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Universitäre Exzellenz und ihre Bedingungen
Rede anlässlich der Akademischen Feier zur Übergabe des Präsidentenamtes am 10. Januar 2005


Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Minister,
meine sehr verehrten Damen, meine Herren.

Der Zufall will es, dass innerhalb von drei Monaten an sechs der acht niedersächsischen Universitäten die bisherigen Präsidenten ausscheiden und Nachfolger ihr Amt antreten. Damit häufen sich derzeit die Verabschiedungen und Amtseinführungen. Da alle Universitäten vor ähnlichen Problemen stehen, mehr oder weniger vergleichbare Ziele verfolgen und die Mittel, mit denen sie diese Ziele erreichen wollen, sich nur graduell unterscheiden, vermute ich, dass die Redundanz in den Reden, die zum Ritual solcher Veranstaltungen gehören, nicht unbeträchtlich ist. Überall wird von Exzellenz und Effizienz, Autonomie, Planungssicherheit, leistungsorientierter Mittelvergabe, Schwerpunktbildung, Internationalisierung, Transparenz, Wettbewerb und Ähnlichem die Rede sein. Bevor ich meine Version zu universitärer Exzellenz und wie wir ihr Entstehen fördern können vortrage, möchte ich mit einigen Bemerkungen persönlicher und allgemeiner Natur beginnen: damit verständlicher wird, was Sie von mir erwarten können und was eher nicht und damit meine nachfolgenden Ausführungen nicht verdecken, dass ich die Grenzen der Machbarkeit universitärer Exzellenz eng gesteckt sehe.

Zur eigenen Person

In den vergangenen Monaten wurde ich häufig auf den Wechsel in das neue Amt angesprochen. Meist begannen solche Gespräche damit, dass mein Gegenüber sein Bedauern ausdrückte, dass ich aus der Forschung ausscheide – ob ich mir denn ein Leben ohne Forschung überhaupt vorstellen könne, ob ich mir das auch gut überlegt hätte, waren häufig gestellte Fragen. Ich gewann den Eindruck, als stelle für die meisten der Wechsel aus Forschung und Lehre in die Administration einen Abstieg dar, dem als Kompensation allenfalls eine höhere Befriedigung der persönlichen Eitelkeit gegenüber stehe.
Für mich selbst war es nie eine Entscheidung, in der es um Ab- oder Aufstieg, Verlust oder Gewinn ging. Für mich stellt dieses Amt zuallererst eine gänzlich unerwartete und völlig neue Herausforderung für meine letzten beruflichen Jahre dar, verbunden mit der Chance, mit ganz anderen Mitteln als bislang etwas für Forschung und Lehre bewirken zu können. In die Spannung und Neugierde auf die neuen Aufgaben mischen sich allerdings Zweifel, ob ich diesen auch gewachsen sein werde. An dieser Stelle möchte ich Horst Kern, dem gesamten Präsidium und allen in der Verwaltung und in den Fakultäten danken, die mir in den letzten Monaten mit viel Geduld und Takt geholfen haben, mich auf die neuen Aufgaben vorzubereiten.
Meine Erfahrungen in der Forschung habe ich in einem speziellen experimentellen Fach der Biowissenschaften gemacht. In den Jahren im Senat und Hauptausschuss der DFG habe ich allerdings erfahren, dass die wissenschaftsimmanenten Probleme in den Geistes , Natur , Bio und Ingenieurwissenschaften ähnlicher sind, als man gemeinhin annimmt, und dass erfolgreiches Forschen in allen Fächern ähnliche Voraussetzungen hat. Wissenschaftliche Neugier, der Mut, sich immer wieder sowohl ungelösten wie wichtigen Fragen zuzuwenden, konzeptionell und methodisch neue Wege zu gehen, Anregungen aus anderen Fächern aufzunehmen, Arbeitsdisziplin, Fähigkeit zur Selbstkritik und Kommunikation sind Eigenschaften, die jeden Forscher auszeichnen müssen.

