betreute Promotionen


  • Charlotte Prauß
    „Experten“ unterwegs? – oder, wie das koloniale Wissen an die Universität Göttingen kam. Vier biographische Skizzen

    Dass Universitäten eine überaus wichtige Rolle in der deutschen Kolonialgeschichte spielten, ist soweit Forschungskonsens. Denn mit der Katalogisierung, Klassifizierung und Auswertung, der im Außereuropäischen unter (meist) gewalthaften Bedingungen gesammelten Naturalia, Ethnologica, Zoologica, Botanica, anthropometrischen oder geographischen und klimatischen Datenreihen oder der human remains etablierten sich neue (Teil-)Disziplinen an Universitäten, wie die „Orientalistik“, Kolonialgeographie und -botanik oder Missionswissenschaft. Gleichzeitig verhalfen die scheinbar neuen „Entdeckungen“ europäischen Forscher:innen zur wissenschaftlichen Anerkennung.
    Im Mittelpunkt des Forschungsprojektes stehen vier solcher „Experten“, die um 1900 in den Kolonien oder über die Kolonien forschten und jenes Wissen an der Göttinger Universität verarbeiteten. Mit dem erstellten Wissen legitimierten und unterstützten sie einerseits das koloniale Projekt. Andererseits bot das Wissen aus den Kolonien den Forschern einen Raum, in dem sie sich wissenschaftlich profilieren konnten. Anhand der vier Biographien soll dargestellt werden, welches Wissen an die Universität Göttingen kam und welches nicht, welches dort bearbeitet und welches verschwiegen wurde und inwiefern jenes Wissen Auswirkung auf die Ausdifferenzierung der unterschiedlichen Disziplinen hatte. Nicht zuletzt wird gefragt: Wie involviert war die Göttinger Universität in das koloniale Projekt? Die Dissertation will am Beispiel der Georgia Augusta auf das koloniale Erbe der Universitäten aufmerksam machen und danach fragen, inwiefern dieses schwierige Erbe (europäische) Wissenschaft bis heute mitbestimmt.


  • Albert Feierabend
    Dolmetscher, Diplomaten und Schutzherren. Afrikanische Akteure auf frühkolonialen Expeditionen in Nord- und Westafrika

    Wenn europäische Reisende im 19. Jahrhundert über ihre Expeditionen schrieben, stilisierten sie sich gerne zu ungebundenen Entscheidungsträgern, die eigenständig über die Geschicke ihrer Unternehmungen bestimmten. Dieses Bild gilt inzwischen als überholt. Stattdessen wird betont, dass der Verlauf von Expeditionen von einem komplexen Gefüge unterschiedlicher Beteiligter mit verschiedenen Motiven und Zielen bestimmt wurde. Im Mittelpunkt dieses Dissertationsprojekts stehen außereuropäische Akteure, die an deutschen Expeditionen nach Nord- und Westafrika in den 1850er bis 1870er Jahren beteiligt waren. Dabei werden ihre Motive, Praktiken und ihr Einfluss auf die europäischen Unternehmungen analysiert. Gleichzeitig wird auch danach gefragt, wie die Lebenswelten dieser afrikanischen Akteure durch den Austausch mit Europäern verändert wurden. Die Arbeit will einen Beitrag zu einem neuen Verständnis von Expeditionen leisten: eines, das außereuropäische Akteure und Strukturen nicht als bloßes Objekt europäischen Handelns betrachtet, sondern das die Bedeutung von Austausch und wechselseitiger Beeinflussung – wie gleich oder ungleich dies auch immer zu gewichten ist – berücksichtigt.


