Die Europäische Union auf dem Weg zu einer vorsorgenden Risikopolitik? Ein policy-analytischer Vergleich der Regulierung von BSE und transgenen Pflanzen

Die generelle Fragestellung der Dissertation lautet: Wie verläuft politisches Entscheiden innerhalb der Europäischen Union unter den Bedingungen von Risiko, Ungewissheit und Nichtwissen?

Den theoretischen Hintergrund meines Dissertationsprojekts bilden Ansätze aus der Risiko- und Wissenssoziologie (insbesondere die Theorie der reflexiven Modernisierung) und der Policy-Analyse, wobei der Versuch unternommen wird, ein für die Politikwissenschaft taugliches Instrumentarium für die Analyse von risikopolitischen Prozessen zu entwickeln.
Mithilfe einer von mir entwickelten Risikotypologie soll es möglich werden politische Entscheidungen zu klassifizieren und dabei das spezifische Problem von Risikoentscheidungen in politischen Kontexten herauszuarbeiten. Der entscheidende Vorteil meines Ansatzes liegt darin, dass unterschiedlichen Risiken sowohl unterschiedliche Wissensstufen als auch unterschiedliche Legitimationsoptionen zugeordnet werden können.
In den Blickpunkt gerät dadurch der Einfluss (natur)wissenschaftlichen Wissens bzw. Nichtwissens auf politische Entscheidungen.
Dieses Analyseraster soll anhand von zwei Politikfeldern, die stark von Risiko, wissenschaftlicher Ungewissheit und Nichtwissen geprägt sind, erprobt werden. Die Analyse-Ebene bildet das politische System der Europäischen Union, wobei insbesondere die wissenschaftlichen Ausschüsse von Interesse sind. Zentrale These ist hierbei, dass die Europäischen Union sich auf dem Weg zu einer vorsorgenden Risikopolitik befindet.

Die Politikfelder, die zur Analyse ausgewählt werden, stellen paradigmatische Beispiele für den Umgang mit Risiko, Ungewissheit und Nichtwissen dar. Der erste Fall ist das Paradigma für Ungewissheit und Nichtwissen schlechthin: die Regulierung von transgenen Pflanzen (Freisetzung und Vermarktung genetisch veränderter Organismen). Hier haben wir es mit einem Fall zu tun bei dem, obwohl bisher noch kein ernster Schaden eingetreten ist, gleichwohl schon massiv reguliert wurde und zumindest auf EU-Ebene explizite risikovorsorgende Strategien (step by step, traceability, labeling) eingeführt wurden bzw. werden.
Der zweite Fall hat den Umgang mit Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutzpolitik immens beeinflusst und stellt gewissermaßen das „worst case“-Szenario dar, das Eintreten eines Schadens und dessen Risikomanagement auf europäischer Ebene: der BSE-Fall. Auch für BSE gilt anfangs eine immense wissenschaftliche Ungewissheit über Erreger, Übertragungswege und mögliche Speziesbarrieren.
Diese beiden Fälle werden hinsichtlich ihrer Risikoregulierung verglichen und dahingehend analysiert, ob und wie mit dem inhärenten Risikopotential umgegangen wurde bzw. wird.
In einem zweiten Schritt wird untersucht ob und in wie weit Risikophänomene zu einem Aufbrechen von Institutionen oder gar zu „neuen“ politischen Inhalten führen und ob sich dadurch das Verhältnis von Wissenschaft und Politik ändert.