Diversität: Begriffsgenese und Intersektionalität

Der Begriff „Diversität“ bezeichnet die Verschiedenheit, Ungleichheit und Individualität, die zwischen Menschen und so auch zwischen den Mitgliedern oder Bezugsgruppen in einer Organisation besteht. Dabei kann die Begriffsbestimmung von Vielfalt in zwei Varianten erfolgen: „Vielfalt als Unterschiede“ und „Vielfalt als Unterschiede und Gemeinsamkeiten“ (Krell / Sieben 2011: 157).

Vielfalt als Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Durch die erste Variante wird personelle Vielfalt hinsichtlich verschiedener Zuschreibungen erfasst, wie zum Beispiel „Menschen mit Migrationshintergrund“. Die zweite Variante nimmt keine Festschreibungen vor, sondern geht davon aus, dass Menschen sich immer durch mehrere Merkmale unterscheiden und gleichzeitig in anderen Merkmalen übereinstimmen. Personen können sich bspw. in ihrem Geschlecht unterscheiden, aber der gleichen Altersgruppe und/oder Religion angehören (Krell / Sieben 2011: 158). Durch eine solche individuell, gruppenspezifisch und intersektional angelegte Betrachtungsweise soll eine Stereotypisierung vermieden werden.

Diversität als relationaler, kontextabhängiger Begriff
Die Liste der möglichen Dimensionen von Diversität bzw. Vielfalt als Konstrukt kann unendlich lang sein. Diese Dimensionen stehen nie für sich alleine, sondern greifen ineinander und wirken zusammen (Bendl / Hanappi-Egger 2009: 562). Diversität ist ein relationaler Begriff, der stark vom jeweiligen Kontext abhängt. Je nachdem werden unterschiedliche Kategorien und Eigenschaften bzw. Dimensionen einbezogen (Hofmann 2012: 30).
In Deutschland gibt es mehrere gesetzliche Bestimmungen, die die Gleichbehandlung von Personen mit unterschiedlichen Merkmalen festlegen. Neben dem Grundgesetz (Art. 3, Abs. 3), sind antidiskriminierende Regelungen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von 2006 gesetzlich festgelegt. Dies hat zum Ziel, "Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen" (Antidiskriminierungsstelle des Bundes 2006: 6).

Relevante Dimensionen von Diversität
Diese Dimensionen müssen für den Hochschulbereich um die Dimension „soziale Herkunft“ ergänzt werden, die sowohl die finanziellen als auch habituellen sowie Bildungsressourcen umfasst, auf die in Form von informellem Wissen aus der Familie zurückgegriffen werden kann. Der soziale Hintergrund hat im Bildungskontext eine besondere Relevanz, weil Zugänge für Menschen aus nicht akademisch geprägten Familien erschwert sind und dadurch bestehende Ungleichheiten reproduziert werden (Möller 2015; Graf 2014).
Ergänzt um die Dimension „soziale Herkunft“ sind mit Geschlecht, sexueller Orientierung, Ethnizität, Migration, Nationalität, Religion/Weltanschauung, Behinderung und Alter jene Kategorien beschrieben, anhand derer Diskriminierung und Privilegierung vermieden werden muss. Diese Dimensionen werden intersektional betrachtet:

Intersektionalität
Unter Intersektionalität wird dabei verstanden, dass soziale Kategorien wie Gender, Ethnizität, Nation oder Klasse nicht isoliert voneinander konzeptualisiert werden können, sondern in ihren ‚Verwobenheiten‘ oder ‚Überkreuzungen‘ (intersections) analysiert werden müssen. Additive Perspektiven sollen überwunden werden, indem der Fokus auf das gleichzeitige Zusammenwirken von sozialen Ungleichheiten gelegt wird. Es geht demnach nicht allein um die Berücksichtigung mehrerer sozialer Kategorien, sondern ebenfalls um die Analyse ihrer Wechselwirkungen. (Walgenbach 2012)
So kann eine Person z. B. aufgrund ihrer sozialen Herkunft sowie finanzieller Ausstattung privilegiert sein und trotzdem aufgrund des Alters oder Geschlechts vom Zugang zu Führungspositionen ausgeschlossen werden.

Gesellschaftliche Machtstrukturen
Soziale Kategorien und daraus entstehende Machtverhältnisse stehen in Wechselbeziehungen. Der Fokus liegt auf sozialen Ungleichheiten, die sich aus Machtungleichgewichten, der ungleichen Verteilung von Ressourcen sowie individuellen Voraussetzungen ergeben (Walgenbach 2017: 65 f.). Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass eben diese Machtverhältnisse (in Form von Rassismus, Sexismus oder sozialer Ungleichheit) fest in gesellschaftlichen Strukturen verankert sind und auf unterschiedlichen Ebenen (Makro-, Meso-, Mikroebene) wirken (Walgenbach 2017: 66). Im deutschsprachigen Bereich beschäftigt sich die Geschlechterforschung seit Beginn der 2000er-Jahre intensiv mit der Frage nach der Verknüpfung von komplexen Machtverhältnissen (u. a. Lutz et al. 2012, Klinger / Knapp 2007) und nimmt die Vielfalt der Lebenslagen von Menschen in Forschung und Lehre sowie in Organisationsstrukturen verstärkt in den Blick (Blome et al. 2013: 91).