Von "Erinnerungskriegen" und gemeinsamem Gedenken

Diskussionsreihe zum 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion


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Wie wird der Zweite Weltkrieg in verschiedenen Ländern Europas erforscht und erinnert? Und wie gestalten sich nationale und grenzüberschreitende Gedenkpolitiken und -praktiken? Diese Fragen stehen im Zentrum unserer öffentlichen Veranstaltungsreihe. An drei Terminen wollen wir die Erinnerungslandschaften und Gedenkpolitiken in Belarus, Russland und Deutschland sowie die baltischen Perspektiven zum Zweiten Weltkrieg diskutieren. Dabei kommen Historiker*innen und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft zu Wort. Bitte melden Sie sich für die Veranstaltungsreihe oder für einzelne Events hier an.

2. Juni 2021, 18 Uhr | Podiumsdiskussion
Den Zweiten Weltkrieg erforschen:
Die Geschichtswissenschaft(en) in Belarus, Russland und Deutschland im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft

mit Alesia Korsak (Staatliche Universität Polatsk), Oleg Budnitskii (HSE Moskau) und Anke Hilbrenner (Universität Göttingen)
Die Erforschung des Zweiten Weltkriegs war für Historiker*innen in Belarus, Russland und Deutschland nie eine leichte Aufgabe. Während die Sowjetunion ein striktes Narrativ durchsetzte und ihren Sieg unter Verharmlosung der eigenen Opfer betonte, hatte Deutschland einen langen Weg der Anerkennung von Verbrechen vor allem in Osteuropa. Damals wie heute sind Historiker*innen in allen drei Ländern Teil staatlicher Agenden, stellen diese aber auch in Frage und repräsentieren eine mehr und mehr transnational vernetzte Gesellschaft. Die Podiumsdiskussion beleuchtet die Entwicklungen innerhalb des Feldes und fragt nach den Möglichkeiten der Zusammenarbeit.

Diskussionsteilnehmer*innen:

Korsak
Alesia Korsak ist Leiterin des Lehrstuhls für Geschichte und Tourismus der Fakultät für Geisteswissenschaften an der Staatlichen Universität Polotsk. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Kriegsgräber und Orte der Massenvernichtung von Zivilisten in den Jahren 1941–1944 auf dem Territorium von Belarus, insbesondere ihre Verifizierung, Identifizierung und Geschichte des Auftretens sowie die staatliche Politik des Gedenkens an sie.

Budnitskii
Oleg Budnitskii ist Professor für Geschichte und Direktor des Internationalen Zentrums für Geschichte und Soziologie des Zweiten Weltkriegs und seiner Folgen an der National Research University Higher School of Economics in Moskau. Zu seinen jüngsten Büchern gehören Люди на войне (2021), Терроризм в Российской империи: Краткий курс (2021), В движении: русские евреи-эмигранты накануне и в начале Второй мировой войны (2020, Sammelband).

Hilbrenner
Anke Hilbrenner ist Professorin für Neuere Geschichte Osteuropas an der Universität Göttingen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Alltagsgeschichte des Zweiten Weltkriegs, Jüdische Geschichte im östlichen Europa und die Geschichte des russländischen Terrorismus.

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16. Juni 2021, 18 Uhr | Podiumsdiskussion
Den Zweiten Weltkrieg erinnern:
Zivilgesellschaftliche Perspektiven aus Belarus, Russland und Deutschland

mit Aliaksandr Dalhouski (Geschichtswerkstatt „Leonid Lewin“, Minsk), Irina Scherbakowa (Memorial Moskau) und Jörg Morré (Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst)
Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg ist in den Gesellschaften Russlands, Belarus' und Deutschlands seit jeher umstritten, politisiert und umkämpft. In dieser Podiumsdiskussion hören wir Vertreter*innen herausragender Institutionen der Zivilgesellschaften in allen drei Ländern. Sie werden uns ihre Perspektiven auf ihre (manchmal marginalisierte) Stellung, Strategien und Wünsche für ein gemeinsames Gedenken an den Zweiten Weltkrieg schildern.