  • Johanna Strunge
    Kolonialen Konsum ausstellen? Die Musealisierung ehemaliger Kolonialwarenläden seit den 1970er Jahren

    Debatten der letzten Jahrzehnte haben in vielen europäischen Ländern die eigene Kolonialvergangenheit ins Gedächtnis gerufen. Die Diskussion um die Provenienz ethnologischer Sammlungen in vielen Metropolen und das neu entstehende Humboldt Forumin Berlin haben dabei auch das Museum in den Fokus der Diskussion gerückt und die Frage nach post-kolonialen Kontinuitäten von musealen Räumen gestellt. Das Promotionsprojekt setzt hier an und geht der Frage von post-kolonialen Kontinuitäten in Museen anhand des Fallbeispiels deutscher Hafenstädte nach. Durch ihre Rolle im globalen Handel wurden diese oft zu Knotenpunkten im deutschen Kolonialismus und verfügen bis heute über eine Vielzahl an Museen, die koloniale Sammlungen bewahren und kolonialgeschichtliche Themen ausstellen. In historischer Rückschau wird die Vorgeschichte des seit einigen Jahren einsetzenden Umbruchs und Umdenkens in der Museumslandschaft untersucht und hierbeigefragt, wie sich das Wissen über die koloniale Vergangenheit seit den 1970er Jahren wandelte. Das Projekt soll Aufschluss darüber geben, wie sich dieser Wandel in Museumsausstellungen niederschlug und inwiefern dieser Wandel selbst Impulse aus Museumsräumen erfuhr.

  • Niklas Pelizäus
    Mit dem Phonographen in den Kolonien. Sammler außereuropäischer Musik und die Entstehung musikethnologischen Wissens im Deutschen Kaiserreich

    Das Dissertationsprojekt betrachtet die Aufnahme und Sammlung musikethnologischer Phonogramme als integralen Bestandteil musikethnologischer Wissensproduktion zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ein beträchtlicher Teil der zwischen 1900 und 1914 im Berliner Phonogrammarchiv zusammengetragenen und von den dortigen Vertretern der sich etablierenden Disziplin der Vergleichenden Musikwissenschaft untersuchten ethnographischen Tonaufnahmen entstammt der Tätigkeit verschiedener Kontaktleute in den deutschen Kolonien. Welchen Einfluss gerade die Sammlungspraxis dieser Akteure außerhalb der Disziplin gegenüber der reinen Auswertung der Phonogramme aus der Armchair-Perspektive auf das entstehende Wissen hatte, soll herausgearbeitet werden. Hierbei wird auch die Vermittlung zwischen den Wissenschaftlern in Deutschland und den Sammlern vor Ort – zwischen den Paradigmen der Disziplin und der Expertise «im Feld» – im Vordergrund stehen. Die Generierung von Wissen soll für die Vergleichende Musikwissenschaft bzw. Musikethnologie somit verstärkt als sozialer und kommunikativer Prozess in einem globalen Kontext verstanden werden, der unter speziellen technischen, theoretischen sowie medialen Voraussetzungen und Problemstellungen ablief.


  • Michael Schütte
    Zoologisches und botanisches Sammeln während der Lübecker Pangwe-Expedition (1907–1909) im heutigen Kamerun, Äquatorialguinea und Gabun

    Die Lübecker Pangwe-Expedition ist vor allem für ihre ethnographische Sammlung zu der damals als „Pangwe“ bezeichneten ethnischen Gruppe (heutige Fang) bekannt, die zwischen 1907 und 1909 in dem Gebiet des heutigen Kameruns, Äquatorialguineas und Gabuns im Auftrag des damaligen Museum für Völkerkunde zu Lübeck zusammengetragen wurde. Wenig bekannt ist, dass die Expedition mit Unterstützung des Botanischen und Zoologischen Museums in Berlin stattfand und trotz des explizit ethnographischen Vorzeichens ausgesprochen umfangreiche naturkundliche Sammlungen hervorbrachte, die aufgrund ihrer Größe und systematischen Zusammenstellung zur damaligen Zeit als herausragend galten. Das Dissertationsprojekt geht anhand einer Untersuchung der Hinterlassenschaften des Lübecker Ethnologen, späteren Botanikers und Leiters der Pangwe-Expedition Günther Tessmann (1884–1969) sowie seines Begleiters Hans Jobelmann (1888–1909) der Frage nach, wie und zu welchen Bedingungen die naturkundlichen Sammlungen entstanden sind. Anhand einer mikrohistorischen Analyse des Sammelns, Konservierens und des Transfers der naturkundlichen Objekte sollen hierbei Aussagen über die Verflechtungs- und Vernetzungsgeschichte des so gewonnenen Wissens in einem globalen und kolonialen Kontext getroffenen werden.


