschen, die gerne unter sich bleiben.“ Wir gehen weiter durch den Raucher- in den Nichtraucherbereich, setzen uns und beginnen, über den Mittagstisch zu reden.

Herr Reinke ist Sozialarbeiter bei St. Michael und betreut das Projekt „Mittagstisch St. Michael“ seit 1994. Das Projekt selbst wurde bereits am 1. September 1990 ins Leben gerufen. Davor gab es in Göttingen keine Anlaufstelle für Menschen, die aufgrund unterschiedlicher Lebensumstände wenig oder kein Geld für Essen aufbringen konnten. Viele Menschen klingelten daher vermehrt bei Pastor*innen und Priester der Innenstadtgemeinden. Der ehemalige Priester der Gemeinde St. Michael begann aus dieser Situation heraus, in Absprache mit einem Imbiss, Essensgutscheine zu verteilen. Als die Inhaber des Imbisses in Ruhestand gingen, stellte sich erneut die Frage, wie die Problematik langfristig und nachhaltig gelöst werden könnte. Gerade in diesem Zeitraum wurde in der Turmstraße ein Gebäude frei und zum Verkauf angeboten. Unter Absprache mit St. Michael, entschied sich das Bistum Hildesheim das Gebäude zu kaufen und der Gemeinde mietfrei zur Verfügung zu stellen und ermöglichte dadurch den Beginn des Projektes „Mittagstisch“. Das, vorerst durch ehrenamtliche Arbeit durchgeführte, Projekt erwies sich in den nächsten Jahren allerdings als zu umfassend. Die enorme Nachfrage der Gäste, für die der Mittagstisch nicht nur zur Anlaufstelle eines Mittagsessens, sondern auch zum sozialen Treffpunkt wurde, machte den Mittagstisch besonders attraktiv für drogenabhängige Menschen. Der Bedarf, eine feste Sozialarbeiterstelle einzurichten, wurde immer größer. 1994 ermöglichte schließlich eine befristete ABM-Stelle die Einstellung Ralf Reinkes.

Mittlerweile ist die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme lange Zeit ausgelaufen. Ralf Reinke arbeitet immer noch für den Mittagstisch. Dies ist möglich, indem seine Stelle und der Betrieb des Mittagstisches finanziert werden durch beantragte Steuergelder der Stadt, Kirchenzuschüsse, einen Förderkreis, Kollekten, unterschiedliche Einzelspenden, und einer Zusammenarbeit mit der Göttinger Tafel. Dennoch ist es jedes Jahr aufs Neue eine Frage, ob der Mittagstisch weiter finanziert werden kann. Neben materiellen Spenden benötigt der Mittagstisch ehrenamtliche Hilfe in der Essensausgabe. Unter der Woche wird ein, von der Göttinger Tafel gelieferter Eintopf und am Wochenende selbst gekochtes Essen gegen einen kleinen Betrag (unter der Woche 20 Cent; am Wochenende 60 Cent) von ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen verkauft und gekocht. Dazu braucht es täglich mehrere Freiwillige.

Herr Reinke nimmt sich an diesem Morgen viel Zeit für mich. Ich frage und er erzählt. Als ich mich gegen Mittag von Herrn Reinke und dem Mittagstisch verabschiede und die Turmstraße entlanggehe, nehme ich nicht nur viele Eindrücke mit nach Hause, sondern auch das Gefühl, eine neue Facette an Göttingen kennengelernt zu haben.

Kontoverbindung:

Empfänger: Mittagstisch St. Michael, Göttingen
Konto-Nr: 101782
Bankleitzahl: 26050001
Sparkasse Göttingen
Verwendungszweck: „Spende Mittagstisch” und Ihre Postanschrift für die Ausstellung der Spendenquittung.


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