Diskussionsteilnehmer*innen:

Dalhouski
Aliaksandr Dalhouski ist promovierter Historiker und arbeitet als Referent in der Geschichtswerkstatt "Leonid Lewin" in Minsk. Dort betreut er für das Zeitzeugenarchiv der Minsker Geschichtswerkstatt und begleitet die deutsch-belarussische Wanderausstellung „Vernichtungsort Malyj Trostenez. Geschichte und Erinnerung“ in Belarus. Dalhouskis Forschungsschwerpunkte umfassen die Geschichte Belarus' im Zweiten Weltkrieg und nach Tschernobyl sowie die Umweltgeschichte.

Scherbakowa
Irina Scherbakowa arbeitet für die Menschenrechtsorganisation Memorial in Russland, zu deren Initiatorinnen sie gehört. Sie ist Historikerin, Germanistin und Kulturwissenschaftlerin und lehrte von 1992 bis 2007 an dem von ihr geleiteten Zentrum für Oral History der Sozial- und Geisteswissenschaftlichen Universität Moskau. Sherbakowa hatte verschiedene Gastprofessuren inne und war Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin und am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Oral History, die Geschichte des Stalinismus und die Geschichtspolitik in Russland.

Scherbakowa
Jörg Morré studierte Geschichtswissenschaften, Russistik und Erziehungswissenschaften an der FU Berlin und der Universität Hamburg. Nach seinem Referendariat im Hamburger Schuldienst promovierte er in osteuropäischer Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Von 1996 bis 2008 war Morré wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Gedenkstätten Sachsenhausen und Bautzen. Seit 2009 ist er Direktor des Deutsch-Russischen Museums Berlin-Karlshorst.

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22. Juni 2021, 18:15 Uhr | Vortrag (auf Englisch)
Challenging paradigms: Baltic perspectives on dominant narratives of WWII in Europe
mit Eva-Clarita Pettai (Imre Kertész Kolleg Jena)
Vor achtzig Jahren, im Juni 1941, wurden die damaligen sozialistischen Sowjetrepubliken Estland, Lettland und Litauen von der Wehrmacht überfallen; vor dreißig Jahren, im August 1991, wurden die drei Länder wieder auf die europäische Landkarte der unabhängigen Staaten gesetzt. Die fünfzig Jahre, die zwischen diesen beiden Daten lagen, sind seither Gegenstand heftiger Debatten. Die spezifische baltische Perspektive auf den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegsjahre stellt eine Herausforderung für viele scheinbar unumstößliche historische Wahrheiten dar, die sowohl in der postsowjetischen russischen Welt als auch im sogenannten Westen geteilt werden. Der Vortrag wird sich auf zwei dieser "Wahrheiten" konzentrieren und auf die verschiedenen Arten und Weisen, in denen sie durch das soziale Gedächtnis und die Geschichtsschreibung sowie durch die baltische Gesetzgebung und Rechtsprechung in Frage gestellt wurden.

Rednerin:

Scherbakowa
Eva-Clarita Pettai ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Imre Kertész Kolleg an der Universität Jena. Ihre Forschung konzentriert sich auf die vergleichende Untersuchung von Erinnerungspolitik, Demokratisierung und Übergangsjustiz in der ehemals kommunistischen Region, insbesondere in den baltischen Staaten. Sie hat zahlreiche Publikationen über die Neuschreibung der Geschichte nach dem Kommunismus, die Anfechtung von Erinnerungen in nationalen, bilateralen und paneuropäischen Arenen und die Politik der Wahrheit und Gerechtigkeit nach ausgedehnter Unterdrückungsherrschaft veröffentlicht.

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Die Veranstaltungsreihe ist Teil des trilateralen Sommerworkshops „E pluribus unum? Possibilities and Limits of a Shared (Eastern) European Collective Memory of the Second World War“, den die Professur für Neuere Geschichte Osteuropas an der Universität Göttingen zusammen mit der Higher School of Economics St. Petersburg, der Staatlichen Universität Polatsk sowie der Stiftung Adam von Trott, Imshausen e.V. und der Belarussisch-Deutschen Geschichtskommission durchführt.

Idee und Konzept:


Wissenschaftliche Supervision:


Organisatorische Mitarbeit und Projektbetreuung:

  • Lars Jakob
    Abt. Öffentlichkeitsarbeit, Universität Göttingen
  • Sarah Reinke
    Stiftung Adam von Trott, Imshausen e.V.
  • Thomas Vanghele
    Studentische Hilfskraft an der Professur für Neuere Geschichte Osteuropas