SoSe 2000


  • Vorlesung: Der Vormärz

    Im Mittelpunkt der Vorlesung stehen die Jahrzehnte zwischen den Napoleonischen Kriegen und der Revolution von 1848/49: die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Strukturbedingungen und Umbrüche des Vormärz. Ziel ist es, die Dynamik zwischen Aufbruch und Beharrung in all ihren unterschiedlichen Aspekten herauszuarbeiten. Der Überblick über die politische Entwicklung behandelt: die ersten Verfassungen, Städte- und Gemeindeverordnungen; die Arbeitsweise der neuen Länderparlamente sowie der kommunalen Selbstverwaltungsorgane; die Entstehung des deutschen Liberalismus, des vormärzlichen Radikalismus und Konservatismus inner- und außerhalb der Parlamente; die Entstehung neuer Formen politischer Öffentlichkeit im Bürgertum; die politischen und sozialen Konflikte in den unteren Schichten (Hungerrevolten, der Weber-Aufstand und Agrarproteste). Die Darstellung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung behandelt: die Veränderungen der Lebensverhältnisse insbesondere des Handwerks, aber auch der neuen Schicht der Akademiker und von Teilen der ländlichen Bevölkerung einerseits, andererseits die Etablierung einer neuen, schmalen Schicht von Manufakturbesitzern und Großbauern, die neue Formen des Wirtschaftens entwickelten (den Agrar- und Frühformen des Industriekapitalismus). Schließlich werden die kulturellen Umbrüche und die religiösen Veränderungen untersucht: die steigende Alphabetisierung, ein sich veränderndes Leseverhalten, die neue Bedeutung von Bildung und eine sich ausdifferenzierende Frömmigkeit, die nicht selten zu gewalttätigen Konflikten führte.

    Literatur: Wolfgang Hardtwig, Vormärz. Der monarchische Staat und das Bürgertum, München 1997.



  • Proseminar: Die Geschichte der Familie im 19. Jahrhundert

    Das Proseminar soll einen ersten Einblick in die Gesellschaft des 19. Jahrhunderts geben. Am Beispiel der Geschichte der Familie im 19. Jahrhundert werden neben verschiedenen Quellentypen (Ego-Dokumente, Haushaltsbücher, statistische Quellen, Bilder, Zeitungsartikel, Gesetzestexte) die zentralen Fragestellungen und Methoden der Politik- und Sozialgeschichte, der Mentalitätsgeschichte, der Historischen Anthropologie und poststrukturalistischer Ansätze entwickelt. Gleichzeitig wird die Gesellschaft des 19. Jahrhunderts unter familiengeschichtlichen Fragestellungen beleuchtet: Wie verändern sich die Familien in der ländlichen Gesellschaft, in den städtischen Unterschichten, im Bürgertum und im Adel?

    Literatur: Martine Segalen, Die Familie. Geschichte, Soziologie, Anthropologie, Frankfurt a.M./New York 1990, 1?282; Leonore Davidoff/Megan Doolittle/Janet Fink/Katherine Holden, The Family Story. Blood, Contract, and Intimacy, 1830?1960, London 1999, 1?183.



  • Hauptseminar: Rechtsordnung und Kriminalität in der Gesellschaft des 18. und 19. Jahrhunderts

