Nachruf auf Professor em. Dr. Wilhelm Brandes

Am 2. November 2023 verstarb Professor Dr. Wilhelm Brandes im Alter von 87 Jahren im Kreis seiner Familie. Die Nachricht hat die Angehörigen der Universität Göttingen, insbesondere am Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung (DARE) und viele Kolleginnen und Kollegen in der deutschen und internationalen Agrarökonomie sehr berührt und traurig gemacht. Mit diesem Nachruf möchten wir Professor Brandes‘ Lebenswerk und ihn als Person würdigen.

Es gibt kaum einen Agrarökonomen seiner Generation, der methodisch und theoretisch so breit aufgestellt war wie Wilhelm Brandes. Zu den benachbarten Disziplinen wie etwa der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre sowie zur Mathematik, Ökonometrie und Philosophie hat er stets die Verbindung gesucht und etabliert. Er war dabei, ausgehend von seinem profunden Verständnis der neoklassischen Ökonomik, auch stets offen für heterodoxe Ansätze. Genau diese Verbindungsfähigkeit zeichnete seine Arbeit aus und spiegelt sich in der Vielfalt seiner Forschung und Lehre wider. Seine Überlegungen zu beschränkter Rationalität, chaotischem Systemverhalten, numerischer Simulation, Umwelt- und evolutorischer Ökonomik können retrospektiv als wegbereitend für eine offene Agrarökonomik, wie wir sie heute kennen, bezeichnet werden. Sein „Über die Grenzen der Schreibtischökonomie" reflektierendes Buch wird uns hierbei in besonderer Erinnerung bleiben.

Als ausgebildeter Landwirt stand er stets mit beiden Beinen im Leben und war in der Praxis verhaftet. Durch diese Erdung konnte er komplexe Sachverhalte anschaulich erklären, ohne dabei den Eindruck zu vermitteln, dass Sachverhalte einfach zu lösen seien. Er hat wesentliche Beiträge geleistet, die das methodische und theoretische Instrumentarium der Agrarökonomik und der landwirtschaftlichen Betriebslehre im Besonderen erweitern. Methodisch-theoretische Innovationen, zu denen er beigetragen hat, waren die quantitative Risikoanalyse mittels stochastischer Simulation, spieltheoretische Modelle, Unternehmensplanspiele sowie das Konzept der Pfadabhängigkeit. Wilhelm Brandes war im Rahmen seiner mehrjährigen Tätigkeit als Mitarbeiter der Weltbank mit Agrarprojekten in Entwicklungsländern in Berührung gekommen. Auch darüber hinaus war er sehr international orientiert und engagiert. Er hat regelmäßig Sabbaticals u.a. in England, USA und Australien unternommen, und die dort erfahrenen Impulse insbesondere in seine Lehrbücher einfließen lassen, die bis heute in diversen agrarökonomischen Vorlesungen Anwendung finden.

Getrieben wurde sein Wirken durch seine wissenschaftliche Neugier, Offenheit und hohe Begeisterungsfähigkeit. Die Suche nach neuen Erkenntnissen auch abseits des ‚Mainstreams‘ zeichnete ihn aus. Er hat sich nie auf dem erreichten Wissensstand ausgeruht, sondern diesen immer wieder hinterfragt. Diese grundlegende Eigenschaft konnte er über seine aktive Zeit hinaus bis ins hohe Alter bewahren. Bis zuletzt hat er kaum ein Seminar für Promovierende oder Agrarökonomisches Seminar verpasst und sich stets mit scharfsinnigen Beiträgen eingebracht. Auch an den gemeinsamen Mittagessen im Kolleg*Innenkreis nahm er regelmäßig teil. Wilhelm Brandes hat alle Mitarbeitenden stets bei der eigenen Ideenentwicklung unterstützt, motiviert und begleitet, auch über seine aktive Professorenzeit hinaus. Er war ein sehr geschätzter Gesprächspartner über Fachbereichsgrenzen, Generationen und Statusgruppen hinweg. Damit hat er immens zur Motivation und zum Erfolg ganzer Generationen an Agrarökonominnen und Agrarökonomen beigetragen.

Die aktiven Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Emeriti des DARE: Stephan v. Cramon-Taubadel, Xiaohua Yu, Liesbeth Colen, Oliver Mußhoff, Bernhard Brümmer, Silke Hüttel, Achim Spiller, Doris Läpple, Tobias Plieninger, Claudia Neu, Meike Wollni, Hartwig de Haen, Heide Inhetveen, Helmut Lauenstein, Stefan Tangermann, Winfried Manig, Rainer Marggraf sowie Ehemalige der Arbeitsgruppe: Martin Odening, Alfons Balmann, Thomas Berger, Hans-Peter Weikard, Guido Recke, Ludger Hinners-Tobrägel, Olaf Linnemann, Alois Fenneker, Gregor Peter, Martina Reichmann, Aoife Neville, Monika Leuschen, Bianka Rieck, Nina Enke.