WiSe 2002/03

Lehrveranstaltungen von Prof. Dr. Rebekka Habermas


  • Vorlesung: Die Stadt im 19. Jahrhundert

    Die Stadt im 19. Jahrhundert erlebte bekanntlich eine ganze Reihe fundamentaler Veränderungen: Durch neue Funktionen, aber auch schlicht durch wirtschaftliche Veränderungen und Bevölkerungswachstum nahm die Stadtbevölkerung zeitweise sprunghaft zu. Überdies differenzierte sie sich funktional aus: Wohngebiete, schichtspezifisch segregiert, und Industrie- oder Handwerkergebiete entstanden neu. Teilweise ging die sozialräumliche Differenzierung mit Verslumung einher; dann entstanden wiederum neue Lebens- und Erfahrungswelten an den ländlichen Peripherien der Stadt. Gleichzeitig lässt sich ein enormer Auf- und Ausbau städtischer Verwaltungen beobachten: Neue Ã?mter, die sich etwa mit den dringenden Fragen der Hygiene beschäftigten, kamen hinzu. Schließlich entwickelte sich in den intellektuellen Metropolen ein ganz eigener und neuer Stadtdiskurs und mit ihm neue Typen des Städters und der Städterin: der Flaneur, die Kaufhauskonsumentin, der Taschendieb etc. Diesem und einer ganzen Reihe damit einhergehender Urbanisierungsphänomene soll im Rahmen dieser Vorlesung nachgegangen werden.

    Literatur: Clemens Zimmermann, Die Zeit der Metropolen. Urbanisierung und Großstadtentwicklung, Frankfurt a.M. 1996.



  • Hauptseminar: Göttingen im 19. Jahrhundert

    Als Göttingen 1866 Teil der preußischen Provinz Hannover wurde und damit seinen besonderen Status als königlich-hannoversche Universitätsstadt verlor, befand sich die Stadt mitten in dem auch für kleinere Städte des 19. Jahrhunderts typischen Urbanisierungsprozess. Im Mittelpunkt des Seminars steht die Frage, wie sich Struktur und Folgen dieses Urbanisierungsprozesses genauer beschreiben lassen: Wie veränderte sie das wirtschaftliche Gefüge, ab wann kann überhaupt von Industrialisierung gesprochen werden? Wie wandelten sich Sozial- und Familienstruktur? Welche Auswirkungen hatte die Bevölkerungszunahme auf Stadtbild, Sozialtopographie, aber auch auf das Verhältnis zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen? Wie veränderten sich die politischen Öffentlichkeiten nach 1866 ? bzw. kam es überhaupt zu Veränderungen? Diesen und ähnlichen sozial- und kulturgeschichtlichen Fragen soll entlang von im Seminar gemeinsam unternommenen Archivstudien (Stadtarchiv und Universitätsarchiv) nachgegangen werden. Erwartet wird die Bereitschaft zur Quellenarbeit und eventuell zur Erarbeitung exemplarisch angelegter Studien zur Stadtgeschichte Göttingens im 19. Jahrhundert.

    Literatur: Wieland Sachse, Göttingen im 18. und 19. Jahrhundert. Zur Bevölkerungs- und Sozialstruktur einer deutschen Universitätsstadt, Göttingen 1987.



  • Oberseminar: Historische Anthropologie

    Dieses Oberseminar wird einerseits einen Überblick über die Entwicklung der Historischen Anthropologie seit den 1960er Jahren bis heute geben. Andererseits sollen die jüngsten Debatten über eine Neuperspektivierung der Kulturgeschichte im allgemeinen und der Historischen Anthropologie im Besonderen vorgestellt und diskutiert werden. Grundlage des Seminars ist die gemeinsame Lektüre klassischer theoretischer Texte (von Geertz über Zemon Davis bis Medick) sowie neuerer Debattenbeiträge. Daneben werden ausgewählte Beispiele aus der historischen Forschung besprochen, die sich im weitesten Sinn der Historischen Anthropologie zurechnen lassen.

    Literatur: Rebekka Habermas/Nils Minkmar (Hg.), Das Schwein des Häuptlings. Sechs Aufsätze zur Historischen Anthropologie, Berlin 1992; Kathleen Canning, Problematische Dichotomien. Der Begriff Erfahrung zwischen Narrativität und Materialität, in: Historische Anthropologie 10 (2002) H.2, 163?182; Norbert Schindler, Vom Unbehagen in der Kulturwissenschaft. Eine Polemik, in: ebd., 276?294.



  • Prof. Dr. Rebekka Habermas/Prof. Dr. Bernd Weisbrod
    Forschungskolloquium zur Neueren und Neuesten Geschichte




Lehrveranstaltungen von Dr. Alexandra Przyrembel


  • Seminar für fortgeschrittene Anfänger:
    Joseph Süß Oppenheimer, genannt "Jud Süß"


    Joseph Süß Oppenheimer (1698/99-1738) ist eine der meistbeachteten Gestalten der deutsch-jüdischen Geschichte: Im Jahr 1737 stand der ehemalige Hoffaktor u.a. wegen Majestätsbeleidigung und Hochverrat vor Gericht; ein Jahr später wurde er öffentlich hingerichtet. Aufgrund seiner wirtschaftspolitischen Erfolge als Hoffaktor des Herzogs von Württemberg galt er der historischen Forschung lange Zeit als "Prototyp des Hofjuden". Aus der historischen Figur ist in den letzten Jahrhunderten die literarische Gestalt "Jud Süß" geworden: Insbesondere die gleichnamige Novelle von Wilhelm Hauff aus dem Jahr 1827 prägte die antisemitische Rezeption von Joseph Süß Oppenheimer. Veit Harlan, dessen Hetzfilm "Jud Süß" 1940 mit großem Erfolg in den deutschen Kinos lief, wurde zu Beginn der 50er Jahre vom Hamburger Landgericht freigesprochen. In dem Seminar sollen sowohl die unterschiedlichen Deutungen der Figur in Literatur, Film und Essay als auch die Umstände des historischen Prozesses gegen Joseph Süß Oppenheimer untersucht werden.