CHE-Studie: Verankerung von Familiengerechtigkeit auf Leitungsebene hilft Hochschulen in und nach der Corona-Pandemie

Studie des Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) zur Vereinbarkeit von Beruf, Studium und Familie in der Corona-Pandemie. Beispiele der Universität Göttingen wurden als Good Practices aufgegriffen.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie stellen Hochschulpersonal und Studierende mit Familienverantwortung vor große Herausforderungen. Eine aktuelle Publikation des CHE Centrum für Hochschulentwicklung zeigt, welche Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bzw. Studium sich in der aktuellen Krise bisher bewährt haben. Gemeinsam mit dem Verein Familie in der Hochschule plädiert das CHE deshalb u.a. dafür, das Thema Familiengerechtigkeit flächendeckend und dauerhaft auf höchster Leitungsebene zu verankern.
Der Verein „Familie in der Hochschule“ hat gemeinsam mit dem CHE die aktuelle Pandemie-Situation zum Anlass genommen, die Familienorientierung an Hochschulen auf den Prüfstand zu stellen und Verbesserungsvorschläge zu ermitteln. Hierzu befragten die Autor*innen der Untersuchung im Sommer 2020 Personen, die für das Themenfeld Familiengerechtigkeit an deutschen Hochschulen verantwortlich sind. Im Fokus standen dabei familienorientierte Strukturen, die sich während der Pandemie an den Hochschulen besonders bewährt haben oder in dieser Zeit neu entwickelt wurden.

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In der CHE-Studie werden Maßnahmen der Universität Göttingen, die seit 2014 Mitglied im Verein „Familie in der Hochschule“ ist, beispielhaft als Good Practice genannt: So konnte während der Corona-bedingten Schließungen von Kindertagesstätten und Schulen relativ schnell die universitäre Notfallbetreuung, die eine 1:1 Betreuung am Wohnort des Kindes vorsieht, angeboten werden. Das Lern- und Studiengebäude der Universität konnte aufgrund des kontaktarmen Buchungs- und Schließsystems früh wieder öffnen, was Studierenden einen ungestörten Lernort ermöglichte. Studierende mit Kind(ern) wurden bei der Vergabe der Räume besonders berücksichtigt. Auch die flexiblere Handhabung der Beurlaubungsmöglichkeit aufgrund fehlender Kinderbetreuung (auch für ältere zu betreuende Kinder) sowie die seit längerem bestehende Möglichkeit, während der Beurlaubung 50 % der Studienleistungen zu erbringen, half Studierenden mit Kind(ern), die Vereinbarkeit von Studium und Familie in der Pandemie zu bewältigen.
Positiv hervorgehoben werden zudem Maßnahmen für Beschäftigte zur Kompensation fehlender Kinderbetreuung bzw. fehlendem Pflegepersonal: insbesondere die Flexibilisierung der Arbeitszeit, die Möglichkeiten des Homeoffice sowie die universitätsinterne Freistellungsoption (10 Tage mit Entgeltfortzahlung).
Ebenfalls gelobt wird die umfangreiche Informationsseite der Universität Göttingen zu Vereinbarkeit, Chancengleichheit und Diskriminierungsschutz während der Pandemie, die kontinuierlich aktualisiert wurde.
Laut Studie waren während der Pandemie diejenigen Hochschulen im Vorteil, bei denen das Thema Familiengerechtigkeit strukturell in Form einer Familienservicestelle oder auf Leitungsebene personell verankert war. Für diese Hochschulen war es leichter, ad hoc neue Unterstützungsinstrumente zu schaffen oder bestehende Maßnahmen auszubauen.
Eine weitere Erkenntnis der Pandemie ist, dass eine Flexibilisierung auch in der Hochschulverwaltung in deutlich stärkerem Maß möglich ist als bisher angenommen. Angesichts der Studienergebnisse erscheint die bisherige Annahme, dass für Verwaltungstätigkeit Präsenz erforderlich ist, überholt. Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Verwaltung gibt es in vielen Fällen Tätigkeiten, die eine Arbeit im Homeoffice ermöglich.
Die Karriereförderung und Personalentwicklung sind Bereiche, in denen während der Pandemie Missstände und Entwicklungsbedarfe besonders deutlich ins Blickfeld gerückt sind. So wurde die bereits bestehende Benachteiligung von Professorinnen und weiblichem wissenschaftlichem Nachwuchs durch die Doppelbelastung während der Pandemie besonders offenkundig. Die sogenannte Care-Arbeit (Pflegetätigkeiten oder Kinderbetreuung) wurde in dieser Zeit vermehrt von Frauen aufgefangen.
Daher fordern sowohl der Verein „Familie in der Hochschule“ als auch Frank Ziegele vom CHE, dass die Honorierung von Care- und Gremienarbeit, wie sie an einigen Hochschulen bereits für den Bereich Leistungsbeurteilung diskutiert wird, auch in Berufungs- und Einstellungsverfahren praktiziert werden sollte. Nur so könne die enorme zeitliche und logistische Leistung der Wissenschaftler*innen mit familiären Verpflichtungen gewürdigt und ihr berufliches Fortkommen im Wissenschaftsbetrieb gesichert werden.