Titel des Projekts:
Grenzen des Tripartismus. Über die institutionellen Bedingungen der Dynamik tripartistischer Arbeitsverwaltungen - Ein Vergleich zwischen Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien

Gegenstand und Fragestellung des Forschungsprojektes

Das Dissertationsprojekt untersucht den sozialpartnerschaftlichen Penetrationsgrad der Arbeitsmarktpolitik in den NL, UK und D, operationalisiert anhand der Beteiligung von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Staat an der öffentlichen Arbeitsverwaltung, der Kerninstitution öffentlicher Arbeitsmarktpolitik. Dimensionen des Penetrationsgrades von öffentlichen Arbeitsverwaltungen sind deren Organisationstyp (Staatsverwaltung vs. Selbstverwaltung/Tripartisierung) und die Art der Finanzierung von Arbeitslosenversicherung und Arbeitsvermittlung (später auch: Arbeitsbeschaffung, Weiterbildung, Berufsberatung).

Das Timing des sozialpartnerschaftlichen Penetrationsgrad der Arbeitsmarktpolitik gestaltet sich in den Niederlanden, Deutschland und Großbritannien über die Zeit betrachtet höchst variabel. Das Scheitern der Tripartisierungsversuche in den Niederlanden in den 60er Jahren steht im krassen Gegensatz zur Gründung der tripartiten Arbeitsverwaltung in UK 1973. Die Abschaffung dieser Tripartisierung in UK in den 80er Jahren ist mit der Einführung der Tripartisierung der Arbeitsverwaltung in NL in den 90er Jahren zu konfrontieren. Deutschland entzieht sich dieser Dynamik. Hier ist die Beteiligung von Arbeitgebern und Gewerkschaften an der öffentlichen Arbeitsverwaltung seit 1927 fest institutionalisiert. Die Arbeit versucht zu klären, warum das so ist. Dabei begründet die Unterschiedlichkeit zwischen den Ländern die Länderauswahl.

Dabei soll auf folgende Fragen eine Antwort gefunden werden: Wie erklärt man die institutionalisierte Mitwirkung von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Staat in der Arbeitsmarktpolitik in den Niederlanden, Deutschland und UK? Welchen Einfluß haben Struktur und Organisation der drei Akteure? Wie interagieren diese in Abhängigkeit vom Problemdruck auf dem Arbeitsmarkt und der Funktion von Arbeitsmarktpolitik? Wie wirken diese Aspekte in ihrer Kombination auf die Kontinuität, Fragilität und den Aufstieg tripartiter Regulation in der Arbeitsmarktpolitik?

Bezug zum Forschungsprogramm des Graduiertenkollegs
Die Arbeit untersucht den Wandel der Organisation von Arbeitsmarktpolitik in drei europäischen Industriegesellschaften, die zwei unterschiedlichen europäischen "Kapitalismustypen" zugerechnet werden. Die Niederlande und Deutschland gelten als korporative Kapitalismen, Großbritannien als "kompetitiver" Kapitalismus. Bisher wissen wir wenig über den Zusammenhang von unterschiedlichen nationalen Wohlfahrtskonfigurationen und der konkreten Ausgestaltung der Regulation in einem Politikfeld. Das Dissertationsprojekt kann als Beitrag zu der übergeordneten Frage des Kollegs "Das Europäische Sozialmodell – Abgrenzung, Entstehung, Wirkungsweisen und Varianten" (Themenfeld 1) gewertet werden. Es berührt aber auch die Frage nach "gesamtgesellschaftlichen Dynamiken" (Themenfeld 2) und Fragen der "Pfadabhängigkeit und der Änderung von Steuerungsmechanismen"(Themenfeld 3).

Methode und Vorgehensweise
Die Arbeit ist interdisziplinär und historisch vergleichend angelegt. Es gibt nicht "den" theoretischen Ansatz zur Erklärung "tripartistischer" Regulation. Verschiedene Ansätze berühren jedoch die Frage der Beteiligung von Staat und funktionalen Interessengruppen in der Durchführung von Politik. In Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen (Regulationstheorien, dem historischen Institutionalismus und (neo-)korporatistische Ansätzen) beginnt die Untersuchung mit der Entstehung öffentlicher Arbeitsverwaltungen (D: 1927; NL. 1930; UK: 1909) und verfolgt deren institutionelle Ausgestaltung bis Anfang der 90er Jahre.

Es bietet sich an, den Untersuchungszeitraum in drei Perioden zu teilen. Erstens, die Phase der Initialisierung öffentlicher Arbeitsmarktpolitik, zweitens die Phase von Mitte der 60er Jahre bis Anfang der 80er und drittens von Anfang der 80er Jahre bis Mitte der 90er Jahre. Für alle drei Perioden werden "positive" mit "negativen" Fällen verglichen. Positiv im Sinne von "es gibt eine tripartite Arbeitsverwaltung", negativ im Sinne von "es gibt keine tripartite Arbeitsverwaltung". Diesen Strukturvergleichen wird ein zeitlicher Längsvergleich der drei Länder hinzugefügt.

Im Zentrum steht dadurch der Vergleich von Phasen, in denen Neuorientierungen in der Organisation von Arbeitsmarktpolitik stattgefunden haben, in denen die Beteiligung von Staat, Gewerkschaften und Arbeitgebern diskutiert und/oder Verantwortungen zwischen den drei Akteuren neu verteilt wurden. Man könnte dies als Methode der kontrafaktischen Analyse bezeichnen. "Critical junctures" (Phasen der Neuorientierung) werden miteinander verglichen. Dies bedeutet auch einen Vergleich des Vorhandenseins/Nichtvorhandenseins von Faktoren, die für die Frage der Beteiligung/Nichtbeteiligung der Sozialpartner eine Rolle spielen könnten.