Prof. Gert Westermann

Von Januar bis Juli 2013
PhD, Professor für Psychologie
Lancaster University, Großbritannien

Studium der Informatik, Psychologie, Linguistik und Kognitionswissenschaften in Braunschweig und Austin

Forschungsvorhaben
Multisensorische Integration in der kognitiven Entwicklung und im Lernen

Wenn Kinder sich die Welt erschließen, lernen sie, die verschiedenen sensorischen Eigenschaften von Dingen zu kombinieren, zum Beispiel das Aussehen eines Objektes mit den Geräuschen, die es macht, oder mit seinem Namen. Mein Projekt am Lichtenberg-Kolleg hat zum Ziel, diesen Aspekt der kognitiven Entwicklung empirisch zu untersuchen. Genauer gesagt möchte ich die Frage untersuchen, wie das Verhältnis von visueller und auditiver Information das Lernen beeinflusst.
Ein Aspekt der multisensorischen Integration, der in letzter Zeit vermehrt Gegenstand der Forschung gewesen ist, ist die Phonosemantik (engl. sound symbolism). Phonosemantik bezeichnet das Phänomen, bei dem der Name eines Objektes mit den Eigenschaften des Objektes in Verbindung steht – entgegen der von de Saussure postulierten, allgemein akzeptierten »arbitraire du signe«.
Ein Beispiel hierfür ist, dass die meisten Menschen, wenn sie ein neuartiges rundliches Objekt sehen, diesem vorzugsweise einen Namen geben, der einen runden Vokal (z. B. »o«) enthält (z. B. »bom« und nicht »zak«). Eine verbreitete Erklärung für Phonosemantik ist, dass die (runde) Form des Objektes mit der (runden) Form der Lippen verbunden wird, wenn der Name gesprochen wird. Ob diese auf dem Englischen basierende Erklärung universellen Bestand hat, lässt sich im Deutschen untersuchen: Hier hat der Umlaut »ü« auch eine runde Lippenform, aber keinen runden Klang. Wir werden eine Reihe von empirischen Untersuchungen mit Kleinkindern und Erwachsenen vornehmen, um die Eigenschaften und Ursachen der Phonosemantik und der multisensorischen Integration im Allgemeinen dahingehend weiter zu erforschen.
Ein weiterer Aspekt der multisensorischen Integration ist das Lernen von Wörtern. Kleinkinder gehen oft davon aus, dass Dinge nur einen Namen haben können. Mit dem Aufkommen der Babyzeichensprache vor einigen Jahren ist es jedoch so, dass ein Objekt zunächst durch ein Zeichen und dann durch ein Wort benannt wird. Wir planen daher eine Reihe von Studien mit hörenden und schwerhörigen Kindern und Erwachsenen, um zu verstehen, ob das Lernen eines Zeichens Einfluss auf das spätere Lernen eines Wortes für dasselbe Objekt hat. Dadurch können wir untersuchen, ob Namen in verschiedenen sensorischen
Formen (visuell und auditiv) ebenso in Konkurrenz zueinander stehen wie Namen in derselben sensorischen Form. Wir hoffen, mit diesen Studien unsere Erkenntnisse über die Integration multisensorischer Information in Kindern und Erwachsenen voranzubringen.


Ausgewählte Publikationen

Westermann, G. and Ruh, N. (in press). A neuroconstructivist model of past tense development and processing. Psychological Review.

Westermann, G. and Mareschal, D. (in press). Mechanisms of developmental change in infant categorization. Cognitive Development.

Westermann, G., N. Ruh and K. Plunkett. 2009. Connectionist approaches to language learning. Linguistics 47: 413-452.

Westermann, G., D. Mareschal, M. Johnson, S. Sirois, M. Spratling and M. Thomas. 2007. Neuroconstructivism. Developmental Science 10: 75-83.

Westermann, G. and D. Mareschal. 2004. From parts to wholes: mechanisms of development in infant visual object processing. Infancy 5: 131-151.