Sara Müller
„Eine wissenschaftliche Expedition an den Sepik. Objekte und der deutsche Kolonialismus in Papua-Neuguinea”

Ziel des Dissertationsprojekts ist die Rekonstruktion von Handelswegen und Netzwerken zwischen Deutschland und seiner ehemaligen Kolonie in Deutsch-Neuguinea, dem heutigen Papua-Neuguinea. Untersucht werden sollen jene Netzwerke und Handelswege, auf Objekte aus der Kolonialzeit, die auf die eine oder andere Art in die Ethnographische Sammlung der Universität Göttingen gekommen sind. Auf Grundlage dieser Objektbestände wird verschiedenen Fragen nachgegangen: Wie erwarben Europäer wie Europäerinnen und auch Einheimische Objekte in den Kolonien? Warum sind diese Objekte heute in Göttingen? Wie hat sich die Bedeutung der Objekte in diesem Transferprozess verändert? Welche Motive verfolgten die Akteurinnen und Akteure die Objekte produzierten/verschenkten/ verkauften/kauften oder sich gewaltsam aneigneten? Damit möchte die Dissertation zur Aufarbeitung der Deutschen Kolonialgeschichte in Ozeanien, sowie zur Aufarbeitung des kolonialzeitlichen Sammlungsbestandes der Ethnologischen Sammlung in Göttingen beitragen.

Annekathrin Krieger
Wissen global im Kaiserreich: Affen, Präparate und die Ausdifferenzierung der Zoologie

Nicht allein die Arbeiten Charles Darwins (1809-1882) sondern auch die Ankunft erster lebender Menschenaffen in europäischen Zoos und die Entdeckung des Gorillas im Jahr 1847 machten Menschenaffen zu einem breit in Öffentlichkeit und Wissenschaft diskutierten Thema und zu dem zentralen Objekt in der Frage: Wie viel Mensch steckt im Affen und wie viel Affe im Menschen? Das Dissertationsprojekt untersucht die Generierung und den Transfer von Wissen anhand von Menschenaffen, die tot und lebendig nach Deutschland gebracht wurden und spätestens nach ihrem Ableben der Forschung zur Verfügung standen. Gefragt wird nach Formen und Folgen des Transfers, nach Praktiken, wie der Präparation der Tiere und der Bedeutung verschiedener Akteure im Prozess der Wissensgenerierung, in dessen Verlauf aus Tieren/ Affen wissenschaftliche Objekte wurden. Unter Berücksichtigung aktueller Forschungsfragen aus dem Bereich material turn und postcolonial animal turn soll neben schriftlichen Quellen auch die Präparate selbst untersucht werden.
Mette Bartels
Geschlecht und Klasse als Agitationsstrategie. Die bürgerliche Frauenbewegung und ihr Kampf um (neue) Berufsfelder im deutschen Kaiserreich

Im Zentrum des Dissertationsprojekts steht die bürgerliche Frauenbewegung, die sich um 1900 mit dem gemäßigten und dem radikal-fortschrittlichen Flügel in zwei scheinbar konträre Strömungen entwickelte. Inwieweit beide Fraktionierungen tatsächlich als trennscharf voneinander abgrenzend zu betrachten sind, ist eine meiner Fragen, die durch die beispielhafte Analyse von Debatten um weibliche Berufstätigkeit werden soll. Die Debatten um die Berufsetablierung von Frauen als Gefängnisbeamtinnen, Fotografinnen und Gärtnerinnen sowie die Mitarbeit von Haushaltungslehrerinnen in der kommunalen Alkoholprävention erlauben nicht nur Einblicke in zeitgenössische Fraktionierungen, sondern auch – so eine Ausgangsüberlegung – dass stets genauso über Geschlechter- wie über Klassenordnungen diskutiert wurde. Durch die Analyse von Argumentationslinien und -strategien soll erstens die Auslotung von Klassen- und Geschlechtergrenzen untersucht werden und zweitens der Frage nachgegangen werden, wie jene Diskurse die bewegungsinternen Richtungskämpfe, Grenzziehungen und Anknüpfungspunkte zwischen radikalem und gemäßigtem Flügel beeinflussten. Dabei will die Studie eine makrohistorisch angelegte Diskursanalyse mit einer mikrohistorischen Tiefenbohrung in einer ländlichen Region des heutigen Niedersachsens verbinden, da die Frauenbewegung auch im ländlichen Raum und in Kleinstädten eine größere Rolle spielte als dies bisher in der Forschung deutlich wurde.
Yovita Vokalavene
The Role of African Women in the First Wolrd War (1914-1918) in German East Africa