Meine Lehrerfahrungen in der Biochemie, einem vorklinischen Grundlagenfach, das von den Studierenden in aller Regel wenig geliebt und eher als ein Stolperstein auf dem Weg zum Arztberuf empfunden wird, sind für universitäre Lehre wenig repräsentativ. Die Lehre in der Vorklinik ist durch eine erhebliche Verschulung gekennzeichnet. Anders die Ausbildung der Studierenden, die sich mir als medizinische und naturwissenschaftliche Doktoranden anschlossen, und die Zusammenarbeit mit den jungen Wissenschaftlern, die ich auf den Weg einer eigenen wissenschaftlichen Karriere bringen durfte. Sie brachten Erfahrungen, die zu den schönsten und befriedigendsten in meiner beruflichen Tätigkeit zählen. Leider wird die Ausbildung von Diplomanden und Doktoranden viel zu wenig als eine Leistung der Universität wahrgenommen und anerkannt, obwohl sie allein schon zeitlich alle Beteiligten in einem ähnlichen Umfang beanspruchen kann wie das Grund- und Hauptstudium.
Universitäre Exzellenz: ihre Bedingungen Was nun die Machbarkeit oder Steuerbarkeit universitärer Exzellenz betrifft, so möchte ich mit der Feststellung beginnen, dass die Exzellenz in der Wissenschaft und das meint immer Forschung und Lehre zuallererst das Ergebnis der Leistungen einzelner ist. Kreative Forschung, die neues Wissen hervorbringt, lebt von der Verbindung systematischen Vorgehens mit der Bereitschaft, flexibel auf Unvorhergesehenes zu reagieren. Kreative Forschung zeichnet daher eine geringe Planbarkeit aus. Darüber hinaus schwimmt sie häufig gegen den Strom und verstößt gegen herrschende Regeln. Sie gleicht darin innovativer Kunst, der wir eher als Forschung zugestehen, dass sie nicht das Resultat von Planung sein kann, sondern das Ergebnis einer Mischung gefühls , wissens und erfahrungsbestimmter Entscheidungen.
Universitäre Exzellenz war nie und wird nie die direkte Folge von Lenkung oder das Ergebnis von administrativen Vorgaben sein. Zielvorgaben, Aufgabenverteilung, Berichtswesen und Controlling, die sich für die Steuerung und Optimierung betrieblicher und administrativer Vorgänge eignen, bleiben in zentralen Bereichen universitärer Exzellenz wirkungslos. Dies gerade heute zu betonen, scheint mir notwendig, da Universitäten immer häufiger mit Unternehmen verglichen und gleichgesetzt werden.
Nun darf der Gedanke der Nicht Steuerbarkeit nicht überbetont werden. Für Kunst und Wissenschaft gilt, dass sie gedeihen, wenn das Umfeld stimmt und die richtigen Akteure am Werk sind. Exzellente Berufungen und die Rekrutierung leistungsbereiter Studierender bestimmen an Hochschulen die Qualität der Akteure. Die Ausstattung der Hochschulen, die Belastung durch forschungs und lehrfremde Aufgaben, Betreuungsrelationen, Hierarchien, Internationalisierung und Gleichstellung sind Faktoren, die die Rahmenbedingungen bestimmen. Es liegt in der Natur universitärer Leistungen in Forschung und Lehre, dass Änderungen der Rahmenbedingungen nur mit einer Verzögerung sichtbare Folgen zeitigen. Dies verlangt von den Verantwortlichen ein Denken und Handeln, das über Amts und Legislaturperioden hinausgeht. Das hohe Maß an Vertrauen, das damit verbunden ist, können die Hochschulen nur einfordern, wenn sie ihrerseits die Basis dafür durch ein Höchstmaß an Transparenz schaffen.

Ein Beispiel aus unserer Geschichte: Die Grundlagen für Göttingens große Glanzperiode in den Naturwissenschaften im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, wurden durch die preußische Hochschulpolitik, für die der Name des legendären Berliner Ministerialdirektors Friedrich Althoff steht, lange zuvor, nämlich in den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, gelegt.