    Im Mittelpunkt des Seminars steht die Veränderung des Umgangs mit Kriminalität vor dem Hintergrund des entstehenden modernen Rechtsstaates. Untersucht werden die quantitative und qualitative Entwicklung einzelner Delikte (beispielhaft: Holzdiebstahl und vorehelicher Geschlechtsverkehr) ebenso wie die Veränderung der sozialen Zusammensetzung der Angeklagten. Hier wird auch nach dem Wandel des Rechtsbewußtseins zu fragen sein, insbesondere in den unteren Schichten, aus denen das Gros der Täterinnen und Täter stammte: Veränderten sich mit dem 19. Jahrhundert die Vorstellungen von Eigentum oder von körperlicher Integrität? Warum galt Holzdiebstahl auch im 19. Jahrhundert in weiten Teilen der Bevölkerung nicht als Rechtsverstoß, und wie wurde mit Unehelichkeit umgegangen? Neben den Delinquenten und Delinquentinnen sollen die Juristen in den Blick genommen werden. Sie entwickelten gegen Ende des 18. Jahrhunderts ein neues, professionelles Selbstverständnis und traten überdies mit einem umfassenden Forderungskatalog an die Öffentlichkeit: Strafgesetzbücher, Prozeßordnungen und die Organisation der Exekutivorgane wie der Strafvollzug sollten auf die Grundlage rechtsstaatlicher Prinzipien gestellt werden. Aber ging es bei diesen Reformforderungen, die schließlich auch teilweise erfüllt wurden, wirklich in erster Linie um die Durchsetzung von Rechtsgleichheit und Rechtssicherheit und damit um die leitenden Ideen des modernen Rechtsstaates? Weiter: Wie wirkten sich die neuen Strafgesetzbücher und Prozeßordnungen auf die Praxis der Rechtsfindung vor Gericht aus? Wie veränderte die Reorganisation der Exekutivorgane die faktische Strafverfolgung, konnte damit wirklich mehr Staatlichkeit vor Ort durchgesetzt werden? Schließlich: Welche Folgen hatte die Reform des Strafsystems und -vollzugs (Abschaffung des öffentlichen Vollzugs der Todesstrafe, Geburt des Gefängnisses) für die Delinquenten und Delinquentinnen?

    Literatur: Richard Evans, Szenen aus der deutschen Unterwelt. Verbrechen und Strafe 1800?1914, Reinbek bei Hamburg 1997; Andreas Blauert/Gerd Schwerhoff (Hg.), Mit den Waffen der Justiz. Zur Kriminalitätsgeschichte des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 1993; Dirk Blasius, Bürgerliche Gesellschaft und Kriminalität. Zur Sozialgeschichte Preußens im Vormärz, Göttingen 1976; Uwe Wesel, Geschichte des Rechts, München 1997, 347?467.



  • Lektürekurs: Französische Mentalitätsgeschichte

    Auf der Grundlage der gemeinsamen Lektüre der neuesten Untersuchung von Alain Corbin sollen Kernfragen und Probleme nicht nur der französischen Mentalitätsgeschichte diskutiert werden. Erörtert werden thematische Schwerpunkte, theoretische Prämissen, Formen der Quellenauswahl wie
    -interpretation und Darstellungsformen. Vorausgesetzt wird Interesse an Fragen der Geschichtstheorie.

    Literatur: Alain Corbin, Auf den Spuren eines Unbekannten. Ein Historiker rekonstruiert ein ganz gewöhnliches Leben, Frankfurt a.M./New York 1999.






  • Proseminar: Das 'Beamtentum' in der frühen Neuzeit

    Gegenstand des Seminars, das im übrigen in die Arbeitsweisen der Frühneuzeitgeschichte einführen will, sollen jene Fürstendiener sein, die auch als Beamte bezeichnet wurden, mit den Vertretern des modernen Staatsbeamtentums indes nicht gleichgesetzt werden dürfen. Es ist geplant, anhand von ausgewählten Quellen die rechtliche und dienstliche Stellung sowie die soziale bzw. ständische Lage der Beamten und ihrer Familien, aber auch ihre Verhaltensweisen und ihre Selbstwahrnehmung zu untersuchen.

    Literatur: Wolfgang Reinhard (Hg.), Power Elites and State Building, Oxford u.a. 1996; Anton Schindling, 'Verwaltung', 'Amt' und 'Beamte' in der Frühen Neuzeit, in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Kosellek (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, 8 Bde., Stuttgart 1972?1997, Bd. 7, 47?69; Ernst Schubert, Fürstliche Herrschaft und Territorium im späten Mittelalter, München 1996.



  • Seminar für fortgeschrittene Anfänger: Geschichte im Museum

    Die interdisziplinär angelegte Lehrveranstaltung, die sich auch an Studierende der Nachbarfächer (Volkskunde, Kunstgeschichte, Ethnologie etc.) wendet, will eine Einführung in die Museumsarbeit bieten. Es sind insbesondere drei Themenbereiche vorgesehen: 1. historische und theoretische Grundlagen; 2. Konzipierung und wissenschaftliche Erarbeitung von Ausstellungen; 3. Probleme der Präsentation. Um die Arbeit im Seminar durch die Konfrontation mit der Praxis vertiefen zu können, sind mehrere Exkursionen vorgesehen, unter anderem auch zur EXPO.

    Literatur: Hartmut Bookmann, Geschichte im Museum?, München 1987.