World War I is one of the key landmarks of global history. Although it started in Western Europe, many other countries outside Western Europe were involved. It is in this context that Germany East Africa (Rwanda, Burundi and Tanganyika) a Germany colony since 1885, got involved in the war. The dissertation investigates the roles played by African women in WWI in Tanganyika and the importance of those roles. The aim is to contribute to a decentred and gender sensitive understanding of WW I, as well as to the ongoing discussion on historical gender relations in African societies.
Fränkin Diss 2 Sarah Frenking
"Sämtliche über die Landesgrenze eintreffenden Eisenbahnzüge sind zu kontrollieren...". Praktiken der Grenzregime an der deutschfranzösischen und deutsch-niederländischen Grenze 1880 - 1920.

Die Annahme von der Grenze als "permeabler Membran" und eines age of free migration für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg bestimmt das Bild über die westeuropäischen Grenzregime um 1900. Doch wie passt diese (vermeintliche) Offenheit mit der Hochphase des westeuropäischen nationbuilding zusammen? Das Dissertationsprojekt fragt nach der der Entwicklung und dem Wandel von Praktiken der Grenzkontrolle. Dabei wäre sowohl Geschlecht zu berücksichtigen, als auch antisemitische und antiziganistische Kategoriebildung sowie etwa (wiederum vergeschlechtlichte) Diskurse über Schmuggel und Spionage. Als Kultur und Geschlechtergeschichte der Verwaltung und des Politischen geht es um den Wandel der bürokratischen Praktiken (mit Augenmerk auf die spezifische Vernunft der "Migrationsverwalter" und die Materialität von Akten). Der Blick auf die Akteure (auch als "Männer des Nationalstaates") sowie das jeu d'échelles, das Globales, Nationales und Lokales in Beziehung setzt, soll einen kritischen Beitrag zur (Geschlechter)Geschichte der Grenzen und des nationbuilding in diesem Zeitraum ermöglichen.
bondi rr Daniel Ristau
dristau at gwdg.de
BeziehungsWeise - Vernetzung und Entflechtung als Praxis und Imagination: Das Beispiel der jüdischen Familie Bondi (1790-1870).
Das Promotionsprojekt untersucht die Vernetzungs- und Entflechtungsprozesse der Mitglieder des grenzübergreifenden Verwandtschaftsnetzes der jüdischen Familie Bondi zwischen etwa 1790 und 1870. Die Arbeit setzt das "Jüdische" ihres Gegenstandes als Begründungs- und Erklärungskategorie nicht schon von vornherein als gegeben voraus, sondern hinterfragt dessen Bedeutung und Erklärungspotential ebenso, wie jenes der bereits in anderen Forschungskontexten aufgeworfenen Kategorien -"Geschlecht" und "Lebenswelt".
Wetjen Labor Karolin Wetjen
karolin-wetjen at t-online.de
Mission und Moderne. Theologische Diskurse zwischen Afrika und Europa am Ende des 19. Jahrhunderts
Das Dissertationsprojekt, das an der Schnittstelle von Missions-, Religions-, Theologie- und Wissensgeschichte angesiedelt ist, fragt am Beispiel der ev. luth. Leipziger Missionsgesellschaft und ihrer Arbeit unter den Chagga im Gebiet des Kilimandscharo in einer Verbindung diskursanalytischer und mikrohistorischer Ansätze nach dem Austausch und Transfer von religiösen Wissensbeständen zwischen Mission, Theologie und Öffentlichkeit des Deutschen Kaiserreichs zwischen 1890 und 1914. Unter