Förderung universitärer Exzellenz

Das Ziel, die Leistungskraft und Exzellenz unserer Universität zu mehren, teile ich sicherlich mit allen Vorgängern im Amt. Im Unterschied zu vielen von ihnen fehlen mir aber einschlägige Erfahrungen in der Universitätsverwaltung und Hochschulpolitik. Mit Neid blicke ich auf meinen Vorgänger, der bei seinem Amtsantritt nicht nur über einschlägige Erfahrungen in der Universitätsleitung verfügte, sondern sich als Organisationssoziologe bei der Restrukturierung der Verwaltung sogar auf die eigene Fachexpertise stützen konnte. Diesbezüglich muss ich mich auf die eher zufälligen Erfahrungen verlassen, die ich mit der Universität und ihrer Verwaltung aus der Perspektive des Forschers und Lehrers gesammelt habe.

Für Erfahrungen, von denen ich mich leiten lassen möchte, will ich zwei Beispiele geben. Als ich 1986 nach Göttingen kam, war mir nicht klar, wie nachhaltig meine Arbeit dadurch befördert werden würde, dass hier nicht nur meine engere Fachrichtung, die molekulare Medizin, sondern die Biowissenschaften im Ganzen, sehr vielfältig vertreten waren. Zusätzlich zu den traditionell stark forschungsorientierten biowissenschaftlichen Fakultäten gibt es in Göttingen außeruniversitär Forschungseinrichtungen in ungewöhnlich hoher Zahl und von besonderer Qualität. Am eigenen Ort auf interessierte Fachkollegen zu treffen, von denen man Rat und experimentelle Hilfe bekommen konnte und die freien Zugang zu sonst nur schwer erreichbaren Großgeräten ermöglichten, hat meine eigenen Arbeiten und die meiner Mitarbeiter enorm gefördert. Der Aufbau von Forschungsverbünden, wie Sonderforschungsbereichen, Forschergruppen und Graduiertenkollegs gelang in Göttingen fast von selbst.

Aus diesen Erfahrungen habe ich die feste Überzeugung gewonnen, dass wissenschaftliches Arbeiten ganz entscheidend gefördert wird, wenn an einem Ort eine kritische Zahl an Arbeitsgruppen versammelt ist, die zwar durchaus unterschiedliche Ausgangspunkte haben und jeweils eigene Ziele verfolgen können, die sich aber so nahe stehen, dass sie sich methodisch und inhaltlich verständigen und wissenschaftliche Netzwerke bilden können.
Die Universität tut aus meiner Sicht also gut daran, wenn sie bei ihren Berufungen nicht nur darauf achtet, dass die Besten gewonnen werden, sondern dass dadurch Schwerpunkte und Netzwerke entstehen können. Diese Maxime steht nicht im Widerspruch zu der Forderung nach einer Diversität der Arbeitsrichtungen. Allerdings findet die Diversität dort ihre Grenzen, wo sie soweit geht, dass eine einzelne Einrichtung isoliert arbeitet und produktive Querverbindungen am Ort nicht mehr herstellbar sind.
Ich weiß, dass es Fächer gibt, in denen dieser Vernetzungsgedanke weniger akzeptiert ist als in anderen. In den Ingenieur , Bio und Naturwissenschaften sind die Vorteile für den einzelnen zu offenkundig, als dass man noch viel Überzeugungsarbeit für Forschung in Verbünden leisten müsste. In den Geisteswissenschaften stößt der Gedanke der Vernetzung dagegen noch eher auf Skepsis und wird von manchen als wissenschaftsfremd empfunden. Hier ist es meine Erfahrung aus der Arbeit für die DFG die längste Zeit übrigens unter einem Geisteswissenschaftler als Präsidenten , die mich zur Überzeugung gebracht hat, auch diesen Fächern mehr Mut zum Forschen und Lehren in vernetzten Strukturen zu empfehlen.

