Dr. Lieve Van Hoof

Von Oktober 2012 bis März 2013 und von Mai bis Juli 2013
Dr., Humboldt-Stipendiatin (Humboldt-Forschungsstipendium für erfahrene Wissenschaftler)
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Deutschland
Postdoktorandin im Bereich Forschung, Universität Leuven, Belgien

Studium der Klassischen Philologie, der Geschichte und der Politikwissenschaften
in Leuven und Gent


Forschungsvorhaben
Spätantike Epistolographie: Briefe zwischen Literatur und Gesellschaft

In der neueren altertumswissenschaftlichen Forschung nehmen sowohl die Spätantike als auch die Epistolographie eine wichtige Stellung ein. Während spätantike lateinische und christliche Briefe detailliert untersucht worden sind, sind einige
wichtige nicht-christliche, griechische Briefe bisher vernachlässigt worden. Dieses Projekt versucht diese Lücke zu füllen, indem es die Briefe des Sophisten Libanius und des Kaisers Julian analysiert.
Die Briefsammlung des Libanius (314-393 n. Chr.) enthält um die 1500 Briefe, die nicht nur an seine Studenten, Freunde und Kollegen, sondern auch an Behörden und sogar Kaiser adressiert sind. Weil die Sammlung nur teilweise übersetzt wurde, sind einzelne Briefe bisher meistens als Informationsquelle für Themen wie die spätantike Prosopographie oder das Schulsystem genutzt worden. Dieses Projekt hingegen studiert die Briefsammlung des Libanius zunächst als eine einheitliche literarische Komposition: In welcher Beziehung steht Libanius zu der epistolographischen Tradition? Wie ist die Sammlung konstruiert und welche Bedeutung hat dieser Aufbau für die Interpretation der einzelnen Briefe? Und warum wurden diese Briefe schon zu Lebzeiten von Libanius zu stilistischen Briefmodellen?
Um diese Fragen zu beantworten, wird eine detaillierte Textanalyse mit einer kontextualisierten Studie sowohl der früheren Tradition als auch des spätantiken Nachlebens der Briefe von Libanius kombiniert, und zwar inklusive der Fälschungen, die ihm zugeschrieben wurden. In zweiter Linie sollen die Briefe und die Briefsammlung von Libanius aus einer sozioliterarischen Perspektive heraus untersucht werden: Wie setzt Libanius seine Briefe zum Zweck der persönlichen Netzwerkbildung ein und wie präsentiert er sich selbst in seinen Briefen? Eine soziale Netzwerkanalyse wird helfen, diese Fragen zu beantworten.
Die Briefe Kaiser Julians, des sogenannten Apostats (361-363 n. Chr.), bieten eine einmalige Einsicht in sein politisches und persönliches Leben. Zugleich bereiten sie aber große Probleme: Es gibt keine einzige Sammlung und viele Briefe scheinen separat zirkuliert zu sein; es finden sich unter den Briefen viele Fälschungen und in manchen Fällen ist nicht klar, ob es sich um eine Fälschung handelt oder nicht; oft benutzt als historische Quellen sind die Briefe nur selten in ihrem spätantiken rhetorischen oder epistolographischen Kontext gelesen worden. Dieses Projekt kombiniert eine literarische (L. Van Hoof) und eine historische
(P. Van Nuffelen) Untersuchung der Briefe im Hinblick auf ein zweifaches Ziel. Einerseits werden die Genese und die Entwicklung der »Sammlung« untersucht.
Diese lassen sich nur innerhalb des Streits um das Bild des Kaisers zwischen Christen und Heiden verstehen, der schon sehr früh zu Fälschungen führte. Andererseits sollen die individuellen Briefe als rhetorisch konstruierte literarische Artefakte verstanden werden. Innerhalb der Sammlung werden sie in einen gewissen Kontext gezwungen und laufen dadurch Gefahr, einen tendenziösen Eindruck zu vermitteln. Damit ihre ursprüngliche Bedeutung klar wird, sollte man sie innerhalb ihres literarischen und sozialen Kontexts lesen.


Ausgewählte Publikationen

Van Hoof, L. 2010. Plutarch’s Practical Ethics. The Social Dynamics of Philosophy. Oxford: Oxford University Press.

Van Hoof, L. 2010. Greek Rhetoric and the Later Roman Empire. The Bubble of the »Third Sophistic«. L’antiquité tardive 18: 211-224.

Van Hoof, L. and P. Van Nuffelen. 2011. Monarchy and Mass Communication. Antioch 362/3 Revisited. Journal of Roman Studies 101: 166-184.

Van Hoof, L. 2011. »Libanius and the EU Presidency. Career Moves in the Autobiography« in P.-L. Malosse and O. Lagacherie (eds.): Libanios. Le premier humaniste. Salerno: Cardo, pp.193-206.

Van Hoof, L. (ed.) (forthcoming). Libanius. A Critical Introduction. Cambridge: Cambridge University Press.