dem heuristischen Fokus des "Christianity Making" sollen Aushandlungsprozesse vom Christentum in der Mission und deren Verflochtenheit mit (theologischen) Debatten im Kaiserreich aufgezeigt werden. Es wird gefragt, wie und in welcher Gestalt das Christentum in der Mission vermittelt wurde, und zwar in Abgrenzung zu "anderen" religiösen Praktiken und zum Säkularen. Die Äußere Mission, so soll gezeigt werden, trug als Vorposten konservativer Theologie dazu bei, Vorstellungen einer alternativen Moderne zu entwickeln.
Reik Jagno
reik.jagno at stud.uni-goettingen.de
Deutsche "o-yatoi gaikokujin" im Japan der Meiji-Zeit
Im Jahr 1853 endeten für das Inselreich Japan 200 Jahre einer selbstgewählten Isolation vom Rest der Welt. Nach mehreren innenpolitischen Umstürzen wurde das Land im Rahmen der Meiji-Restauration komplett reformiert. Um schnell Anschluss an die restliche Welt zu finden, berief die japanische Regierung Ausländer in ihr Land, sogenannte "o-yatoi gaikokujin", welche die Reformation der Bildung nach westlichem Vorbild leiten sollten. In diesem Rahmen wurden auch Deutsche, wie z.B. der Göttinger Professor Max Fesca und der Göttinger Student Gottfried Wagener, nach Japan berufen. Einige dieser Spezialisten haben derart umfangreiche Aufbauarbeit geleistet, sodass sie dort bis heute im kollektiven Gedächtnis verankert sind. Diese Dissertation untersucht eine Auswahl dieser Deutschen und stellt den von ihnen betriebenen Wissenstransfer zwischen den beiden Ländern dar.
Kreye Diss Lars Kreye
l.kreye at gmx.net
"Deutscher Wald" in Afrika. Konflikte um naturale Grundstoffe im 19. Jahrhundert - transnationale Perspektive
Die Dissertation beschäftigt sich als eine Verbindung von "Transnationaler Geschichte" und "Historischer Ökologie" mit grenzüberschreitenden Prozessen von Umweltveränderungen in kolonialen Gebieten des 19. Jahrhunderts und deren zeitgenössischer Wahrnehmung. Im Kern geht es um die Herkunft und Anwendung von Technologien zur Nutzung des Umweltmediums Wald sowie die ökologischen, sozialen und kulturellen Folgen der Implementierung von Formen der modernen Forstwissenschaft unter kolonialen Bedingungen. Dabei werden Konflikte innerhalb der kolonialen Verwaltung, der Forstwissenschaft und mit der lokalen Bevölkerung hinsichtlich unterschiedlicher Vorstellungen zur Nutzung der Umwelt untersucht.
Die Arbeit wurde mit dem Boehringer Ingelheim Preis für Geisteswissenschaften im Mai 2022 ausgezeichnet.
Björn Klein
bklein at gwdg.de
Self-writing around 1900 – Fractured identities in New York City
Das Dissertationsprojekt erforscht die Vorgeschichte zum gegenwärtigen Verständnis von Transgender Identitäten und Praktiken. Durch die methodische Verbindung von Interdiskursanalyse und Ansätzen aus der Emotional History soll den Transgender Subjektformen in New York um 1900 nachgegangen werden. Durch die Analyse von medizinischen und juridischen Quellen, populärkulturellen Zeitungen und Zeitschriften und nicht zuletzt den Aufzeichnungen von Transgender Personen selbst, wird das Projekt die Wahrnehmung, Sinnstiftung und (Selbst-)Deutung der Subjekte in den Blick nehmen.
Nives Kinunda Ngullu
Negotiating Women’s Labour: Women Farmers, State, and Society in the Southern Highlands of Tanzania, 1885-2000

