"Das gute Geschirr?" Entwicklung und Wandel von Formenkreisen im mitteleuropäischen Barbaricum in der Zeit vom 1.-5. Jahrhundert n. Chr. − Keramik im Spannungsfeld zwischen Nordseeküste und Harz

Ivonne Baier

Im Mittelpunkt des Forschungsvorhabens stehen die Abgrenzung und räumliche Veränderung von archäologischen Formenkreisen im Kontaktbereich zwischen dem nordseeküstengermanischen, dem rhein-wesergermanischen und dem elbgermanischen Kulturkreis von der römischen Kaiserzeit bis in die Völkerwanderungszeit (1.-5. Jh. n. Chr.) in der Region zwischen Weser, Elbe, Nordsee und Harz. Diese Formenkreise sind zwar archäologische Konstrukte, spiegeln aber aufgrund ihrer jeweiligen Gemeinsamkeiten enge Kontakte der Menschen untereinander, sei es durch verbindende Traditionen und durch Kommunikation wider. Bei der Abgrenzung der römisch-kaiserzeitlichen Formenkreise im nordwestlichen Barbaricum spielt vor allem die Keramik eine besondere Rolle. Sie kommt in archäologischen Komplexen zahlreich vor und ist, im Gegensatz zu anderen Objekten der Sachkultur, nicht einer sozialen Elite vorbehalten. Als kurzlebige Gegenstände des alltäglichen Bedarfs waren Keramikgefäße einem steten Wandel unterzogen und sind als kulturelle "Leitfossile" unverzichtbar für die chronologische Untersuchung. Diese häufigste archäologische Fundgruppe dieser Zeit ist damit besonders geeignet, Kontinuität und Wandel, Kontakt oder Abgrenzung, Innovation und Beharrung, aber auch Identitäten abzubilden. Dabei sind nicht allein Gefäßformen und Verzierungen Teil kultureller Kommunikation, ebenso wichtig sind die eingesetzten Herstellungstechnologien, die verwendeten Tone und die spezifische Magerung. Dahinter verbergen sich tief verwurzelte haus- und handwerkliche Traditionsstränge, die kulturelle Kontakte, Abgrenzungen oder Zugehörigkeiten fassbar machen und Kommunikationsstrukturen aufzeigen. Vor diesem Hintergrund ist im Rahmen des beantragten Projektes vorgesehen, Keramikensembles, die typische Keramikgruppen des Arbeitsgebiets repräsentieren, morphologisch-typologisch und naturwissenschaftlich zu analysieren. Hierfür eignen sich besonders archäologische Siedlungsplätze, die im norddeutschen Tiefland zwischen den Flüssen Weser und Elbe liegen, kontinuierlich über 400 bis 600 Jahre bestanden haben, umfassend archäologisch untersucht wurden und darüber hinaus ein ausreichend großes und repräsentatives keramisches Fundspektrum aufweisen. Diese Kriterien sind für die Fundplätze Groß Meckelsen, Lkr. Rotenburg (Wümme) und Gielde, Lkr. Wolfenbüttel gegeben. Durch die Wahl dieser Fundplätze kann ein Bogen von der Nordseeküste bis zum Mittelgebirgsraum gezogen werden und ein bedeutender Teil des Übergangsbereichs der drei großen germanischen Kulturbereiche überblickt werden.

Das Projekt wird vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur im Rahmen seines Förderprogramms PRO*Niedersachsen gefördert.

siehe auch:

Jan Bock M.A. − Genese, Struktur und Entwicklung der kaiserzeitlichen und völkerwanderungszeitlichen Siedlung Groß Meckelsen, Ldkr. Rotenburg (Wümme)

Anke Matthes M.A. − "Am Hetelberg" bei Gielde, Ldkr. Wolfenbüttel, eine frühgeschichtliche Siedlung im nördlichen Harzvorland