"Ovids Verhältnis zum antiken Epos. Qualitative Methoden zur Analyse der Setzung von Gleichnissen in den Metamorphosen" // Wilko Lücht

Ovids Metamorphosen sind ein Werk, das mit Gattungen spielt bzw. absichtlich den durch die antike Tradition vorgegebenen Gattungsrahmen sprengt. Es war das Bestreben ihres Verfassers, sich in die Zahl der großen Epiker Homer, Apollonios und Vergil einzureihen, ohne dabei beim Status eines Epigonen stehenzubleiben. Andererseits suchte Ovid wiederum den Vergleich mit seinen Vorgängern und setzte sich mit ihnen in seinem Werk sowohl inhaltlich als auch methodisch auseinander: Laut seinem eigenen Anspruch und dem seiner Leserschaft konnte er weder die von seinen Vorgängern behandelten mythistorischen Stoffe übergehen, noch konnte er auf typisch epische Darstellungselemente (neben dem hier ausschließlich untersuchten Element Gleichnis auch noch die Elemente Katalog und Ekphrasis) verzichten. Gleichzeitig gab er sich nicht mit dem Status eines Nachahmers zufrieden, sodass er dennoch inhaltlich wie methodisch eigene Wege gehen musste. Gegenstand der Untersuchung sind die Teile der Metamorphosen, die thematisch am stärksten von den homerischen Epen, dem Argonautenepos und der Aeneis beeinflusst sind. Diese Teile zerfallen ihrerseits wiederum in enger und weniger eng an den Epen orientierte Teile. In ersteren musste Ovid, um besagtem Anspruch gerecht zu werden, sich von seinen Vorgängern inhaltlich und methodisch abgrenzen; in letzteren musste er deren Zugehörigkeit zum epischen Gesamtzusammenhang herstellen. Ovid hat nun in enger an seinen Vorgängern orientierten Teilen das Gleichnis eher vermieden, in den weniger eng an den Epen orientierte Teilen hingegen bevorzugt Gleichnisse gesetzt. Es soll also die Hypothese verifiziert werden, dass ein reziproker Zusammenhang zwischen epischem Stoff und Gleichnissetzung besteht, d.h. bei vorhandenem epischem Stoff werden keine Gleichnisse gesetzt, und bei nicht vorhandenem epischem Stoff werden Gleichnisse gesetzt..