This project studies the relationship between state and society in the exploitation of women labour in the farming system particularly in the southern highlands of Tanzania (1900-2000). Generally women have been the main provider of labour in the agriculture sector in all historical epochs. Furthermore women's work has not been rewarded accordingly due to various practices and conditions. Governments have been blind as far as women's labour processes are concerned. As a result of this women have been living in low standard of life and marginalization from their potential properties. This study intends to document this historical process and examine the way women labour resources were exploited in farming system and how the state and the society are responsible for the status. This historical research concentrates on three districts namely Makete, Mbinga and Mbozi located in Njombe, Ruvuma and Mbeya regions respectively from 1900 to 2000.
Katja Jana kjana at gwdg.de
Alle unter einen Hut? Männlichkeiten im späten Osmanischen Reich und der frühen türkischen Republik im Spannungsfeld von Nationalismus und Kolonialismus
1925 wurde im türkischen Parlament ein Gesetz verabschiedet, dass das Tragen aller Kopfbedeckungen außer dem "europäischen Hut" verbot. Die sogenannte "Hutrevolution" war Teil des kemalistischen Modernisierungsprogramms und somit ein wichtiger, wenn nicht wesentlicher Bestandteil des türkischen Nation-Building, der ein beträchtliches Maß an Widerstand hervorrief. Ausgehend von diesem Gesetz werde ich mich in meiner Dissertation den Kontroversen um Kopfbedeckungen, Kleidung und damit verbundenen Körperpraktiken im Osmanischen Reich und der Türkei vor und nach der Hutreform widmen. Ich gehe der Frage nach, inwiefern die Diskurse um Verwestlichung und Modernisierung und die damit einhergehende Dichotomie von Okzident vs. Orient in Männlichkeitskonzepten ihren verkörperlichten Ausdruck finden und welche Konsequenzen dies für die konkrete Ausgestaltung politischer Projekte und Gesellschaften hatte. Die Dissertation ist hier einsehbar.
Paul Michael Kurtz
Kaiser, Christ, and Canaan: The Religion of Protestant Germany, 1871-1918

Die Arbeit, untersucht was wilhelminische Gelehrte in Bezug auf Altisrael unter dem Begriff Religion verstanden haben, wie sie bei der Erforschung dieses Konzeptes vorgingen und warum sie ihre Forschung in der Weise betrieben haben, wie sie es taten. Exemplarisch werden werden Julius Wellhausen (1844-1918) und die Quellenkritik, Hermann Gunkel (1862-1932) und der Kulturvergleich und Rudolf Kittel (1853-1929) und die Einbeziehung der Archäologie analysiert. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie soziale sowie biographische Einflüsse die fachliche Entwicklung des Wissenschaftlers geprägt haben, wie sich die Arbeit an der Religionsgeschichte Altisraels in das akademische Gesamtwerk und die entsprechende berufliche Karriere einordnet und wie jeweils umfassendere begriffliche Konzeptionen den Einsatz spezifischer methodischer Ansätze zur Rekonstruktion einer historischen Religion gerechtfertigt haben.
Templin Christina Templin
Christina.Templin at web.de
Medialer Schmutz. Eine Skandalgeschichte des Nackten und Sexuellen im Deutschen Kaiserreich 1890-1914
Um 1900 häuften sich im Deutschen Kaiserreich Skandale um die Darstellung von Nacktheit und Sex in unterschiedlichen Medien. Die medialen Ordnungen des Darstellbaren und die medial transportierten sexualmoralischen Normen wurden nun zunehmend zu einem öffentlich verhandelten Problem. Christina Templin analysiert erstmals systematisch diese in breiter Medienöffentlichkeit verlaufenden Skandale mit Blick auf die medialen Grenzziehungsprozesse, die in ihnen aufgebrachten Deutungsmuster und die aus den Konflikten resultierenden Dynamiken. Die Studie leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Sexualitäts- und Mediengeschichte des Kaiserreichs.
Giulia Frontoni
Giulia.Frontoni at mail.uni-goettingen.de

