WiSe 2001/02


  • Vorlesung: Die Französische Revolution

    Im Mittelpunkt der Vorlesung stehen die Ereignisse in Frankreich ? und zwar nicht nur in Paris, sondern auch auf dem "platten Land" und in den Provinzstädten ? zwischen 1789 und 1799. Neben der Rekapitulation der komplexen Ereigniszusammenhänge der Französischen Revolution sollen auch die Hintergründe und Folgen dargelegt werden. Ausgehend von der langen und für die Historiographiegeschichte des 19. wie 20. Jahrhunderts sehr aufschlußreichen Geschichte der nicht selten widersprüchlichen Interpretation der Französischen Revolution soll u.a. gefragt werden, wie die Französische Revolution im Ausland, etwa in den deutschen Grenzregionen, aufgenommen wurde. Analysiert werden soll überdies die sich im Laufe der Jahre 1789 bis 1794 entwickelnde "gänzlich neue politische Kultur" (Lynn Hunt), etwa die Revolutionsfeste, die eine ganz eigene Revolutionssymbolik entwickeln. Ebenso wird das komplexe Spiel zwischen Revolution und Gegenrevolution, die Rolle, die hier u.a. die Religion, aber auch kulturelle Differenzen spielten, analysiert werden. Schließlich wird es um die Frage gehen, welche verfassungs- und rechtsgeschichtlichen Neuerungen in der Französischen Revolution Gestalt annahmen, genauso wie die Frage behandelt werden wird, welche kulturellen (etwa die von Rolf Reichardt betonte Kommunikationsrevolution) Folgen die Revolution zeitigte bzw. ob manche Veränderungen der französischen Gesellschaft nicht auch unabhängig von der Revolution zu erklären sind.

    Literatur: Rolf Reichardt, Das Blut der Freiheit. Französische Revolution und demokratische Kultur, Frankfurt a.M. 1998; Lynn Hunt, Symbole der Macht. Macht der Symbole. Die Französische Revolution und der Entwurf einer politischen Kultur, Frankfurt a.M. 1989; Ernst Schulin, Die Französische Revolution, München 1990; Michel Vovelle, Die Französische Revolution. Soziale Bewegung und Umbruch der Mentalitäten, Frankfurt a.M. 1985.



  • Hauptseminar: Von der Policey zur Polizei. Zur Entstehung des modernen Staates und seines Gewaltmonopols (18.?19. Jahrhundert)

    Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entstanden bekanntlich neue Vorstellungen über die Aufgaben und auch Grenzen des Staates. Statt des Ständestaates, der in zahlreiche Lebensbereiche der Untertanen ? legitimiert durch die Sorge um die Wohlfahrt und durch das Bemühen, zur "Glückseligkeit" der Untertanen beizutragen ? eingriff, forderte man nun, daß ein Staat sich auf die "Sicherheitsgewähr" beschränken solle. Kurzum, es ging um die Forderung nach einem modernen Rechts- und Verwaltungsstaat. Um einen solchen modernen Rechts- und Verwaltungsstaat vor Ort durchzusetzen, bedurfte es freilich grundlegender Reformen der Exekutivkräfte, diese mußten auf die neuen Staatsvorstellungen verpflichtet, und ihre Ausbildung den neuen Ansprüchen gemäß umstrukturiert werden. Im Seminar soll der Frage nachgegangen werden, wie diese Reformen theoretisch begründet wurden, ob und mit welchen Mitteln sie politisch von welchen Kräften forciert wurden und wie ihre Praxis aussah: Auf welche Hindernisse traf man, welche Eigendynamiken entwickelten sich? Wie sah der Alltag der Gendarmerie, der Wildschützer, der Polizisten, der neu entstehenden Kriminalpolizei und auch Soldaten aus, die für die neuen und alten Sicherheitsaufgaben eingesezt wurden. Konnten sie diesen Aufgaben gerecht werden und auf welche Kooperation mit der Bevölkerung waren sie angewiesen? Wie veränderte sich die Vorstellung vom staatlichen Gewaltmonopol durch die Interaktion mit der Bevölkerung, wie aufgrund der sich rapide verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingen des 19. Jahrhunderts? Kurzum: Es geht auch um die Frage ? die in neueren verwaltungswissenschaftlichen, rechtsgeschichtlichen und verfassungsgeschichtlichen Arbeiten, wie in jenen Mikrostudien, die sich mit der Praxis des Staates vor Ort beschäftigen, sehr kontrovers beantwortet wird ? wie die Praxis des Staates im 19. Jahrhundert aussah.

    Literatur: Albrecht Funk, Polizei und Rechtsstaat. Die Entwicklung des staatlichen Gewaltmonopols in Preußen 1848?1914, Frankfurt a.M. 1993; Alf Lüdtke (Hg.), "Sicherheit" und "Wohlfahrt". Polizei, Gesellschaft und Herrschaft im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1992; Michaela Hohkamp, Herrschaft in der Herrschaft. Die vorderösterreichische Obervogtei Triberg von 1737 bis 1780, Göttingen 1998; Joachim Eibach, Der Staat vor Ort. Amtmänner und Bürger im 19. Jahrhundert am Beispiel Badens, Frankfurt a.M./New York 1994; Nobert Schindler, Wilderer im Zeitalter der Französischen Revolution. Ein Kapitel alpiner Sozialgeschichte, München 2001.