Einem Missverständnis möchte ich vorbeugen: vernetzte Forschung und Schwerpunktbildung werden häufig mit Programmforschung gleichgesetzt. So sehr ich für vernetzte Forschung eintrete, so reserviert stehe ich der Programmforschung gegenüber. Kreative Forschung gleicht dem Wasser, das sich seinen Weg frei, entsprechend den Gegebenheiten des Geländes, sucht. Sie kann sich nur ohne inhaltliche Vorgaben entwickeln. Vernetzte Forschung darf also ihre inhaltlichen Vorgaben nur so lose formulieren, dass die freie Entwicklung des einzelnen Forschungsvorhabens nicht behindert wird. Sie steht daher im Konflikt mit der bei Planern so beliebten Programmforschung, die Forschung auf relevante Inhalte fokussiert. Aids, Genderforschung, Krebs, Rinderwahnsinn, Altersdemenz, Klimaforschung und Nanotechnologien seien hier als Stichworte genannt. Relevant sind diese Themen allemal, ob sie aber jeweils reif für große wissenschaftliche Durchbrüche sind, ist eine ganz andere Frage, und dass die in die Programmforschung gesetzten Hoffnungen häufig getrogen haben, ist bekannt. Dass Programmforschung kreative Forschung nicht ausschließt, ist allerdings auch eine Binsenwahrheit. Viele von uns haben es der Not gehorchend zu einer gewissen Meisterschaft gebracht, ihre selbstbestimmten Forschungsziele unter dem Deckmantel verschiedenster Vorhaben der Programmforschung voranzutreiben.

Ein Letztes: wissenschaftlicher Fortschritt und insbesondere die großen Durchbrüche erfolgen eher selten in der Mitte der Fachgebiete, sondern häufig an deren Rändern, wo die Fächer sich mit anderen berühren. Die Universität sollte diesem Umstand Rechnung tragen und durch eine überlegte Berufungspolitik die Voraussetzungen für vernetzte Forschung über die Fachgrenzen hinweg schaffen.

Eine weitere für mich ebenfalls eng mit Göttingen verbundene Erfahrung betrifft die Schubkraft, die eine gezielte Ermutigung von Initiativen durch die Universitätsleitung und das Fachministerium auslösen kann.

Ohne auf die Einzelheiten einzugehen: bei den Initiativen zur Errichtung des gemeinsamen Tierhauses von Universität und Max-Planck-Gesellschaft und des Göttinger Zentrums für Molekulare Biowissenschaften kamen entscheidende Anstöße und die in der Frühphase solcher Projekte besonders wichtige Ermutigung aus der Universitätsleitung und dem Fachministerium. Ohne deren Unterstützung hätte möglicherweise weder das eine noch das andere Projekt die internen Auseinandersetzungen in den Fakultäten überstanden. Gleiches galt zuletzt für den Internationalen Masters /Ph.D. Studiengang "Molecular Biology". Ich hoffe, dass wir uns gegenüber solchen Initiativen stets aufgeschlossen zeigen und Phantasie bei ihrer Unterstützung entwickeln werden. Als Universität sind wir darauf angewiesen, dass sich immer wieder einzelne, allein oder in einer kleinen Gruppe, bereit finden, neue Initiativen zu entwickeln und sie umzusetzen, auch wenn deren größte Nutznießer häufig andere als sie selbst sein werden.

Drei Bitten an die Hochschulpolitik des Landes Niedersachsen

Ich hatte schon mehrfach Gelegenheit zu erläutern, wo ich die Schwerpunkte meiner Arbeit nach innen setzen möchte. Es sind dies um nur vier zu nennen

  • erstens, die von fachspezifischen Kriterien gesteuerte Erfassung von Leistung in Forschung und Lehre und ihre transparente, Peer-gesteuerte Bewertung, unter anderem, um damit die Verhandlungen über die Zielvereinbarungen zwischen Universität und Land und die Kontrolle ihrer Erfüllung zu unterstützen und die Planungen der Universität auf verbesserte Grundlagen zu stellen,