Das weibliche Engagement in den Revolutionen 1848/49 nahm unterschiedliche Gestalt an. In aller erster Linie vertraten gebildete Frauen des Bürgertums (insbesondere im deutschsprachigen Raum) bzw. aus der Oberschicht (in Italien), ihre Meinung in der Öffentlichkeit und hatten Zugang zu einer breiten Vielfalt von Informationen. Durch Zeitungslesen und Briefwechsel konnten nationale Grenzen überwunden werden, und auch Frauen nahmen an diesem Gedanken- und Wissenstransfers teil. In meinem Projekt habe ich die Bedeutung dieses Kommunikationsnetzwerkes untersucht, das auch zum politischen Bewusstsein der adligen und bürgerlichen engagierten Frauen beitrug. Die Dissertation ist hier einsehbar.
Schallmann Jürgen Schallmann
schallmannsjuergen at gmx.de
Arme und Armut in Göttingen 1860-1914
Das vorliegende Projekt soll - am Beispiel Göttingens - die Praxis der Armenpflege im 19. Jahrhundert untersuchen. Wann wurden welche Hilfen gewährt, welche Rolle spielten soziale Netzwerke und welche Kenntnisse von Personen und bürokratischen Verfahrensweisen waren unerlässlich, um die gewünschte Hilfe zu bekommen?. Ziel des Projektes ist es, durch eine Fokussierung auf die verschiedenen Unterstützungsinstitutionen und die "Armen" gleichermaßen die Dynamik zwischen beiden Seiten herauszustellen und eine neue Perspektive auf die Frage, welche Formen des Umgangs mit sozialer Ungleichheit es im 19. Jahrhundert gab, zu werfen.
Hauser Julia Hauser
jckhauser at web.de

