Titel des Dissertationsprojekts:
Determinanten väterlichen Sorgehandelns in Nachtrennungsfamilien im Kontext unterschiedlicher Sozialmodelle am Beispiel Deutschland und Schweden

Demografischer, sozialer und ökonomischer Wandel haben familiale Lebensformen und Alltagspraktiken von Eltern und Kindern verändern. Die Entwicklung hat eine Re-Definition der männlichen Rolle innerhalb der Familie bewirkt, die nicht länger ausschließlich auf die des „Ernährers“ reduziert wird. Es entsteht für Väter damit eine inkonsistente Situation. Einerseits wird von einer neuen Form „aktiver“ Väter eine höhere Familienorientierung, eine kindzentriertere Einstellung, eine zunehmende Allokation von Geld und Zeit, sowie ein intensiverer Kontakt zu ihren Kindern gefordert aber auch selbst gewünscht. Dies impliziert eine steigende Erwartung an Väter sich auch an der täglichen Versorgung und Betreuung ihrer Kinder aktiv zu beteiligen.
Auf der anderen Seite bewirkt der genannte soziale Wandel eine ausgeweitete Diversität familialen Zusammenlebens – nicht zuletzt erkennbar an steigenden Scheidungszahlen. Eine wachsende Zahl dieser Familienformen wird gekennzeichnet durch die väterliche Abwesenheit aufgrund der elterlichen Scheidung oder Trennung. Dies führt dazu, dass Väter immer weniger Zeit im gemeinsamen Haushalt mit ihren Kindern verbringen. Legal bleiben abwesende Väter ihren Kindern nach dem Scheitern der elterlichen Partnerschaft verpflichtet. Obwohl ein großer Anteil dieser Väter ihren vereinbarten Verpflichtungen nachkommt, einige sogar freiwillig (mehr) leisten – und zwar “Cash“ und “Care“ -, verlieren andere Väter den Kontakt zu ihren Kindern kurz nach dem sie den gemeinsamen Haushalt verlassen haben. Andere vernachlässigen ihre Unterhaltsverpflichtungen gänzlich oder nur zum Teil indem sie unregelmäßig und/oder unvollständig Zahlungen leisten.
Trotz der wachsenden öffentlichen und auch wissenschaftlichen Debatte über Nachtrennungsfamilien wissen wir bisher nur wenig und dabei wenig Systematisches über das tatsächliche väterliche Sorgehandeln innerhalb dieser Familienform. Warum einige Väter sich entscheiden sowohl Geld als auch Zeit als Väter zu investieren, während andere ihre väterlichen Rechte und Pflichten negieren, stellt eine zentrale Frage der folgenden Arbeit dar. Welches Ausmaß und welche Ausgestaltung hat “Fathering“ in Nachtrennungsfamilien? Wie erfüllen Väter ihre sozialen, emotionalen und finanziellen Verpflichtungen in alltäglichen Lebensarrangements aus ihrer eigenen Perspektive? Wie – basierend auf welchen ökonomischen, sozio-demografischen und institutionellen Determinanten – können die offensichtlichen Variationen im Sorgehandeln abwesender Väter erklärt werden?
Dabei werden die Väter eingebettet innerhalb eines weiteren sozialen Kontextes betrachtet. Dies impliziert das jeweilige wohlfahrtsstaatliche Regime. Der Grad der Institutionalisierung von Vaterschaft variiert über verschiedene Sozialmodelle. Daher beinhaltet die Betrachtung und Analyse von Männern als Väter die Berücksichtigung der Verbindung zwischen Institutionen und Vaterschaft. Dies umfasst Institutionen die väterliches Sorgehandeln fördern bzw. behindern in der einen oder anderen Weise. Als Institutionen wären hier z.B. zu nennen die gesetzlichen Rahmenbedingungen, Normen und geschlechtsspezifische Rollenerwartungen. Kümmern sich Väter weniger, wenn der Sozialstaat sie aus ihrer Verantwortung entlässt? Kann eine staatliche Intervention väterliches Engagement in Form von “Cash“ und/oder “Care“ forcieren oder besser fördern?
Zur Analyse des makro-sozialen Kontextes abwesender Vaterschaft untersucht die Arbeit väterliches Sorgehandeln in Deutschland, Holland und Schweden, die unterschiedliche Typen von Sozialmodellen repräsentieren. Dazu werden die jeweiligen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der politischen, legalen und sozialen Rahmenbedingungen für jedes Land herausgearbeitet und ihre Effekte auf die alltägliche Praxis als Vater untersucht.
Im Mittelpunkt der geplanten Studie stehen demnach Väter und das väterliche Sorgehandeln: seine Formen, Dimensionen und seine Determinanten innerhalb von Nachtrennungsfamilien. Dabei wird das väterliche Handeln im Kontext unterschiedlicher Sozialmodelle eingebettet und verglichen. Die Analyse basiert auf Individualdaten der einzelnen Väter.