  • zweitens, die leistungsorientierte Mittelvergabe innerhalb von Fakultäten und zwischen Fakultäten mittels eines Systems, in dem es zwangsweise Gewinner und Verlierer geben wird und das Anreize setzt, Mittel für Lehre und Forschung von dritter Seite einzuwerben

  • drittens, der Transfer des Autonomiegewinns, den uns die Stiftungsträgerschaft gebracht hat in alle Bereiche der Universität

  • und viertens, ein Bündel Maßnahmen, die die Partnerschaft zwischen Lehrenden und Studierenden stärken, die Studierende erfahren lassen, dass sie an unserer Universität willkommen sind und Teil einer Gemeinschaft, die mehr eint als der Erwerb von fachlichem Wissen.


Heute möchte ich die Chance, vor dem Ministerpräsidenten und Vertretern der Hochschulpolitik und Hochschulverwaltung unseres Landes sprechen zu dürfen, nutzen, drei Bitten auszusprechen.
Die Universität Göttingen ist mit ihrer Gründung im 18. Jahrhundert eine im europäischen Kulturraum vergleichsweise junge Universität. Es gelang ihr in kürzester Frist, einen exzellenten Ruf zu erwerben. Sie ist heute im Bewusstsein der wissenschaftlichen Welt als eine der großen Forschungsuniversitäten in Deutschland verankert. Wer zurückblickt erkennt, dass wissenschaftliche Exzellenz und Größe in allen Zeiten ein kostbares, aber leicht vergängliches Gut waren. Auf Glanzperioden folgten Phasen des Niedergangs und Wiederaufstiegs, selbst in den erfolgreichsten Fakultäten. Die Geschichte dieser Universität ist aber dadurch ausgezeichnet, dass es Göttinger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern immer wieder gelang, ihre Universität mit ihren Forschungsleistungen zum Zentrum ihres Fachs national und international zu machen.

Wenn wir den gegenwärtigen Zustand bilanzieren, so finden sich selbstverständlich neben Licht auch Schattenseiten. Wichtig ist aber, dass auch heute in großen und wichtigen Bereichen Exzellenz und Kompetenz in Göttingen versammelt sind, die jedem nationalen Vergleich standhalten und internationale Anerkennung haben. Wir werden uns daher dem Wettbewerb um die Fördermittel für Spitzen Universitäten, den wir brauchen und den es hoffentlich bald geben wird, stellen. Die erste Bitte an die Hochschulpolitik des Landes Niedersachsen geht dahin, Göttingen – im Wettbewerb mit anderen Hochschulen im Lande als eine Forschungsuniversität zu fördern, in der das Wissen in seiner ganzen Tiefe und der für eine Universität klassischen Typs kennzeichnenden Vielfalt von Fachdisziplinen gelehrt und fortentwickelt werden kann. Weltweit verbindet sich in der Wissenschaft der Name Göttingen mit diesem Anspruch. In diesem Erbe aus fast 300 Jahren Geschichte stecken die gemeinsamen Anstrengungen von Generationen von Forscherinnen und Forschern und zahlreicher früherer Landesherren und Landesregierungen.
Die zweite Bitte bezieht sich auf die Stiftungsträgerschaft. Die Stiftung als Trägerin der Universität ist ein junges Gebilde, das bei seiner Einführung die breite Unterstützung im Parlament unseres Landes und im Senat unserer Universität hatte, das aber gleichzeitig auf Skepsis bis hin zu Widerstand, nicht zuletzt aus der Universität selbst, stieß. In einer Phase, in der die Stiftungsträgerschaft naturgemäß mehr auf die in dieses Modell gesetzten Hoffnungen und Erwartungen als auf Erfolge aus der Praxis verweisen kann, ist es besonders gefährdet und bedarf des besonderen Schutzes. Bei viel zu vielen hat sich in den letzten Monaten der Eindruck verfestigt, als betrachte die Landesregierung die Stiftungsträgerschaft eher als eine Etikette und wolle das ursprünglich angestrebte Mehr an Autonomie zugunsten einer direkteren Steuerung wieder zurücknehmen. Detailsteuerung wie über das Hochschuloptimierungskonzept, kurzfristige Haushaltsbewirtschaftung und Haushaltsvorbehalte, die in die geschlossenen Zielvereinbarungen eingreifen, sind hier die Stichworte. Mag dieser Eindruck auch unzutreffend sein, so entspricht er doch der gefühlten Wahrnehmung, ist wirksam und schwächt die Universität.