Gegenstand des Projekts ist die Untersuchung der 1851 einsetzenden Erziehungsarbeit der Kaiserswerther Diakonie im Osmanischen Reich bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, wobei nach der Spezifität der von Kaiserswerth propagierten geschlechtsspezifischen Erziehungskonzepte gefragt werden soll. Damit versteht sich das Projekt als ein Beitrag zu einer Forschung, die nach den kulturellen Implikationen missionarischer Arbeit fragt. Basierend auf der reichhaltigen Überlieferung an Egodokumenten soll Mission aus einer geschlechtergeschichtlich und mikrohistorisch orientierten Perspektive als eine, wenngleich asymmetrisch geprägte, interkulturelle Begegnung analysiert werden. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Untersuchung der sehr weit verbreiteten a la mode Denkschriften. Sie wurden als Teil einer sich neu formierenden Hofkultur auf ihre soziale und kulturelle Bedeutung hin befragt.
Ortmann Alexandra Ortmann
alexandra_ortmann at web.de
Machtvolle Verhandlungen. Zur Kulturgeschichte der deutschen Strafjustiz 1879 - 1924.
In diesem mikrohistorischen Dissertationsprojekt wurde mit Hilfe von Strafprozessakten analysiert, welche Kenntnisse juristische Laien durch die Öffentlichkeit der Strafverfahren und die aufkommende Massenpresse über Gerichtsverfahren, Deliktarten, Strafen und Rechtslogiken hatten. Mit welchem Verhalten meinten Söldner, Lehrerinnen oder Schuhmachergehilfen, vor Gericht als ZeugInnen erfolgreich zu sein? Auf welche Weise wirkten Mägde, Pfarrer oder Kaufleute als Angeklagte am "dispute process" mit? Das Projekt nimmt dabei eine kriminalitäts-, sozial- und kulturhistorische Perspektive ein und orientiert sich an diskursanalytischen Ansätzen.
Gerst Christoph Gerst
gerst77 at gmx.de
Hexenverfolgung und Juristerei. Der Spruchkörper der Helmstedter Juristischen Fakultät, der Wolfenbüttler Hofrat und die Hexen in den welfischen Gebieten des 17. Jahrhunderts
Im Mittelpunkt des Projektes stehen die Hexenprozesse, die im 17. Jahrhundert auf dem Herrschaftsgebiet der welfischen Herzöge zur Anklage gebracht wurden. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf die juristischen Experten gelegt, die bei kniffligen Rechtsfragen hinzugezogen wurden. Insbesondere geht es um den Spruchkörper an der Universität Helmstedt und den Wolfenbüttler Hofrat.
Raeisanen Päivi Räisänen
Taufer und Taufergesinnte in Württemberg im 16. und 17. Jahrhundert
Die Taufer und Taufergesinnten in Württemberg wurden vor dem Hintergrund ihrer ländlichen Lebenswelt auf ihre religiösen Deutungen wie aber auch hinsichtlich ihrer sozialen Positionierung in der dörflichen Gesellschaft des 16. und 17. Jahrhunderts untersucht.
Hoelzl wald Richard Hölzl
rhoelzl at gwdg.de
Der Wald im 19. Jahrhundert als ökologischer, sozialer und kultureller Konfliktraum. Auseinandersetzungen um den Zugang zum Wald und dessen gesellschaftliche Wahrnehmung aus umwelt-, sozial- und kriminalitätshistorischer Perspektive
Im Zentrum dieser regionalgeschichtlichen Dissertation steht das Massendelikt des "Forstfrevels", welches vor dem Hintergrund der Ausbildung der 'rationellen Forstwissenschaft' und dem Entstehen der modernen Forstwissenschaft zum einen, dem sich wandelnden Umgang mit dem Wald zum anderen und vor dem Hintergrund der sich verändernden Eigentumsordnung drittens untersucht werden soll. Mit dieser Verkoppelung von umwelt- und kriminalitätsgeschichtlichen Perspektiven wurden gleichsam die Hobsbawmsche These vom 'Sozialrebellentum' und die Überlegungen von Dirk Blasius zur frühen Klassenbildung überprüft.
Tamara Frey
tamara.frey at phil.uni-goettingen.de
Heiraten per Annonce. Eine Analyse von Kontaktanzeigen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Heiratsinserate können über die in einer Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit bestehenden Normen und Leitbilder Aufschluss geben, indem sie Einblick in die Kriterien der Partnerwahl ermöglichen, aber ebenso in die Art und Weise der Selbstdarstellung der Inserenten. In einer Zeit, die durch sich verändernde Rahmenbedingungen von der Formierung der "modernen" Gesellschaft geprägt ist, wurden in den Heiratsgesuchen gegenseitige, aber auch an sich selbst gerichtete Rollenerwartungen formuliert und ausgehandelt. Hier wurden Charakterisierungen und Zuschreibungen vorgenommen, die handlungsrelevante Geschlechterbilder und -ordnungsvorstellungen und damit auch Machtbeziehungen re-/produzierten. Das Dissertationsprojekt untersucht diese Kontaktanzeigen als performativen Raum.
Brockmeyer Bettina Brockmeyer
bettina.brockmeyer at web.de
Schreibweisen des Selbst. Zur Geschichte der Wahrnehmungen und Darstellungen von Körper und Gemüt um 1830
Im Zentrum der Arbeit steht die Frage nach Konstruktion und Erfahrung von Körper und Geschlecht in Bezug auf Ausdrucksformen und dargestellte Lebenspraxis von Frauen und Männern. Selbstzeugnisse, die Körperwahrnehmungen thematisieren, bilden die Quellengrundlage der Untersuchung. Methodisch orientiert sich die Arbeit sowohl an diskursanalytischen Ansätzen als auch an Erfahrungsgeschichte.
Bueschel Hubertus Büschel
hubertus_bueschel at web.de
"Untertanenliebe" - Der Kult um deutsche Monarchen 1770-1830.
Das Dissertationsprojekt untersucht den bürgerlichen Kult um die Monarchie in Preußen, Bayern, Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Coburg-(Saalfeld) und Gotha zwischen 1770 und 1830. Unter Kult werden dabei pompöse feierliche Rituale und persönliche "Passionen", wie das Sammeln monarchischer Reliquien, verstanden. Ziel der Dissertation ist es, anhand von Analysen der individuellen Wahrnehmung einzelner Untertanen bis zur psychischen Bedeutung des Kults um "ihren" Monarchen vorzustoßen, um damit die Tiefenschichten eines der zentralsten bürgerlichen "emotionalen Werte" um 1800 freizulegen - der "Untertanenliebe".
Shevchenko Nadezda Shevchenko
nchevtc at imprs-hist.mpg.de
Eine historische Anthropologie des Buches. Bücher in der preußischen Herzogsfamilie zur Zeit der Reformation
Im Rahmen dieser Dissertation werden die herzoglichen Bibliotheken und die auf den preußischen Hof bezogenen Prozesse der Buchherstellung und der Bucherwerbung im 16. Jahrhundert untersucht. Im Mittelpunkt der Analyse steht der Umgang mit dem Buch, dessen räumliches Platzieren und die Einbettung in die anderen höfischen Lebenswelten.