Bericht zur Podiumsdiskussion: Cannabisverbot - eine betäubende Gesetzeslage?

„Wissenschaft findet nicht nur hinter verschlossenen Türen statt.“ Getreu diesem Motto hat es sich das Göttinger Zentrum für Medizinrecht zum Ziel gesetzt, die eigene Forschung zu aktuellen gesundheitspolitischen Themen einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Doch die Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen sollen nicht nur der einseitigen Information dienen: Responsivität - gerade im Bereich des oft mit sensiblen, höchstpersönlichen Belangen „aufgeladenen“ Medizinrechts – ist nicht nur hinreichende Voraussetzung für eine sämtliche Interessen berücksichtigende Rechtsetzungen, sondern trägt auch wesentlich zur Akzeptanz selbiger bei.

Aus diesem Bestreben heraus hat das Göttinger Zentrum für Medizinrecht in Kooperation mit der Demokratischen Aktion Fachschaft (DAF) erstmalig am 08. Mai, 18:00 Uhr c.t. interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer dazu eingeladen, im Rahmen einer öffentlichen Diskussionsrunde den Argumenten verschiedener Diskutanten zu lauschen. Thema der Veranstaltung war die hochbrisante, in Politik und Gesellschaft bisweilen hitzig debattierte Fragestellung, ob der sog. Freizeitkonsum von Cannabis legalisiert werden sollte, nachdem im letzten Jahr bereits der Gebrauch zu medizinischen Zwecken freigegeben wurde.

Nach einer kurzen Begrüßung sowie thematischen Einleitung zur geltenden Rechtslage (Welches Verhalten ist nach dem BtMG überhaupt strafbar? Wann liegt eine „nicht geringe Menge“ vor? Wann kann und wird in der Praxis von Strafverfolgung abgesehen werden?) durch die Moderatorin (Kristine Plank, Zentrum für Medizinrecht) stellte Frau Prof. Havemann-Reinecke (Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Universitätsmedizin Göttingen) in einem Referat den aktuellen Stand der medizinischen Forschung zu den Auswirkungen des Cannabiskonsums auf den menschlichen Körper dar und positionierte sich sogleich ablehnend zu einer möglichen Legalisierung. Im Anschluss daran bezogen auch die weiteren Teilnehmer Dr. Patrick Riebe (Notar und Fachanwalt für Strafrecht & Steuerrecht, Göttingen), Jochen Gebauer (Dipl.-Sozialarbeiter bei der Fachstelle für Sucht und Suchtprävention der Diakonie, Göttingen) und Konstantin Kuhle (Mitglied des Deutschen Bundestages für die FDP-Fraktion, Wahlkreis Göttingen) Stellung, wobei sich alle drei - in unterschiedlicher Nuancierung - für eine Neuregelung aussprachen.

Auf der einen Seite wurden gegen ein Bestehenbleiben der strafrechtlichen Kontrolle rechtstatsächliche Aspekte („gescheiterte Drogenpolitik“; „Missbrauch kann es immer geben.“) ins Feld geführt sowie an die Funktion des Strafrechts als „schärfstes Schwert“ des Staates erinnert, dessen Einsatz nach Ansicht der Liberalisierungsbefürworter in dem Falle einer selbstbestimmten Entscheidung von erwachsenen Konsumenten verfehlt wäre. Auf der anderen Seite wurden für eine weitere Pönalisierung zum einen medizinisch-präventive Argumente („physische Folgen höchst individuell und schwer vorhersehbar“; „Verharmlosung“; „Gefahr der Entwicklung psychopathologischer Erkrankungen bei regelmäßigem Konsum ab Jugendalter“) angeführt, zum anderen wurde bereits der staatliche Umgang mit der „legalen Droge“ Alkohol als gesellschaftsschädlich bezeichnet, weswegen keine weitere potenziell stark gesundheitsschädliche Droge in Verkehr gebracht werden dürfe.

Alles in allem waren die vertretenen Positionen - trotz teilweise leidenschaftlich vorgebrachter Statements aus Podium und Publikum - sehr differenziert. Es hat sich gezeigt, dass es einer wohlüberlegten Abwägung der widerstreitenden Argumente bedarf, welche die Entscheidungsträger in der Politik angesichts der schon umstrittenen Deutung medizinisch-psychologischer Grundfragen vor eine schwierige Aufgabe stellt. Dennoch hat die Veranstaltung nach Hoffnung des ausrichtenden Zentrums für Medizinrecht seinen Beitrag zur Aufklärung in der Debatte um das Cannabisverbot leisten können.

Photos von der Veranstaltung sind in der Rubrik „Aktuelles“ zu finden.