Prof. Dr. Dorothea Lüddeckens: Forschungsprojekt

Reflexion traditionaler Praxis in der Moderne

Meist wird davon ausgegangen, dass traditionale Rituale von den Ausführenden, zumindest wenn es sich um Laien handelt, nicht reflektiert werden. Innerhalb moderner Kontexte, insofern sie von sozialem Wandel geprägt sind, welcher auch die rituelle Praxis betrifft, trifft dies jedoch nicht zu. Laien beobachten hier ihre rituelle Praxis und teilen Staals Auffassung, dass Rituale »pure activity, without meaning or goal“ (Staal 1979: 9) seien, nicht unbedingt. Das rituelle Handeln gemäß vorgegebener Regeln und die Begründung ihrer Beachtung mit der Tradition schließen spezifische Relevanzzuschreibungen von Seiten der Laienteilnehmer nicht aus. »Das ‚religiöse Feld’« weist »besonders sensible Indikationen gesellschaftlicher und kultureller Mentalitäten und ihres Wandels auf« heißt es in der Themenskizzierung des Lichtenberg-Kollegs Göttingen. Inwiefern gilt dies gerade auch für die Beurteilung religiöser Rituale durch religiöse Laien, die sich im Kontext von Moderne, Säkularisierungsprozessen und gesellschaftlichem Wandel vorfinden? Wie kann dies ritualtheoretisch gefasst werden, indem rituelles Handeln im Sinne Luhmanns als Kommunikationsvermeidungskommunikation verstanden wird und die Kommunikation über das rituelle Handeln als Indikator eines spezifischen Aushandlungsprozesses der Behauptung traditionaler Praxis in einer modernen Umwelt verstanden wird? Eine Bearbeitung und ein Vergleich von Daten zu Todes- und Abschiedsritualen der Gemeinschaft der Parsen in Bombay einerseits und protestantischer und römisch-katholischer Kirchenmitglieder in Deutschland bzw. der Schweiz andererseits verspricht eine empirische Grundlage, um die obengenannten Fragen gerade auch im Fokus der ‚multiple modernities’ zu diskutieren.