Gewinnverlagerung und die Besteuerung multinationaler Unternehmen

Bericht von Dr. Laura Birg

In letzter Zeit haben u. a Medienberichte über die Steuerpraktiken einiger Staaten (darunter z. B. Luxemburg und die Niederlande) sowie großer internationaler Unternehmen den Themenkomplex Besteuerung multinationaler Unternehmen und Gewinnverlagerung als Steuerminderungsstrategie in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Interesse finden dabei insbesondere Fragen hinsichtlich der Steuergerechtigkeit, der verbleibenden steuerlichen Gestaltungsspielräume für Staaten sowie des Steuerwettbewerbs.

Moderiert von Prof. Dr. Kilian Bizer diskutierten am 22. Januar 2015 Prof. Dr. Andreas Oestreicher (Professur für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre), Prof. Dr. Robert Schwager (Professur für Finanzwissenschaft), Berthold Welling (Bundesverband der Deutschen Industrie) und Fritz Güntzler (Mitglied des Deutschen Bundestages) unterschiedliche Aspekte dieses Themenkomplexes.

Andreas Oestreicher erläuterte im ersten Impulsreferat beispielhaft das Steuermodell von Google, durch das der Konzern seine Steuerbelastung reduziert. Des Weiteren ging er auf den Aktionsplan der OECD gegen Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen (Base Erosion and Profit Shifting, BEPS) ein und stellte Querbezüge zu dem Besteuerungsmodell von Google her. Er zeigte in diesem Zusammenhang auf, dass konzerninterne Leistungsverrechnungen (Verrechnungspreise) sich an der tatsächlichen Wertschöpfung orientieren sollten. Im Kontext der zunehmenden digitalen Wertschöpfung werde allerdings die räumliche Zuordnung der Wertschöpfung insgesamt immer schwieriger.

Robert Schwager leitete seinen Kurzvortrag mit der Frage ein, welchem Staat das Recht zustehen solle, die Erträge von multinationalen Unternehmen zu besteuern. Als Leitsatz solle hierbei gelten, dass die Steuereinnahmen jeweils dem Staat zustehen, der öffentliche Leistungen für die Wertschöpfung erbringe. Es müsse also das Prinzip der fiskalischen Kongruenz zwischen Zahlern und Nutzern öffentlicher Leistungen gelten. In der Diskussion um Steuerbelastungen müsse zudem die ökonomische Inzidenz der Besteuerung beachtet werden, d. h. die effektive Steuerbelastung unter Berücksichtigung aller Anpassungsentscheidungen der Akteure. So werde die Steuerlast einer Gewinnsteuer unter bestimmten Bedingungen effektiv von den Arbeitnehmern getragen.

Fritz Güntzler betonte in seinem Vortrag, dass (legale) Steuervermeidung und (illegale) Steuerhinterziehung voneinander zu unterscheiden seien. Beide Begriffe werden im Koalitionsvertrag in einem Atemzug genannt, müssten jedoch unterschieden werden. Um Gewinnverlagerungen zu bekämpfen, sei Transparenz zwischen Behörden und ein entsprechender Datenaustausch unumgänglich. Rein nationale Maßnahmen seien gegenwärtig wenig sinnvoll, stattdessen solle man Maßnahmen im Kontext des OECD-Aktionsplans BEPS angehen. Hier gelte es jedoch genau zu verfolgen, ob Deutschland im Rahmen dieses Prozesses insgesamt auf der Gewinner- oder Verliererseite stehe.

Berthold Welling erläuterte aktuelle Entwicklungen in der Steuerpolitik. Hierbei wies er insbesondere darauf hin, dass bei einigen der im Rahmen der Luxemburg-Leaks bekannt gewordenen Fällen der Betrag der durch die Unternehmen eingesparten Steuerzahlungen weniger beeindruckend aussehe, wenn man sie ins Verhältnis zur Gesamtsteuerbelastung des jeweiligen Konzerns setze. Der Aufwand für die internationale Gewinnverschiebung sei insgesamt vergleichsweise hoch, weshalb sie nicht immer lukrativ sei. Für den Vergleich internationaler Steuerbelastungen seien Steuerquoten wenig aussagekräftig, um Aussagen über die steuerliche Belastung von Unternehmen zu treffen. Aus deutscher Perspektive müsse man berücksichtigen, dass BEPS durchaus mit finanziellen Risiken einhergehen könne.

Auf dem Podium wurden im Anschluss an die Kurzvorträge Fragen erörtert, die sich u.a. mit Themen der Steuergerechtigkeit, des politischen Handlungsbedarfs, die Stellung Deutschlands im internationalen Vergleich sowie der mitunter entstehenden Differenz zwischen subjektiver Wahrnehmung und empirischer Steuerbelastung befassten.

Im Anschluss an die Vorträge hatten die Zuhörer Gelegenheit, ihre Fragen an die Experten zu richten. Die Veranstaltung klang bei Laugengebäck, kühlen Getränken und zahlreichen Gesprächen in kleinen Gruppen aus.

Bilder der Veranstaltung finden Sie hier.