  • Oberseminar: Der "linguistic turn"?

    Auf der Grundlage der Lektüre ausgewählter Texte soll der Frage nachgegangen werden, was innerhalb der Geschichtswissenschaft unter dem "linguistic turn" verstanden wird: Was bedeutet es, der sprachlichen Verfaßtheit der Quellen mehr Aufmerksamkeit zu schenken und was genau soll eine Diskursanalyse sein? Welche Modelle von Wandel implizieren diskursanalytisch orientierte Formen der Geschichtsschreibung und welche Probleme der Darstellung von Geschichte ? Stichwort: "Revival of the Narrative" ? werden problematisiert? Abwechselnd werden theoretische Texte und geschichtswissenschaftliche Untersuchungen gelesen, um auch den Problemen der Umsetzung theoretischer Erkenntnisse und Modelle nachzugehen. Vorausgesetzt wird Interesse an geschichtstheoretischen Fragen.

    Literatur: Ute Daniel, Clio unter Kulturschock. Zu den aktuellen Debatten der Geschichtswissenschaft, in Geschichte in Wissenschaften und Unterricht 48 (1997), 195?218, 259?278; Richard Evans, Fakten und Fiktionen. Über die Grundlagen historischer Erkenntnis, Frankfurt a.M./New York 1998.



  • Prof. Dr. Rebekka Habermas/Prof. Dr. Bernd Weisbrod
    Forschungskolloquium zur Neueren und Neuesten Geschichte






  • Vorlesung: Migrationen im frühneuzeitlichen Europa

    Das Bild der Frühen Neuzeit in der Historiographie hat sich in den letzten Jahrzehnten in mancher Hinsicht stark verändert. Gewandelt hat sich vor allem die Beurteilung der (vertikalen und horizontalen) gesellschaftlichen Mobilität: Wurde die überwiegend agrarisch geprägte frühmoderne Ständegesellschaft zunächst geradezu als immobil betrachtet, so vermitteln zahlreiche jüngere Studien den gegenteiligen Eindruck. Inzwischen gilt die Frühe Neuzeit als Epoche ausgeprägter, ja systembedingter und
    -erhaltender Mobilität, die in der Regel mit dauerhaften Ortswechseln, saisonalen oder permanenten Wanderungen verbunden war. Die Vorlesung ist systematisch angelegt: Sie bietet neben einer Einführung in die Forschungsliteratur eine Erörterung und Fortbildung der typologischen und methodischen Ansätze, vor allem aber eine in vergleichender Absicht erfolgende Darstellung der frühmodernen Migrationsformen.

    Literatur: Hermann Wellenreuther, Recent Research on Migration, in: Hartmut Lehmann/ders./Renate Wilson (Hg.), In Search of Peace and Prosperity. New German Settlements in Eighteenth-Century Europe and America, University Park/Penn. 2000, 265?306; Thomas Klingebiel, Migrationen im frühneuzeitlichen Europa: Anmerkungen und Überlegungen zur Typologiediskussion, in: COMPARATIV. Leipziger Beiträge zur Universalgeschichte und vergleichenden Gesellschaftsforschung 7 (1997) H.5/6, 23?38.



  • Proseminar: Devianz und Kriminalität in der Frühen Neuzeit

    Das Seminar bietet Studienanfängern eine Gelegenheit, sich mit den Methoden und Problemen der frühneuzeitlichen Geschichte vertraut zu machen. Die Auseinandersetzung mit ausgewählten Beispielen abweichenden und kriminellen Verhaltens gestattet Einblicke in die Funktionsweisen und Rechtsstrukturen der frühneuzeitlichen Gesellschaft, aber auch die Rekonstruktion der Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie der Handlungsmotive der beteiligten Menschen.

    Literatur: Joachim Eibach, Kriminalitätsgeschichte zwischen Sozialgeschichte und historischer Kulturforschung, in: Historische Zeitschrift 263 (1996), 681?715; Gerd Schwerhoff, Devianz in der alteuropäischen Gesellschaft. Umrisse einer historischen Kriminalitätsforschung, in: Zeitschrift für Historische Forschung 19 (1992), 385?414; Andreas Blauert (Hg.), Mit den Waffen der Justiz. Zur Kriminalitätsgeschichte des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 1993.



  • Hauptseminar: Formen der Dekolonisation im 20. Jahrhundert

    Zu den wichtigsten Fundamentalvorgängen des 20. Jahrhunderts zählen die Prozesse der Dekolonisation, die in der Summe zu einer veränderten Weltordnung geführt haben. Obgleich deren vielfältige Wirkungsgeschichte noch längst nicht abgeschlossen ist, ist es auch dem Historiker möglich, eine erste Bilanz zu ziehen. Der Seminarplan sieht zunächst eine Einführungsphase vor, um die begriffsgeschichtlichen und konzeptionellen Voraussetzungen der Dekolonisation rekonstruieren zu können. Danach sollen an ausgewählten Beispielen die politisch-rechtlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Antriebskräfte der Dekolonisationsvorgänge untersucht werden. Abschließend ist geplant, die Ergebnisse der Seminararbeit auf komparativem Wege zusammenzuführen und systematisch aufzuheben.

    Literatur: Rudolf v. Albertini, Dekolonisation. Die Diskussion über Verwaltung und Zukunft der Kolonien 1919?1960, Köln/Opladen 1966.