Haushaltsüberschüsse – wohin mit dem vielen Geld?

Am 1. Februar 2018 fand die cege-Diskussionsveranstaltung zum Thema „Haushaltsüberschüsse: Wohin mit dem Geld?“ statt. Deutschland befindet sich seit Jahren in einem ununterbrochenen Aufschwung, die Steuereinnahmen fließen zuverlässig in die Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden. Bund und Ländern gelingt es, die Neuverschuldung zu senken oder gar Überschüsse zu erwirtschaften. Dies wirft die Frage auf, wie man am besten auf diese außergewöhnliche Situation reagieren sollte: Steuern senken, Verschuldung abbauen, Investitionen oder Konsum steigern? Und stimmt die Diagnose der rosigen Ausgangslage überhaupt für alle staatlichen Ebenen – Bund, Länder und Gemeinden?
Das cege hat kompetente Referenten gewinnen können, um diese Fragen durchaus kontrovers zu diskutieren. Es diskutierten Prof. Dr. Thiess Büttner (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg), Dr. Florian Buck (Bundesministerium der Finanzen), Bernhard Reuter (Landrat des Landkreises Göttingen, SPD) und Stefan Wenzel (MdL, Sprecher für Haushalt und Finanzen, Bündnis 90/Die Grünen. Die Veranstaltung wurde moderiert durch Prof. Dr. Robert Schwager
In einem Eingangsstatement problematisierte Thiess Büttner den Begriff des Spielraumes. Letztlich sei es ja das Geld der Bürger, über das hier verfügt werde. Die ökonomische Situation sei derzeit sehr gut, dies müsse sich auch in der Entlastung der Steuerzahler widerspiegeln. Hierbei müsse man freilich unterscheiden zwischen der strukturellen Situation und konjunkturellen Effekten. Erforderlich sei eine Anpassung des Steuersystems, was sowohl den Steuertarif angeht als auch die Aufteilung der Einnahmen auf Bund und Länder. Der Solidaritätszuschlag habe seine Grundlage so viele Jahre nach der deutschen Einheit verloren, so dass insbesondere bei der derzeitigen Haushaltslage hierüber eine Entlastung der Bürger erreicht werden könne.
Florian Buck stellte in Frage, dass es überhaupt so viel Geld zu verteilen gebe. Zwar sei die ökonomische Lage tatsächlich außergewöhnlich gut, Deutschland befinde sich im längsten Aufschwung seit den 1980er Jahren, aber müsse man auch an die Zukunft denken. Beispielsweise das Problem des Fachkräftemangels könnte den Aufschwung bald bremsen. Darüber hinaus gebe es zwar in vielen Bereichen erheblichen Investitionsbedarf, allerdings fließen auch etliche vom Bund bereitgestellte Mittel nicht ab, sodass die Überschüsse sich auch aus eigentlich notwendigen Investitionen speisten. Haushaltsspielräume entstünden auch nur aus strukturellen Verbesserungen der wirtschaftlichen Lage, nicht aber aus lediglich konjunkturellen.
Auch Bernhard Reuter stellte die These in Frage, dass es pauschal Überschüsse gäbe. Er verwies auf die enorme Höhe der Kassenkredite, die die Landkreise aufgenommen hätten. Nur in den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg seien die Haushalte auch der Landkreise in Ordnung. Insofern gebe es ein strukturelles Problem in der Aufteilung der Finanzmittel im deutschen Föderalismus. Insbesondere die Sozialausgaben belasteten Kommunen und Landkreise. Die verschleppten Investitionen seien eine Form der versteckten Verschuldung. Wenn man überhaupt Steuern senken wolle, dann eher über eine Erhöhung des Grundfreibetrages als über eine Senkung des Spitzensteuersatzes.
Stefan Wenzel zeigte sich ebenfalls erstaunt über die Ausgangsthese der Veranstaltung, dass es Überschüsse gäbe. Für die Zukunft seien bereits erhebliche Belastungen absehbar. Dies sind etwa die erforderlichen Investitionen für den Breitbandausbau oder die Sanierung der Straßen. Auch der Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU werde für Deutschland zu erheblichen Belastungen führen. Auch führe auch die Bekämpfung von Fluchtursachen zu finanziellen Belastungen. Schließlich müssten noch Altlasten aus der Finanzkrise bewältigt werden, etwa die finanziellen Altlasten der Hypo Real Estate. Insofern gebe es „nichts zu verteilen“.
In der anschließenden Diskussion bestätigte Thiess Büttner, dass es durch den Föderalismus ein Problem mit den öffentlichen Finanzen gebe. Durch die Trennung von Einnahmen- und Ausgabenverantwortung sei ein System der „organisierten Verantwortungslosigkeit“ entstanden. Daher müsse man die Verantwortung zwischen Bund, Ländern und Kommunen für Einnahmen und Ausgaben neugestalten.
Im Gespräch mit dem Publikum wurden unter der Moderation von Robert Schwager einzelne Inhalte noch einmal vertieft. So fiel auf, dass abgesehen von Thiess Büttner alle Referenten kaum Möglichkeiten für Entlastungen sehen. Die Frage blieb im Raum, wann denn dann Spielräume bestehen sollten, wenn nicht jetzt. Es wurde die Frage thematisiert, ob angesichts der geschilderten Lage die staatlichen Finanzen denn überhaupt auf die Aufgaben der Zukunft vorbereitet seien.
Darüber hinaus wurde die Frage vertieft, ob die finanziellen Mittel adäquat auf Bund, Länder und Gemeinden aufgeteilt sind. Es wurde deutlich, dass ein unerwartetes Einbrechen der konjunkturellen Lage schnell neue finanzielle Herausforderungen mit sich bringen würde.
Im Anschluss an die Veranstaltung hatten alle Teilnehmer Gelegenheit, in informellen Gesprächen bei Sekt, Orangensaft und Laugengebäck einzelne Inhalte gezielt zu vertiefen und den Abend ausklingen zu lassen.