Wir bitten die Politik, dem Modell der Stiftungsträgerschaft gerade auch im Kontext einer Volluniversität, wie Göttingen es ist, eine Chance zu geben. Die Eröffnung der Stiftungsoption war ein mutiger Schritt in die Zukunft. Dieser Mut darf uns auf dem Weg der Umsetzung nicht verlassen.
Meine dritte Bitte: Entwickeln Sie bitte ein Verfahren, das Leistungen in den Hochschulen in direkter Form belohnt. Anreiz und Belohnungsverfahren gehören zu den wirksamsten Steuerungsmitteln, wenn es darum geht, universitäre Leistung zu steigern. Für die direkte Belohnung von Leistung in der Forschung gibt es ein bewährtes Instrument. Es handelt sich um den Overhead oder, wie Ernst-Ludwig Winnacker es kürzlich genannt hat, um eine Forschungsprämie, vom Land gewährt, auf begutachtete Drittmittel.
Mit diesem Instrument würden in einem transparenten und von den Betroffenen akzeptierten Wettbewerb diejenigen Hochschulen des Landes gefördert, deren Forschung besonders leistungsstark ist und denen es daher gelingt, dafür zusätzliche Mittel Dritter einzuwerben. Der Overhead fördert nachgewiesene Exzellenz, unabhängig vom Standort, unabhängig von Programmen, in allen Fachdisziplinen, nach Maß des fachspezifischen Mittelbedarfs. Der Overhead stärkt den Forscher, der die Drittmittel einwirbt, und die Universität, die ihm ihre Ressourcen zur Verfügung stellt. Der Charme des Overheads auf begutachtete Drittmittel liegt darin, dass er ohne zusätzlichen administrativen Aufwand für das Land die Forschung an Hochschulen zielgenau, leistungsabhängig und so wirksam, wie es die Ressourcen des Landes jeweils erlauben, fördert.

Lassen Sie mich abschließend, veranlasst durch die allgemeine pessimistische Stimmung in den Medien und die knappen Ressourcen, festhalten: Es ist wahr, dass die Hochschulen wie fast alle Einrichtungen des Bildungswesens grob unterfinanziert sind und wir unsere Bedürfnisse nicht ausreichend zugunsten der nächsten Generation einschränken. Genauso wahr ist aber auch, dass der Ausbildungsstand unserer Hochschulabsolventen um ein vieles besser ist, als es die veröffentlichte Meinung glauben macht.
Ein Beispiel: In den Naturwissenschaften werden die Absolventen in einen globalen Markt entlassen. Bewerben sich unsere Absolventen um Arbeitsplätze in den Vereinigten Staaten, werden sie bevorzugt genommen. Dies kann nur heißen, dass sie gut ausgebildet sind. Wer im eigenen Labor vergleichende Erfahrungen mit hier und andernorts Ausgebildeten sammeln konnte, weiß die Tiefe und Breite der hiesigen Ausbildung zu schätzen. Das soll nicht unsere Mängel bei der Betreuung der Studierenden verdecken. Der Blick über die Grenzen hinaus lehrt aber, dass wir den Geist der Universität nicht neu erfinden müssen. Die Mittel und die Wege, ihn unter den sich ständig ändernden Rahmenbedingungen lebendig zu erhalten und wirksam werden zu lassen, müssen allerdings ständig neu gefunden werden.


Veröffentlichung:
Universitäre Exzellenz und ihre Bedingungen, in Göttinger Universitätsreden, (ed.) Akademische Feier zur Übergabe des Präsidentenamtes in der Aula am 10. Januar 2005, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005, pp. 49-59.